Bauwerk

21er Haus
Adolf Krischanitz - Wien (A) - 2012
21er Haus © Belvedere, Wien / Ian Ehm
21er Haus © Gerhard Koller

Das Jahrhunderthaus

Am Dienstag wird das neue 21er Haus eröffnet. Spaziergang durch eine wiederbelebte Ikone der Moderne.

12. November 2011 - Wojciech Czaja
Die Bauarbeiter knien am Boden und klopfen die letzten Pflastersteine in den Kies. An der Fassade des kleinen Büroturms müssen noch ein paar Blechpaneele montiert werden. Und im großen Ausstellungsraum stehen Ausstellungsmonteure und Künstler ratlos in der Gegend herum und kratzen sich am Kopf. Bis kommenden Dienstag, so wird versichert, soll alles fertig sein. Dann nämlich wird das 20er Haus im Schweizer Garten als so genanntes 21er Haus zum dritten Mal eröffnet.

Rückblick: Begonnen hatte alles als Ausstellungspavillon auf der Expo 1958 in Brüssel. Aus einem Architekturwettbewerb, an dem etwa auch Oswald Haerdtl, Otto Niedermoser und Erich Boltensterin teilgenommen hatten, ging der erst 39-jährige Karl Schwanzer als Sieger hervor.

Lediglich 35 Millionen Schilling kostete der Österreich-Pavillon damals. Ein Bruchteil dessen, was andere Nationen für ihre gebauten Visitenkarten ausgaben. Der Grund: Leichtbauweise aus Stahl, Heraklith, Kunststoff, Holz und Glas, modulare Konstruktion, Aufbau und Abbau in nur wenigen Wochen. Die zeitgenössische, clevere Konstruktion brachte dem Österreich-Pavillon am Ende den Grand Prix 1958 ein.

Nach Ablauf der Weltausstellung sollte das Gebäude in Wien aufgestellt und als Museum moderner Kunst weitergenutzt werden. Infrage kamen drei Grundstücke in der Innenstadt: Freihausviertel beim Naschmarkt, Schottentor und Albertina. Doch schließlich landete das neu aufgebaute 20er Haus im Schweizer Garten, im Abseits zwischen Südbahnhof und Arsenal.

Zwei Jahre dauerte der Wiederaufbau, den Schwanzer selbst betreute. Das Holz wurde gegen Beton getauscht, der Kunststoff gegen Klinker, das Heraklith gegen Glas. Bei der Eröffnung am 21. September 1962 jubelten die Medien und titelten von einem Einbruch in die Wiener Museumstradition, von einer neuartigen Atmosphäre, als begäbe man sich auf exterritorialen Boden. Die darauffolgenden Ausstellungen - von Schüttaktionen bis zum Riesenbillard von Haus-Rucker-Co - bestätigten das 20er Haus als Hort für Visionen.

Doch dann war Schluss. 2001 musste das marode 20er Haus aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Gefahr in Verzug. Seitdem gammelte das Juwel der Moderne vor sich hin. Der Stahlbau rostete. Der Beton schimmelte. Im Innenraum standen die Pfützen. 2003 beschloss die Burghauptmannschaft, das Museum zu revitalisieren, und schrieb einen EU-weiten Wettbewerb aus. Der Wiener Architekt Adolf Krischanitz, selbst ein Schüler Schwanzers, konnte das Verfahren für sich gewinnen.

„Das Haus hat eine bewegte Geschichte hinter sich“, meint Krischanitz. „Ich bin froh, dass sich die Eigentümer dazu überwinden konnten, das längst schon baufällige Haus zu sanieren. Ich glaube, in dieser Form hat es eine Revitalisierung der Moderne noch nie zuvor gegeben.“

Recht hat er. Minutiös machten sich Architekten, Denkmalpfleger und Restauratoren an die Dokumentation des Gebäudes, protokollierten jeden Türgriff, nahmen Maße an Fensterprofilen, Glasfassaden und Steinbelägen, fotografierten Oberflächen und Details und extrahierten ganze Wandteile und Stahlknoten, um diese - Millimeter für Millimeter - im Bundesdenkmalamt wieder aufzubauen und für Studienzwecke zu archivieren.

