Bauwerk

Museum Liaunig
querkraft architekten - Neuhaus (A) - 2008
Museum Liaunig, Foto: Lisa Rastl
Museum Liaunig, Foto: Lisa Rastl

Kein Gramm Fett

Das un­ter­ir­di­sche Mu­se­um Li­au­nig im kärnt­ne­ri­schen Neu­haus ist um ein paar Räu­me rei­cher. Es re­giert die nack­te Ge­walt von Licht und Be­ton – und von fünf Se­kun­den Echo.

13. Juni 2015 - Wojciech Czaja
Rau­chen strengs­tens ver­bo­ten. Kunst dul­det kei­nen Qualm. Doch die Na­sen­här­chen sind ein we­nig ir­ri­tiert an­ge­ruchs der hier vor­ge­fun­de­nen Ta­bak­kon­zen­tra­ti­on. Über das ge­sam­te Mu­se­um legt sich ein be­tö­ren­der Schlei­er von ku­ba­ni­schem Zi­gar­ren­rauch. Her­bert Li­au­nig ist zu­ge­gen. Er sitzt im Foy­er und ge­nießt den gei­ßeln­den Son­nen­schein an die­sem früh­som­mer­li­chen Nach­mit­tag auf sei­ne Art und Wei­se. „Mit dem Es­sen kommt der Ap­pe­tit“, sagt Li­au­nig. „Die Samm­lung wur­de im­mer grö­ßer und grö­ßer, und so war es un­aus­weich­lich, dass das Mu­se­um ei­nes Ta­ges er­wei­tert wer­den muss­te.“

Vor rund ei­nem Mo­nat ging das nun­mehr von 5000 auf 7500 Qua­drat­me­ter ver­grö­ßer­te, un­ter­ir­di­sche Pri­vat­mu­se­um in Neu­haus/Su­ha in Be­trieb. Wo sich frü­her Kä­fer und Re­gen­wür­mer durch das Er­dreich fra­ßen, hän­gen nun Aqua­rel­le und Öl­ge­mäl­de des iri­schen Ma­lers Se­an Scul­ly. Mit sei­nen pas­to­sen, schwarz-weiß-grau­en und ge­deckt bun­ten Strei­fen und Bal­ken, die er auf die Lein­wand bannt, bringt er Far­be in den Raum. „Welt­an­eig­nung“ nennt Scul­ly die­se Ver­schmel­zung von Licht und Me­lan­cho­lie.

Mit dem dreie­cki­gen Raum, der gleich ne­ben dem Foy­er ab­zweigt, hat Li­au­nig nun erst­mals auch ei­ne Büh­ne für Leih­ga­ben und Wech­sel­aus­stel­lun­gen – und für Le­sun­gen, Kon­zer­te, di­ver­se Ver­an­stal­tun­gen wel­chen For­mats auch im­mer. „Wir möch­ten uns jetzt et­was brei­ter auf­stel­len und ei­nen viel­fach nutz­ba­ren Raum zur Ver­fü­gung stel­len, in dem Kul­tur statt­fin­den kann“, so Li­au­nig. Die Akus­tik ist wun­der­bar. Wenn hier ei­nes Ta­ges Pe­ter Hand­ke aus ei­nem sei­ner Bü­cher le­sen wer­de, so der Plan, dann wird er dies oh­ne Ver­stär­kung tun kön­nen.

Fünf Me­ter über dem Bo­den pfei­fen rie­si­ge, bis zu 35 Me­ter lan­ge Stahl­be­ton­trä­ger durch den Raum. Ein biss­chen er­in­nert die­se ro­he, un­ver­blüm­te Me­gast­ruk­tur an der Drau an die Bau­ten von Pe­ter Ei­sen­man, Lou­is Kahn, Le Cor­bu­sier. „Wir woll­ten den Raum nackt und un­ver­klei­det be­las­sen“, sagt Ja­kob Dunkl von quer­kraft ar­chi­tek­ten. „Da­mit kommt der ar­chai­sche Cha­rak­ter die­ses Ge­bäu­des, das ja fast zur Gän­ze in der Er­de drins­teckt, bes­ser zur Gel­tung. Es gibt kei­nen Un­ter­schied zwi­schen Roh­bau und fer­ti­gem Haus.“ Hält kurz in­ne. Und dann, druck­reif: „Kein Gramm Fett.“

Die ma­te­riel­le Ab­spe­ckungs­kur hat nicht nur räum­li­che und ge­stal­te­ri­sche Grün­de, son­dern ist nicht zu­letzt dem Por­te­mon­naie ge­schul­det. Der Un­ter­neh­mer und Kunst­samm­ler Li­au­nig ist kei­ner, der sich all­zu oft in sei­nen Spen­dier­ho­sen zeigt. Und so ver­wun­dert es nicht, dass die Net­to­bau­kos­ten für den Er­wei­te­rungs­bau mit 1500 Eu­ro pro Qua­drat­me­ter kei­nen Cent über dem ur­sprüng­li­chen, 2008 er­rich­te­ten Ur­mu­se­um lie­gen durf­ten. Das Ge­samt­in­ves­ti­ti­ons­vo­lu­men be­läuft sich auf 5,5 Mil­lio­nen Eu­ro.

Wa­rum bloß drei E­cken?

