Bauwerk

Parkhotel (vormals: Turmhotel Seeber)
Henke Schreieck Architekten - Hall in Tirol (A) - 2003
Parkhotel (vormals: Turmhotel Seeber) © Henke & Schreieck

Ohne Titel

18. August 2001 - Ute Woltron
Der famose und unbedingt empfehlenswerte amerikanisch-britische Reiseautor Bill Bryson beschreibt eine seiner Begegnungen mit einer jener Durchschnittshotelgrauenhaftigkeiten, wie sie heute überall am Rande idyllischer Buchten und Städte zu hocken pflegen - in diesem Fall im schönen Südstaatenstädtchen Savannah - folgendermaßen: „Ein bedrückender Anblick. Bei dem massiven Betonklotz handelte es sich um ein Produkt jener architektonischen Schule, deren Baumeister nach dem Grundsatz Leckt-mich-doch-alle-am-Arsch die Landschaft verschandeln. Nichts an diesem Bau, weder seine Größe noch sein Erscheinungsbild, passte sich in irgend einer Weise den alten Gebäuden seiner Nachbarschaft an. Der ganze Bau schien sagen zu wollen: ,Du kannst mich mal, Savannah.'“

Savannah ist mittlerweile überall, wo sich Touristen hin verirren, und die Tradition, Liebe, Kultur, Muße und Geschmack - jawohl, Geschmack - in neue Hotelarchitekturen fließen zu lassen, tröpfelt eher spärlich in das alles verschlingende Meer der Hyatt Regencys, Intercontinentals und Holiday Inns. Umso erfreulicher ist die Botschaft, die zu berichten wir an dieser Stelle nun das Vergnügen haben: Heimlich und nur von architektonischen Insidern als solche erkannt, hat eine angetagte und entsprechend nur mehr matt schimmernde Hotelperle in Hall in Tirol die Zeiten von 1931 bis heute überdauert. Das Warten hat sich ausgezahlt, der vormals ausnehmend elegante, von diversen Um- und Zubauten allerdings etwas ramponierte Bau von Lois Welzenbacher wird demnächst restauriert, erweitert, neu belebt. Er wird, wohlgemerkt, nicht weggerissen und durch einen Standardklotz ersetzt, sondern gerettet und zu altem Glanze aufpoliert.

Zu verdanken ist das natürlich keiner internationalen Hotel-, sondern einer kleinen Architektengruppe, die das abgewrackte einstige Kurflaggschiff der Region dauerte, weshalb Unterschriften und Unterstützungsschreiben gesammelt, Ausstellungen, Homepages und Kongresse zum Thema organisiert wurden, so lange, bis etwas erreicht war, was in der Architektur so selten ist wie ein geschmackvolles Bild an einer Hilton-Hotelzimmerwand: Konsens.

Mittels eines Architekturwettbewerbes (DER STANDARD hat über die Vorgeschichte berichtet) entschied man schließlich diese Woche, dass das in Wien ansässige Tiroler Architektenteam Marta Schreieck und Dieter Henke den Welzenbacher-Komplex zu einer Vier-Sterne-Seminarhotel-Anlage umbauen werden: „Die ursprüngliche räumliche Konzeption des Parkhotels wird durch den Abbruch aller Zu- und Einbauten annähernd in den Originalzustand versetzt. Dem bestehenden Turmhotel wird ein zweiter kreisrunder Solitärkörper hinzugefügt. Das neue Gebäude ist auf Grund seiner Geometrie und seiner architektonischen Gestaltung als Gesamtform lesbar, wodurch die sensible Gliederung des von Welzenbacher gebauten Hotels nicht gestört, sondern vielmehr verstärkt bewusst gemacht wird.“

Lois Welzenbacher (1889 - 1955) verkörperte seinerzeit das Gegenteil der forschen Leckt-mich-und-so-weiter-Architekturmentalität, die Bill Bryson angesichts der unsensiblen Blockherbergen anprangert. Der Tiroler inhalierte quasi das räumliche Umfeld seiner Baustellen und komponierte zu den natürlichen Umgebungsharmonien seine eigene Architekturmusik dazu. Er verwob dabei Bodenständiges mit den klaren Klängen der Moderne und spielte sich damit in die allererste Architektenliga, die im Österreich des vergangenen Jahrhunderts den Ton angab. Nur wenige, viel zu wenige seiner Bauten sind erhalten. Das ehemalige Turmhotel der Familie Seeber, seit etwa vier Jahren im Besitz der Stadt Hall, kann, wenn man jetzt auch seinen neuen Architekten die nötige Kompositionsfreiheit lässt, ein aufregender Wohlklang aus Alt und Neu werden. Die Stadt Hall und ihr Bürgermeister Leo Vonmetz darf sich eines Architekturjuwels rühmen, die Architektengruppe, die sich so engagiert hat, verdient den entsprechenden Architekturorden.

1999 hatte sich die Initiative Lois Welzenbacher - Eine Chance für Hall in Tirol formiert, die Gründer waren Feria Gharakhanzdaeh, Inge Andritz und Bruno Sandbichler. Ihre Bemühungen wurden vom Architektur Zentrum Wien (www.azw.at), nextroom - architektur im netz (www.nextroom.at) sowie silverserver (www.sil.at) unterstützt. Auf der Homepage der Initiative, anzusurfen unter http://welzenbacher.sil.at, wird man nicht nur über die Aktion und ihre zahlreichen Unterstützer informiert, man kann auch historische Aufnahmen des Hotels besichtigen und über die Person des Architekten Welzenbacher sowie seinen Einfluss nachlesen. „Je stärker der Pulsschlag einer Zeit ist, umso stärker macht sich sein Pochen beim Schaffen geltend“, hatte er seinerzeit niedergeschrieben: „Starke Individuen bilden starke Werke, gehen eigene Wege, drücken ihren Erzeugnissen unverkennbar den Stempel einer persönlichen Eigenart auf.“ Die riesigen Kommerzhotelkisten, die mit ihrer persönlichen Eigenart das Grauens ihrerseits in die Landschaft stempeln, werden mit dem neuen Welzenbacher-Henke&Schreieck-Seminarhotel in Hall eine feine Konkurrenz bekommen.

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