Bauwerk

PIXEL HOTEL
Anytime Architekten, Richard Steger - Linz (A) - 2009
PIXEL HOTEL, Foto: Dietmar Tollerian
PIXEL HOTEL, Foto: Dietmar Tollerian
PIXEL HOTEL, Foto: Dietmar Tollerian

Die Stadt als Hotel

Hotel in Linz

Ehemals sechs, inzwischen noch fünf Zimmer gehören zum Pixel Hotel in Linz, das als Projekt im Rahmen des dortigen Kulturhauptstadtjahrs 2009 entstand und mit ungewöhnlichen Übernachtungsmöglichkeiten in diversen Bestandsbauten fasziniert. Für die jeweils unterschiedliche, ausdrucksstarke Innenraumgestaltung der einzelnen »Pixel« ließen sich die Architekten von der Umgebung inspirieren. Mit einfachen, unkonventionellen Mitteln haben sie eine gewohnte Nutzung neu interpretiert und den Trend »Individualität« aufgegriffen.

1. Dezember 2010 - Christine Fritzenwallner
Man suche sich einige leer stehende Räumlichkeiten über die Stadt verteilt, saniere sie, spüre dabei den Besonderheiten des Ortes nach, richte die Innenräume dann mit viel Sorgfalt und Liebe zum Detail ein und biete auf diese Weise Gästen ein Hotelzimmer, das einmalig ist. So in etwa könnte das Patentrezept für ein Pixel Hotel lauten. Ein Hotel, wie es einige junge Architekten in Linz ins Leben gerufen haben. Und das im eigentlichen Sinn wiederum keines ist. Denn die Zimmer des derzeit aus fünf Einheiten bestehenden Hotels sind eben nicht zentral angeordnet und organisiert, sie haben weder eine durchgehende Gästebetreuung, den klassischen Zimmerservice noch einen Frühstücksraum, in dem man andere Gäste am morgendlichen Buffet trifft. Wie also funktioniert ein Aufenthalt im Pixel im Hof, Pixel in der Textilpassage, Pixel in der Volksküche, Pixel mit Garten, oder gar Pixel auf dem Wasser?

»Einchecken« im Stadtraum

Noch vor einem Jahr wurde den ankommenden Gästen an einem zuvor vereinbarten Treffpunkt in Linz Stadtplan und Zimmerschlüssel ausgehändigt, so dass sie im Anschluss gleich zu ihrem Pixel weiterziehen konnten. Doch die Zeiten dieser derart »fliegenden« Rezeption sind vorüber. Das ursprüngliche Organisationsteam des Pixel Hotels – größtenteils bestehend aus den Architekten, die es initiierten und dafür den »Verein zur Reurbanisierung und Stadtreparatur« gründeten – konnte diese Aufgaben auf Dauer nicht selbst erfüllen. So muss der Gast nun erst ganz gewöhnlich im Hotel Kolping, das seit August die Betreuung der Pixel Hotel-Gäste übernommen hat, einchecken, und sich dann eben nochmal auf den Weg machen. Damit verliert das Konzept zwar etwas an Reiz, die Änderung ist aber verständlich: Durch die Übergabe an den Kolping-Verein sind die Planer – Richard Steger sowie die any:time architekten Christoph Weidinger, Michael Grugl und Jürgen Haller – nur noch Lizenzgeber und haben so sowohl ihren zeitlichen Einsatz reduziert als auch ihr unternehmerisches Risiko abgegeben. »Eineinhalb Stunden Betreuung pro Gast, das war nur während des Kulturhauptstadtjahres möglich, wo man jeden Gast einzeln und persönlich begrüßt hat«, schmunzelt Steger. Weidinger und Haller bestätigen: »Jetzt können wir uns wieder auf unsere eigentliche Arbeit konzentrieren«. Zumal sie als Architekten weiter gefragt sind: Aus Wien, Enns und selbst aus Tel Aviv sei schon Interesse an weiteren Pixel Hotels bekundet worden.

Im Pixel: Wohnen statt nächtigen

Hat man sein Zimmer dann gefunden und dabei statt langer Hotelflure ganze Straßenzüge oder Viertel passiert und so bereits einen Teil der Stadt erkundet, geht es weiter auf Entdeckungsreise – noch innerhalb des Pixels. Jedes Zimmer ist individuell gestaltet, teils haben die Architekten sogar selbst eingekauft und Hand angelegt, dabei vorgefundene Besonderheiten belassen oder Bezüge zu vorherigen Nutzungen hergestellt bzw. verstärkt.

