Bauwerk

Internat Berufsschulzentrum Linz
HERTL.ARCHITEKTEN - Linz (A) - 2008
Internat Berufsschulzentrum Linz, Foto: Paul Ott
Internat Berufsschulzentrum Linz, Foto: Paul Ott

Internat Berufschulzentrum Linz

1. März 2009 - Az W
Der ursprünglich in den 1970er Jahren errichtete Gebäudekomplex steht zentral zwischen Linzer Altstadt und dem Industriegebiet längs der Donau und wurde selbstbewusst am höchsten Punkt einer kleinen Anhöhe in einem durchgrünten Berufsschul-Campus situiert. Damals investierte die Politik in der „Stahlstadt Linz“ noch großzügig in die Facharbeiterausbildung, sodass das Lehrlingsheim mit Sportsaal und Hallenbad ausgestattet wurde. Eine Investition, die in der Post-Maastrich-Ära wohl kaum mehr möglich wäre. Der mehrgeschossige Internatsblock überragt markant die ansonsten zweigeschossigen Schul-und Werkstättengebäude und hebt sich aufgrund seiner topografischen Lagen auch in städtebaulicher Hinsicht deutlich vom umliegenden, verdichteten Wohngebiet ab.
Seit 2003 bietet die Berufsschule 8 die Ausbildung als „Öko-Installateur“ sehr erfolgreich an – ein Spezialmodul für Ökoenergietechnik im Rahmen der Installateurslehre, das der gestiegenen Nachfrage nach energieeffizienter und nachhaltiger Haustechnik Rechnung trägt. Das Einzugsgebiet der 1500 Lehrlinge umfassenden Schule geht über die Grenzen des Landes Oberösterreich hinaus. Für die Schüler aus den weiter entfernten Gebieten war das Lehrlingsheim aus den 1970er Jahren schon in die Jahre gekommen und die beträchtlichen Betriebskosten zwang die Heimleitung sich für die Schließung des Schwimmbades zu entscheiden. Zudem gab es aufgrund des bevorstehenden Starts der Ökoenergietechnik-Ausbildung erhöhten Platzbedarf an Lehrlingsunterkünften, weshalb sich 2002 das Land Oberösterreich entschied, für die Modernisierung und Erweiterung des Internats einen geladenen Architekturwettbewerb durchzuführen. Diesen konnte das damals noch recht junge Architekturbüro Hertl.Architekten aus Steyr in Oberösterreich für sich entscheiden.

Als einziger Teilnehmer hatte Architekt Gernot Hertl eine Aufstockung des bestehenden, ungleich-geschossigen Lehrlingswohnheims vorgeschlagen, während alle anderen Kollegen die „Scheußlichkeit“ abtragen und die Kubatur im Umfeld aufgelockerter verteilen wollten.
Hertl erkannte früh das Potential des wunderbaren Ausblicks über die Stadt, und ordnete die strengen Baukörpergeometrie aus den 1970er Jahren neu. Er nutzte die vorhandene Stahlbetonstruktur und setzte ein viertes Wohngeschosses auf, was sich auf die Proportion des Gebäudes wohltuend auswirkte. Diesem fügte er noch einen atriumartigen „Open Space“ im Dachgeschoss hinzu, der den Jugendlichen durch einen Ballspielbereich unter freiem Himmel einen zusätzlichen Wohnwert bringen sollte (welcher aber derzeit seitens der Heimleitung aus Angst vor „fliegenden Bällen“ leider nur für Tischtennis zugelassen ist). Durch das Hinaufziehen der Fassade über diesen Freibereich konnten Hertl.Architekten wieder eine rundum gleiche Gebäudehöhe herstellen und so den Internatsblock als schlanken, quaderförmigen Baukörper prägnant neustrukturieren.
Die klare Formensprache findet ihre Fortsetzung in der streng horizontalen Gliederung der energetisch wie ökonomisch hochwertigen Fassade, die in der streifenartigen Anordnung von Paneelen aus Emailglas, beschichtetem Blech, Eternit und Solarkollektoren noch unterstützt wird. Ähnlich einem Quadermauerwerk, bei dem die einzelnen Steine aufgrund variabler Quarzanteile in unterschiedlichen aber dennoch ähnlichen Grautönen changieren, entstehen an der Fassade je nach Sonneneinstrahlung unterschiedliche Kontraste, ohne jedoch den eleganten, monochromen Gesamteindruck zu verlieren.
Neben den deutlichen, energetischen Einsparungen aufgrund der hochdämmenden Fassade – der flächenbezogene Heizwärmebedarf liegt mit 37kWh(m²a) um mehr als 20 Prozent unter dem gesetzlichen Standard – gelang es den Architekten durch die in der Fassade integrierten Solarkollektoren wieder einen wirtschaftlichen Betrieb des bereits aufgegebenen Hallenbades im Untergeschoss zu ermöglichen. Die in Blau gehaltene, tonnenförmige Decke der Schwimmhalle hält nun auch den hohen Beanspruchungen der Wasserballsportler stand. Die Pooltechnik wurde komplett erneuert und das bestehende, beheizte Becken in einem zeitgemäßen Ambiente gefasst, dass eher an ein Fünfsternhotel erinnert, als an ein Lehrlingsheim.