Eine Ode an das Original

„Die Lebensdauer des Hauses war längst erreicht“, erinnert sich Martina Griesser-Stermscheg, wissenschaftliche Institutsmitarbeiterin im Fachbereich Objektrestaurierung, Universität für angewandte Kunst. „Trotzdem waren einige bauliche Originaldetails Schwanzers in einem sehr guten Zustand. Und diese Teile galt es zu erhalten und nach Möglichkeit wieder einzubauen.“

Obwohl das 20er Haus zum Höhepunkt der Umbauarbeiten nur noch ein nacktes Gerippe aus einigen wenigen Stahlpylonen war, konnten viele Bauteile wiederverwendet werden. Andere wurden originalgetreu nachgebaut. Wiederum andere wurden in Anlehnung an Schwanzers Pläne und Skizzen neu konstruiert und so detailliert, dass sie zwar optisch dem Original entsprechen, brandschutztechnisch und bauphysikalisch jedoch die neuesten Stückln spielen.

Nebenbei wurde die Nutzfläche durch unterirdische Archive, Restaurant und neue Büroräumlichkeiten, die in einem separaten, sechsstöckigen Türmchen (siehe Foto) neben dem 20er Haus untergebracht sind, vervierfacht.

„Leicht war der Umbau nicht“, blickt Luciano Parodi, Projektleiter im Büro Krischanitz, auf die Baustelle zurück. „Wir mussten ziemlich stark in die Bausubstanz eingreifen, aber ich würde sagen, dass uns eine gute Balance gelungen ist.“ Und rechnet vor: „Wir konnten rund 60 Prozent des baulichen Bestandes, dafür aber rund 95 Prozent der Atmosphäre und räumlichen Qualität erhalten.“

In gewohnter industrieller Rohheit erstrahlt der neue Innenraum. Stahl blieb Stahl. Stein blieb Stein. Gummiboden blieb Gummiboden. Wo früher eine Fassade mit bauphysikalischen Horrorwerten montiert war, prangt nun eine selbstentwickelte Thermofassade aus Kathedralglas. Dank Vlies und Kapillaranlage wird der Lichteinfall von allen Himmelsrichtungen diffus gestreut. Besser kann die Lichtstimmung in einem Museum nicht sein. Parodi: „Die Wirkung ist genau so, wie wir uns das erhofft haben.“

Details wie diese schlummern zuhauf im neuen 21er Haus, wie das Museum von nun an heißen wird. Und der Architekt kommt gar nicht mehr aus dem Schwärmen heraus, wenn er von der Widerstandsheizung in den Stahlträgern, von den zersägten und neu zusammengefügten Profilen in der Fassade und von den neuen Brandschutzmaßnahmen erzählt.

So fällt im Brandfall etwa ein feuerfester Stahlvorhang von der Decke, der das Untergeschoß von der Galerie trennt und so einen Brandüberschlag verhindert. Ein Glücksgriff. Denn einzig und allein aufgrund dieses innovativen Produkts, das erst kürzlich zertifiziert und für den Markt zugelassen wurde, konnte die Qualität des offenen Ausstellungsraumes erhalten werden. Krischanitz: „Ich bin froh, dass das gelungen ist, denn nur in einem Milieu der Leichtigkeit und Luftigkeit kann Kunst artgerecht atmen.“

Raum schwierig zu bespielen

Diese Meinung teilt auch die zuständige Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco. „Das ist ein Ein-Raum-Museum, und es ist, was es ist. Es ist ein hervorragend saniertes Denkmal der Moderne. Und ich bin mir dessen bewusst, dass es eine Herausforderung sein wird, diesen reizvollen Raum zu bespielen.“

Rund 32 Millionen Euro wurden in die Revitalisierung von Karl Schwanzers Ikone investiert. Aus dem einst notdürftig adaptierten Provisorium ist ein vollwertiges Museum des 21. Jahrhunderts geworden. Ob der visionäre Charakter der Fünfziger- und Sechzigerjahre auch auf Ebene der Ausstellungen weitergetragen werden wird, bleibt abzuwarten. Doch wie schrieb einst Schwanzer in seinem Buch Architektur aus Leidenschaft? „Im Risiko liegt die Bejahung der Entwicklung.“

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Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Österreichische Galerie Belvedere

Tragwerksplanung

Fotografie

wettbewerb

Das Projekt ist aus dem Verfahren Erneuerung und Erweiterung des Museums des 20. Jahrhunderts hervorgegangen

1. Rang, Gewinner
Adolf Krischanitz


2. Stufe
Mikado Architects, Ulrich Burtscher


2. Stufe
Werner Neuwirth


2. Stufe
EHS Freie Architekten BDA - Gerd Eicher, Lothar Hitzig, Adolf Schindhelm


2. Stufe
Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH, Vasko + Partner, Ingenieure, Ziviltech. für Bauwesen und Verfahrenstechnik Ges.m.b.H., Schluder Architektur ZT GmbH


