Bauwerk

Ausstellungsgebäude Fliesen Leeb
Leeb Condak Architekten - Graz (A) - 1999
Ausstellungsgebäude Fliesen Leeb, Foto: Paul Ott
Ausstellungsgebäude Fliesen Leeb, Foto: Paul Ott
Ausstellungsgebäude Fliesen Leeb, Foto: Paul Ott
14. September 2003 - Az W
Der im Verhältnis zur Grundstücksgröße und zur vorgegebenen Bebauungsdichte umfangreiche Raumbedarf erforderte einen kompakten Baukörper. Als Grundform des neuen Bauwerks wurde daher ein kubischer Körper mit quadratischem Grundriss gewählt. Zur Betonung der Ecklage an Puchstraße bzw. Fasangartengasse wurde dieser Kubus, so weit es die Abstandsregeln zuließen, an diese beiden Straßen herangerückt. Dadurch entstanden, den öffentlichen Straßen entsprechend, zwei innere Wege am Grundstück, die in diese Straßen münden. Durch Puchstraße und Fasangartengasse einerseits und durch die beiden Wege auf dem Grundstück andererseits, befindet sich der Kubus somit auf einer umfahrbaren Insel.
Bedingt durch die Grundstückslage wird das Bauwerk als an die Ecke platziertes Einzelobjekt verstanden. Die Charakteristik als Einzelobjekt findet in der markanten Ausbildung der Wellenwand ihre Entsprechung. Der geometrischen Einfachheit des Baukörpers folgend wurde in konstruktiver Hinsicht der Weg größtmöglicher Klarheit gewählt (konstruktive Transparenz), ein Weg, der die sichtbare Autonomie der gebauten Einzelteile des Bauwerks zum Ziel hatte. Das Gebäude ist wesentlich ein Stahlbetongebäude, das die zwei grundsätzlich verschiedenen Konstruktionsmöglichkeiten dieses Materials zeigt : Ortbeton- und Fertigteilbauweise.
Die Ortbetonstruktur des Bauwerkes ist von der sie umgebenden Wand in statischer Hinsicht vollkommen unabhängig. 16 Rundsäulen und ein Zentralschacht erheben sich aus den unter Niveau liegenden Räumen und tragen gemeinsam das als umgekehrten Pyramidenstumpf ausgebildete Dach. Östlich und westlich des Zentralschachtes geben zwei aus dem Dach herausausgeschnittene Öffnungen den Blick auf den Himmel frei. Das einfallende Licht gleitet entlang des Zentralschachtes nach unten bis auf das Niveau des Erdgeschosses. Andererseits betonen diese Öffnungen die Vertikalbewegung des Zentralschachtes, der solcherart die behütende Dachfläche zu durchstoßen scheint und die Blickachse nach oben verlängert.
Alle auftretenden Horizontalkräfte werden von den Rändern zur Mitte des quadratischen Bauwerkes geführt und über den zentralen Schacht ins Erdreich abgeleitet. Die Außenwand des Bauwerks wird aus statisch aufeinanderruhenden Betonfertigteilen gebildet. Grundsätzlich besteht die Wellenwand aus zwei verschiedenen Fertigteilen : einem Wellenteil und einem Blockteil. An jeder der vier Gebäudeseiten sind sechs Wellenteilpaare übereinandergelegt. Diese Anordnung wird nur durch die beiden einander gegenüberliegenden Eingänge unterbrochen : hier wurden jeweils zwei übereinanderliegende Amplituden für eine die Wand durchdringende Blechhaube ausgelassen.
Der Blockteil ist jeweils zwischen den Wellenteilen - als deren horizontaler Abstandshalter - angeordnet. Die Blockteile stehen in einem Querschnitt von 20x20cm nach außen bis auf die Ebene der Maximalamplituden der Wellenteile vor und sind an diesen äußeren Enden mit Metallringen versehen. Diese Ringe dienen zur Montage von Transparenten, welche die unterschiedlichen Werbemaßnahmen des Betriebes nach außen tragen - die gesamte Wand kann auf diese Art „dekoriert“ werden. Aus der Innenkante der Blockteile ragen jeweils zwei Stahlschwerter, die der Befestigung an die Ortbetonrundstützen dienen (Aufnahme der Horizontalkräfte).
