Bauwerk

Jugend- und Nachbarschaftszentrum „De Hood“
Atelier Kempe Thill - Amsterdam (NL) - 2011
Jugend- und Nachbarschaftszentrum „De Hood“, Foto: Ulrich Schwarz
Jugend- und Nachbarschaftszentrum „De Hood“, Foto: Ulrich Schwarz
6. November 2011 - newroom
Im Streifenpark
Osdorp entstand im Zuge der Stadterweiterung Amsterdams nach dem zweiten Weltkrieg auf Basis des städtebaulichen Entwurfs des De Stijl - Architekten Cornelis van Eesteren. Seit den neunziger Jahren findet hier ein großes Stadterneuerungsprojekt statt, wobei der stark verschlissene Bestand sukzessiv abgerissen und durch neue Gebäude ersetzt wird. Hierbei wird versucht die städtebaulichen Probleme der CIAM Planung zu beseitigen, gleichzeitig jedoch Ihre Qualitäten zu erhalten. Eine dieser Qualitäten sind die grünen, üppig bewachsenen Streifenparks zwischen den Baublöcken.

2005 gewann Atelier Kempe Thill einen eingeladenen Wettbewerb, um innerhalb eines solchen Streifenparks in der „Reimerswaalbuurt“ ein kleines Jugend- und Nachbarschaftszentrum zu errichten. Die Aufgabe bestand darin, das kleine Gebäude möglichst vorsichtig innerhalb des vorhandenen Baumbestandes einzufügen, genügend Abstand zu halten von der umgebenden Blockbebauung und als allseitiger, monumentaler und gut sichtbarer Solitär zu gestalten.

Zwei Raumtypen
Das realisierte Gebäude besteht aus der einfachen Stapelung von zwei - sich diametral gegenüberstehenden – Raumkonzepten. Das Erdgeschoss ist als flacher Sandwich-Space entworfen, der sich – durch seine allseitige Verglasung - vollständig zur Umgebung hin öffnet. Der Streifenpark mit seinem dominanten Baumdach wird Teil seines Interieurs und erweitert den kleinen Raum großzügig nach Außen. Dieser Effekt wird durch die zurückhaltende Raumgestaltung und die graue Farbgebung des Interieurs noch unterstrichen. Als „öffentliches Wohnzimmer“ der Nachbarschaft genutzt, sind Aktivitäten im Inneren gut sichtbar und stimulieren eine direkte Interaktion mit dem öffentlichen Raum.

Im Obergeschoss befindet sich der Saal. Um die gewünschte Multifunktionalität und Nutzungsneutralität zu realisieren, hat er eine vollständig geschlossene Fassade und formt einen hermetischen und introvertierten Raum. Seine gewünschte, sehr neutrale Erscheinungsform wird relativiert durch seine großzügige Höhe sowie zwei große Oberlichter, die denn Raum natürlich belichten. Er ist dabei bewusst zurückhaltend und weiß gestaltet, um die Wirkung des Himmelslichtes im Inneren zu maximieren. Der Saal erhält hierdurch einen ausgesprochen spezifischen Charakter, der seiner Multifunktionalität jedoch nicht im Wege steht.

Die Kombination dieser beiden Raumtypen – des offenen und des geschlossenen Raumes -bestimmt die Erscheinungsform und den Charakter des Bauwerkes. Von Außen ist sie direkt ablesbar und dominiert die Fassadengestaltung. Im Inneren bestimmt der Kontrast zwischen beiden Raumkonstellationen ebenfalls die Wahrnehmung und überrascht, da der vollständig geschlossene Raum wesentlich heller wirkt, als der vollständig geöffnete.

Cheap-tech
Wie üblich bei diesen Projekten, war das vorhandene Baubudget sehr niedrig. Um innerhalb dieser Rahmenbedingungen dennoch ein räumlich ansprechendes Bauwerk realisieren zu können, mussten eine Vielzahl sehr kostengünstiger Bautechniken eingesetzt werden.

Das Gebäude besteht – wie ein billiger Industriebau – aus einer Stahlkonstruktion mit einer Wandeinfüllung aus Kalksandstein. Alle technischen Installationen wurden in die Wände und den Etagenboden integriert, wodurch keine Unterhangdecken notwendig waren, was zu einer höheren Etagenhöhe beiträgt. Die Glasfassade besteht aus einem kostengünstigen Vollglassystem, wobei große Scheiben von bis zu 5 Meter Länge eingesetzt wurden, die nur zweiseitig mit einem 5cm hohen Stahlprofil eingespannt wurden. Die strukturell verleimten Glastüren wurden speziell für das Projekt entworfen. Für den geschlossene Teil der Fassade kam eine Polyurethan-Sprühsystem zum Einsatz, welches normalerweise bei der Isolierung von Erdöltanks und Schweineställen verwendet wird. Die Isolation wird hierbei flüssig auf den Kalksandstein aufgespritzt und schäumt vor Ort auf. Danach wird die sehr raue Oberfläche mit einem UV-Schutzanstrich abgearbeitet. Die Erscheinung der Außenfassade lebt im wesentlichen von der gestalterischen Spannung zwischen beiden Systemen: Auf dem extrem glatten, transparenten und spiegelnden Glassockel ruht eine raue und maßstabslose Polyurethankiste.
Das Innere wird von einem ähnlichen ökonomischen und gestalterischen Vorgehen geprägt. Der nicht ganz glatte Betonfußboden wurde lediglich mit Polyurethan beschichtet, die Decke mit groben akustischen Sprühputz versehen. Kontrastierend hierzu wurden große spiegelnde Innenverglasungen, glatte Industrieleuchten und zwei elegante Stahltreppen eingebaut. (Text der Architekten)

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