Ein Vergleich, der sich auch für den 250 Personen fassenden Cafeteria-Bereich im Erdgeschoss anbieten würde. Dieser wird über großzügige und mit tasmanischen Baumfarnen bepflanzte Atrien reichlich mit Tageslicht versorgt. Die Symmetrie der Tageslichtatrien spiegelt sich auch in der westlich anschließenden, neuen Turnsaaltribüne für 50 Sitzplätze wieder, wo über Dachöffnungen neue Tageslichtqualitäten ermöglicht wurden. Durch eine neue „Erschließungsbrücke“ an die auch ein lichtdurchfluteter Fitnessraum anschließt, wurde das Turnsaalgebäude direkt und witterungsgeschützt an das Eingangs-Foyer im Erdgeschoss des Internatsgebäudes angeschlossen. Das Internat bietet nach dem Umbau 51 Zimmer mit eigenen Sanitärräumen für über 200 Lehrlinge im Alter zwischen 14 und 20 Jahren. Die Sanierung erfolgte während des laufenden Betriebs abschnittsweise zwischen 2003 und 2008 und ermöglichte eine schrittweise Anpassung an die Erfordernisse moderner Beherbergungsbetriebe. Neu kamen dabei ca. 5.600 m ³ umbauter Raum zum insgesamt 20.459 m ³ großen Gebäudekomplex hinzu. Neben der Neustrukturierung der inneren Funktionsabläufe war die Schaffung heller, freundlicher Kommunikationsflächen mit Mehrwert ein wesentliches Anliegen. Diese sollten auch einen Bezug zum Außenraum bzw. zur Stadt sowie zwischen den Geschossen ermöglichen. Dafür wurden die vormals dunklen Gänge aufgebrochen und im Bereich der früheren Gemeinschaftswaschräume wurde in jedem Geschoss die Stahlbetondecken heraus gebrochen und durch elegante Stahlglaskonstruktionen ersetzt. Dadurch entstand über dem Eingangs-Foyer ein mehrgeschossiges und lichtdurchflutetes Atrium, an das in jedem Geschoss öffentliche Wohnzonen angegliedert wurden. So steht einmal ein Wohnzimmer mit Fernsehbereich, im anderen Stock eine Wohnküche und im nächsten Geschoss eine Bibliothek mit Leselounge zur Verfügung, die allen Bewohnern gleichermaßen zur Verfügung stehen.
Der offene und großzügige Raumeindruck wird durch eine einheitliche, jadegrüne Farbgebung für Wand, Decke und Terrazzoboden unterstrichen. Dennoch unterscheidet sich jedes Geschoss durch eine individuelle Anordnung der flächenbündigen Lichtbalken, was eine gewisse Wiedererkennung und Identitätsstiftung innerhalb der Wohngeschosse ermöglichen soll.
Im Gegensatz zu den hellen Gang- und Kommunikationsflächen sind die einzelnen Wohneinheiten bewusst in dunklem Weinrot gehalten, mit kirschholzgetäfelten Decken. Dies soll den Schülern einen geschützten Rückzugsbereich ermöglichen. Ein bewusster Ruhepol zum geschäftigen Treiben des Schulbetriebes, in dem man abschalten und relaxen kann. Die ungewöhnliche Farbgebung war anfänglich Gegenstand der Diskussion durch Erzieher und Reinigungspersonal. Bedenken, die mittlerweile durch die hohe Wohnzufriedenheit der Lehrlinge, aber auch durch die enorme Nachfrage, auch von Schülern aus den benachbarten Berufsschulen, zerstreut werden konnten. (Text: Volker Dienst)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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