Die Konstruktionsweise der statisch aufeinanderruhenden Betonfertigteile - im Gegensatz zu an einer Ortbetonstruktur aufgehängten Fertigteilbauweise - ermöglichte einen schlanken Stützenquerschnitt (d=25cm), der wegen der geringen Abmessungen des Bauwerkes angestrebt wurde. Durch die Anordnung der Blockteile entsteht zwischen den Wellenteilen jeweils ein horizontaler Schlitz.
Die Einheit des Innenraumes wird durch die im ganzen Kubus sichtbare Innenansicht der Wellenstruktur der Außenwand mit den geschichteten Horizonten der dazwischenliegenden Schlitze erfahrbar. Zeigen sich die Wellenteile nach außen hin als „volle“ Körper, so werden sie von innen als „gehöhlte“ Schalen aus Stahlbeton wahrgenommen. Die Stirnseiten der Wellenteile sind verblecht, die durch den C-Querschnitt entstehende Fläche ist verglast, beide Teile zusammen formen, von außen betrachtet, eine negative Ecke. Die umlaufende Schlitzverglasung formt an dieser Stelle hingegen eine positive Ecke. Durch die Übereinanderschichtung von positiven und negativen Ecken entsteht eine „vertikale Endlosecke“.
Die vier Wellenwände sind außen dreiseitig (vertikal, Ober- und Untersicht) mit orangem Glasmosaik in drei Farbtönen im Format 25x25mm aus Recycling-Glas verkleidet - es überzieht die wärmegedämmten Wellenteile wie eine Haut. Die dadurch entstehende Körperhaftigkeit der Wände wird durch den Glanz des Mosaikbelages im Sonnenlicht noch unterstützt. Im Inneren wurde die Betonoberfläche der Fertigteile roh belassen. Alle Ortbetonbauteile (Wände, Rundsäulen, Balken und Deckenuntersichten) wurden als Sichtbetonteile ausgeführt. Die Betonoberflächen bilden in ihrem ruhigen Grau den Hintergrund für die Präsentation der keramischen Materialien.
Als Einzelobjekt verfügt das Bauwerk über eine ihm eigene Maßstäblichkeit : die Höhe der Wellenteile gibt, von außen betrachtet, nicht die innere Organisation des Gebäudes wieder, genauso wie, von innen betrachtet, die Anordnung der unterschiedlichen Niveaus nichts mit der Wellenwand zu tun hat : die Ebenen werden von den vier Wellenwänden wie von einem an die Struktur herangeschobenen Mantel umhüllt (Da die Ortbetonteile des Gebäudes in ihrer Gesamtheit völlig fertiggestellt waren, bevor die Montage der Fertigteile erfolgte, zeigte sich die Autonomie der Einzelteile auch schon während des Bauprozesses).
Der geheimnisvollen Hermetik der äußeren Erscheinung steht die gelöste Offenheit des Innenraumes gegenüber, die sich dem Besucher erst nach dem Durchdringen der Wellenwand erschließt. Das Maßstabsspiel setzt sich so in den unterschiedlich wahrgenommenen Größenverhältnissen des Bauwerks fort: von außen, nicht zuletzt aufgrund seiner Nachbarschaft zu den mächtigen Betonsilos, wirkt der Kubus eher klein, von innen dagegen entwickelt sich ein großzügiger Raum. Die Anzahl der unterschiedlichen Niveaus verstärkt diesen Eindruck noch, entfaltet sich der Innenraum ja vorwiegend in seiner vertikalen Erstreckung, ein Umstand, der durch die Höhenwahrnehmung des Betrachters und seine kreisenden Bewegungen im Raum bewirkt wird.
Das Bauwerk stellt unter anderem den Versuch dar, einer an sich gewichthaften Bauweise durch die Art, wie seine Einzelteile miteinander verbunden sind, eine leichte Wirkung zu verleihen. Die Vorstellung von Leichtigkeit vermittelt sich hier als Gegensatz zu Schwere und Gewicht. Das Bauwerk findet seinen Ausdruck als Kubus übereinandergeschichteter Einzelteile somit durch die Methode des Zusammenfügens. Die Sichtbarmachung aller Verbindungen resultiert in konstruktiver Transparenz : es entstehen Bilder die den Entwurf inspiriert haben - ein Stapel gelagerten Materials, geschichtete Horizonte... (Text: Architekten)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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