Das Pixel im Hof, in dem u. a. ein Fotolabor, eine Werkstatt und ganz zu Beginn eine Kunsttischlerei untergebracht waren, ist das flächenmäßig größte. Durch eine enge Einfahrt gelangt man zunächst in einen Hof – kaum vorstellbar, dass sich hier, hinter ein paar Stellplätzen und einem Tor, tatsächlich ein Hotelzimmer befindet, vielmehr wirkt es von außen wie eine Garage. Beim Eintreten springen sogleich einzelne Farbakzente und Skurrilitäten ins Auge: ein knallrotes Bett, ein alter Wohnwagen, ein Aufzug. Im Wohnwagen: Teeküche, Sitzecke und weitere Schlafmöglichkeiten, im Aufzug: der Kleiderschrank. Ein dunkler Gussasphalt überzieht den Boden und verstärkt den Loftcharakter des großen Raums, den nur die wenigen Öffnungen zum Hof hin mit Tageslicht versorgen. Die fensterlose Längsseite überspannt eine transluzente Lkw-Plane , dahinter sitzen 36 Röhren, die sich einzeln an- oder ausschalten lassen – die »Lichtorgel« soll an das ehemalige Fotostudio erinnern. Hier schließt am Ende in einer Nische das Bad an, faszinierend: als weiterer Farbkontrast komplett mit kleinen grünen Mosaikfliesen versehen – wiederum ein optisches Highlight.

Wenige 100 m entfernt liegt das Pixel in der Textilpassage, bei dessen Gestaltung diesmal Stoffe im Vordergrund standen. Hier genügte den Architekten die Tür mit der Aufschrift »Textilpassage« als Ideengeber, der historische Kontext ließ sich trotz Recherchen nicht nachvollziehen. Das Pixel befindet sich in einem früheren Pferdestall, die Fensteröffnungen sind daher übermäßig hoch und bringen viel Licht in das zweistöckige Zimmer mit seinem Luftraum.

Brauner Samtstoff mit Blumenmuster überzieht einen Teil der Decken und Wände, farblich abgestimmt auf den bereits vorhandenen Holzdielenboden im EG und den rotbraunen Teppich auf der Galerie. Dort ragt das Bett wagemutig in den Luftraum – die Konstruktion wurde anstelle einer Berechnung mit einem Belastungstest vor Ort statisch nachgewiesen –, am Ende schließt das niedrige Kinderspielzimmer »Lümmerland« an. Weiße Netze bilden statt eines klassischen Geländers die Absturzsicherung.

Keine fünf Minuten weiter befindet sich am Herbert-Bayer-Platz das afo architekturforum oberösterreich und in dessen 2. OG das Pixel in der Volksküche. In dem mit neogotischen Elementen versehenen Bauwerk von 1927 wurde früher Essen an Bedürftige ausgegeben. Passend zur damaligen Atmosphäre ist das Innere spartanisch, kühl, die vorherrschende »Farbe« Grau, eine Kochzeile sitzt unauffällig in einer Nische. Sowohl der mittig angeordnete Tisch mit zwei Bänken als auch die Bodenplatten bestehen aus Faserzementplatten, deren Fugenmuster sich an den weißen Wänden in aufgemalter Form fortsetzt (s. dazu auch S. 47). Auch wenn der Innenraum aufgrund seiner nüchternen und neutralen Gestaltung flexibel für temporäre Ausstellungen des afo bleibt – hierzu klappt das Bett dann per 90 Grad Drehung (eine umgebaute Lkw-Hebebühne machte es möglich) an die Wand –, der eine oder andere Gast könnte sich in dem großen Raumvolumen leicht verloren fühlen.

Ein weiteres Pixel im Zentrum existiert indes als einziges nicht mehr: das Pixel in der Galerie. Hier stand der Raum einer Galeristin nur für ein Jahr zur Verfügung und so eine temporäre Nutzung von Anfang an fest.