Doch wa­rum bloß drei E­cken? „Wir wa­ren zu Be­ginn auch ein we­nig skep­tisch“, meint Dunkl. Dreie­cki­ge Aus­stel­lungs­räu­me sei­en nicht ge­ra­de all­täg­lich im Mu­se­ums­bau. „Al­ler­dings hat ein Drei­eck bei gleich blei­ben­der Flä­che un­ter den ein­fa­chen euk­li­di­schen Grund­for­men den größ­ten Um­fang. So ge­se­hen kann man bei gleich blei­ben­den Bau­kos­ten mehr Bil­der an die Wand hän­gen.“ Das hat den Haus­herrn über­zeugt.

Orts­wech­sel. Et­was wei­ter drin im Berg. Über ei­nen mehr als 50 Me­ter lan­gen Kor­ri­dor ge­langt man in die neue Glas- und Mi­nia­tur­samm­lung. Ram­pen ge­hen auf und ab, man ver­liert nicht nur die Orien­tie­rung im Raum, son­dern auch das Ge­fühl für die be­reits zu­rück­ge­leg­ten Hö­hen­schicht­li­ni­en. Die In­stal­la­ti­on der ös­ter­rei­chi­schen Künst­le­rin Est­her Sto­cker, die den Gang an Bo­den, Wand und De­cke schwarz-weiß ge­pi­xelt hat, tut ein Üb­ri­ges. Um­so er­nüch­tern­der sind dann die bei­den Aus­stel­lungs­räu­me mit Tep­pich­bo­den und Vi­tri­nen, in de­nen Glas­ar­bei­ten und im Mil­li­me­ter­be­reich aqua­rel­lier­te Por­träts aus dem Zeit­raum von 1500 bis 1800 prä­sen­tiert wer­den.

Ein Highl­ight ist da­für die Skulp­tu­ren­hal­le ne­ben­an. Der kreis­run­de, ar­chaisch be­to­nier­te Raum, der be­reits 2011 er­rich­tet wur­de, dien­te bis zu­letzt als La­ger­raum für Plas­ti­ken und Land­ma­schi­nen und Trak­to­ren. Heu­te ist der ein­sti­ge Ab­stell­raum, des­sen Geo­me­trie und Bau­wei­se tra­di­tio­nel­len Gä­rungs­be­häl­tern nach­emp­fun­den ist und der sich an der Ober­flä­che wie ein über­di­men­sio­na­ler Maul­wurfs­hü­gel durch den Gras­tep­pich wölbt, öf­fent­lich zu­gäng­lich.

Fünf Se­kun­den Nach­hall­zeit

Zeit­ge­nös­si­sche Fi­gu­ren ste­hen frei im Raum. Fast pant­heong­leich strömt von oben das Licht in den Be­häl­ter. „Spä­ter ein­mal“, sagt Haus­tech­ni­ker Rein­hold Ja­mer, er kennt das Haus in- und aus­wen­dig, „sol­len hier Kon­zer­te und Ge­sangs­aben­de auf­ge­führt wer­den. Das wird wirk­lich dra­ma­tisch wer­den, da­rauf freue ich mich schon.“ Fünf Se­kun­den be­trägt die Nach­hall­zeit. Sa­kra­le Di­men­sio­nen tun sich da auf. Im De­zem­ber 2012 wur­de das Mu­se­um Li­au­nig, nur vier Jah­re nach Fer­tigs­tel­lung, als jüngs­tes ös­ter­rei­chi­sches Ob­jekt al­ler Zei­ten un­ter Denk­mal­schutz ge­stellt. Die Grün­de da­für mö­gen viel­fäl­tig ge­we­sen sein. Als sei­ne per­sön­li­che Mo­ti­va­ti­on je­doch nennt Haus­herr Li­au­nig den Schutz des Hau­ses über sei­nen Tod hin­aus: „Nach­dem Günt­her Do­me­nig ge­stor­ben ist, war mei­ne größ­te Be­fürch­tung, dass das von ihm ge­plan­te Stein­haus am Os­sia­cher See in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten könn­te. Das wä­re scha­de ge­we­sen. Der Denk­mal­schutz ist ei­ne ge­wis­se Ge­währ, dass das nicht pas­siert.“

Schon jetzt wach­te das Bun­des­denk­mal­amt mit Ar­gu­sau­gen über das Er­wei­te­rungs­pro­jekt der mit dem Pro­jekt wohl be­stens ver­traut ge­we­se­nen Haus- und Ho­far­chi­tek­ten quer­kraft. Wei­te­re Zu­bau­ten wer­den nur un­ter größ­ter An­stren­gung mög­lich sein. „Das wird nicht nö­tig sein“, sagt der Zi­gar­re paf­fen­de Kunst­samm­ler. „Das Mu­se­um ist jetzt groß ge­nug.“ Näch­stes Jahr soll der in die Land­schaft ein­ge­las­se­ne Skulp­tu­ren­gar­ten er­öff­net wer­den. Die Bau­stel­le hat be­reits be­gon­nen. Da­mit wird das Werk Li­au­nig ab­ge­schlos­sen sein.

Be­sich­ti­gungs­zei­ten:
Mitt­woch bis Sonn­tag 10 bis 18 Uhr.

Ge­öff­net bis 31. Ok­to­ber

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