2. Stufe
Kaufmann - Wanas ZT GmbH


2. Stufe
Miralles Tagliabue EMBT


2. Stufe
Peter Hanousek


2. Stufe
Stephan Braunfels


1. Stufe
Christian Kronaus, Stephan Vary, Karl Baumschlager, Dietmar Eberle


1. Stufe
Ganahl-Ifsits-Larch Architekten ZT KEG, aoffice - Arch. DI Gerhard Höllmüller


1. Stufe
Kersten Eberhard


1. Stufe
Georg Wieland


1. Stufe
KSV Krüger Schubert Vandreike Planung und Kommunikation GmbH


1. Stufe
Alfred Jacoby


1. Stufe
Krumbe + Schäfer Architekten


1. Stufe
Sander Hofrichter Architekten


1. Stufe
Wolfgang Tschapeller


1. Stufe
Markus Spiegelfeld, FCP Fritsch, Chiari & Partner ZT GmbH


1. Stufe
Architekten Schremmer - Jell ZT GmbH


1. Stufe
Wien Fluss Architekten


1. Stufe
atelier 23 architekten zt gmbh


1. Stufe
Soyka Silber Soyka Architekten, Sigrid Brell-Cokcan


1. Stufe
Georg Baldass


1. Stufe
Stephan Unger


1. Stufe
Rahm Architekten ZT KEG


1. Stufe
Wilhelm Kleyhons, Christian Thalhammer, Uwe Hübner


1. Stufe
Martin Wurnig, Branimir Kljajic


1. Stufe
Max Dudler


1. Stufe
Mathias Kruppa, Sebastian Kruppa


1. Stufe
Caramel architekten zt-gesellschaft m.b.H.


1. Stufe
smc Alsop


1. Stufe
Hubert Tillger, Reinhard Drexel


1. Stufe
Pálmar Kristmundsson, Bernd Kolb


1. Stufe
Gerhard Balser Architektengemeinschaft, Andreas Thomczyk


1. Stufe
Atelier Architekt Schultermeyer, Friedrich Pluharz


1. Stufe
Gerhard Vana


1. Stufe
Roland Girardi


1. Stufe
Ernst Kopper


1. Stufe
Alexander Runser


1. Stufe
Rudolf Rollwagen


1. Stufe
Bulant & Wailzer Architekten


1. Stufe
Project - M GmbH


1. Stufe
Wilford Schupp Architekten


1. Stufe
Peter Alt


1. Stufe
n!studio Susanna Ferrini Antonello Stella


1. Stufe
Friedemann Silveri


1. Stufe
Franz Knauer


1. Stufe
Hugo Potyka, Heinrich Schuller, Johannes Melbinger


1. Stufe
Waldburg, Haeseler & Partner


1. Stufe
Architektenwerkstatt Bienik Miozga


1. Stufe
Kaup Jesse Hofmayr Werner Architekten BDA


1. Stufe
Wolfgang Kergaßner


1. Stufe
Michael Lyssy, Wendl ZT GmbH


1. Stufe
Erlen & Partner Freie Architekten


1. Stufe
Gert Zachmann


1. Stufe
Benthem Crouwel Architekten


1. Stufe
Rudolf Prohazka


1. Stufe
Schmidhuber + Partner GBR


1. Stufe
Aika Schluchtmann Architekten


1. Stufe
Klaus Bachmann


1. Stufe


1. Stufe
Wibke Haverkamp


1. Stufe
Atelier Lohrer


1. Stufe
Heinz Braun


1. Stufe
Margaritha Drnec-Schmidt


1. Stufe
Kühn Malvezzi GmbH


1. Stufe
Ante Radojkovic


1. Stufe
Robert Felber


1. Stufe
Rüdiger Lainer


1. Stufe
BEHF Ebner Hasenauer Ferenczy ZT GmbH


1. Stufe
Steinmayr & Mascher


1. Stufe
AN_Architects ZT GmbH


1. Stufe
Pörner Ingenieurgesellschaft mbH


1. Stufe
Architekt Kreiner ZT GmbH


1. Stufe
Treberspurg & Partner Architekten ZT GmbH


1. Stufe
Gabriele Kimla


1. Stufe
Löneke Architekten Berlin


1. Stufe
Andreas Schmitzer


1. Stufe
Muck Petzet und Partner Architekten, Josef Peter Meier-Scupin


1. Stufe
Anton Zieger


1. Stufe
Bernahrd Heid Architekten BDA GbR


1. Stufe
Wolfgang Rockelmann


1. Stufe
Studio Andreas Heller GmbH


1. Stufe
Sexer Loyrette Architecture


1. Stufe
Christoph Huber