Die zwei noch verbleibenden Hotelzimmer liegen etwas außerhalb: Das Pixel auf dem Wasser logiert auf einem restaurierten Schiff im Hafengebiet, das bis 1996 als Zug- und Schleppschiff im Einsatz war.

Eine Suite mit Doppelbett, schlicht aber gemütlich, zusammengeschlossen aus zwei ehemals kleinen Kabinen, thront im Unterdeck, vor ihrem Eingang stehen zwei weitere Kabinen ursprünglicher Größe mit Stockbetten bereit. Bei allen Kabinen wurde die Inneneinrichtung original restauriert.

Weiter südlich, im Franckviertel an der Wimhölzelstraße gelegen, an dem ein bogenförmiger Wohnriegel kurz nach dem Ersten Weltkrieg entstand, vereint das Pixel mit Garten eine ehemalige Arbeiterwohnung und ein Geschäft. Im vorderen Teil, der ehemaligen Verkaufsfläche und dem heutigen Wohnzimmer, parken links des Eingangs zwei Fahrräder, die den Gästen des Pixels kostenlos zur Verfügung stehen. Rechts davon gedeiht ein »Garten«, drei große Beete, dessen hohe Pflanzen zumindest etwas vor neugierigen Blicken durch das frühere Schaufenster schützen. Das Schlafzimmer befindet sich in der hinteren Ebene, leicht erhöht wie auch die Sanitärbereiche, die eine Überraschung bereithalten: eine scheinbar zufällig startende, kurze Ton- und Bildinstallation (je nach Benutzen der Lichtschalter einer rätselhaften Logik folgend) verweist auf das benachbarte, öffentliche »Tröpferlbad«. Gespenstisch huschen Stimmen durch den Raum und Zeichnungen über die Milchglaswand, die Badewanne und Minibarbereich trennt.

Abreisen und in Erinnerung bleiben

Aber noch weitere Kleinigkeiten bewirken, dass man als Gast nie das Gefühl hat, sich gerade in einem Hotel einquartiert zu haben. Der gewohnte Handtuchwechsel erfolgt nur auf Bestellung, der Internetzugang ist kostenlos, die Schränke halten Wärmflasche oder Bügeleisen bereit. Wer Espressomaschine oder Minibar nutzt, wirft das Geld einfach in eine kleine Kasse. Und gefrühstückt wird außer Haus wahlweise in einem von 13 Kaffeehäusern oder Lokalen, für die der Gast einen Gutschein erhält.

Da jedes Pixel sein eigenes, unverwechselbares Thema hat, ist in jedem die Atmosphäre »dicht«, in sich stimmig. Allerdings fallen die Pixel im Stadtraum nicht auf, es gibt keine Beschilderungen, Wegweiser oder Ähnliches. Man muss schon wissen, wo sie sich befinden, oder sie zufällig an ihrem kleinen Türschild entdecken. Bereits vor dem Kulturhauptstadtjahr 2009 waren zwei der Zimmer, das Pixel im Hof und das Pixel im Garten, fertig und dienten der Vorberichterstattung zu Linz 2009. Die frühe Medienaufmerksamkeit verhalf den Architekten zu einem gewissen Bekanntheitsgrad und brachte sie in eine glückliche Lage: Sponsoren mussten nicht mehr lange gesucht werden, sondern traten von selbst mit Angeboten an sie heran.

Doch auch wenn die Besucherzahl gegenüber 2009 leicht zurückgegangen ist, liegt die Auslastung (von 60 auf derzeit rund 37 %) noch immer in einem für das Hotelgewerbe üblichen, guten Bereich. Ohnehin werden weitere Lokalitäten gesucht und geprüft, derzeit ist von einem weiteren Pixel in einem Spitzboden die Rede. Den Namen Pixel Hotel haben sich die Architekten längst schützen lassen, auch wenn sich das Hotelkonzept als solches nicht patentieren lässt und es z. B. in Italien bereits seit Jahren mit den bereits weit verbreiteten »alberghi diffusi« ein ähnliches gibt. Weitere Nachahmer sind aber auch wünschenswert, denn Gebäudetypen und Nutzungen »neu zu denken«, sie an veränderte Zielgruppen anzupassen, und gleichzeitig kreativ mit Leerstand umzugehen, liegt nicht darin die Zukunft?

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Pixelhotel, Verein für Reurbanisierung und Stadtreparatur

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