Bauwerk

Festspielhaus der Tiroler Festspiele Erl
DMAA - Erl (A) - 2012
Festspielhaus der Tiroler Festspiele Erl, Foto: Brigida Gonzalez
Festspielhaus der Tiroler Festspiele Erl, Foto: Brigida Gonzalez
19. Dezember 2012 - aut. architektur und tirol
Das Passionsspielhaus Erl wurde 1956 – 59 von Robert Schuller errichtet und ist aufgrund seiner markanten, gestischen Form zu einem Wahrzeichen von Erl geworden. Seit 1998 ist das Haus Hauptaustragungsort der von Gustav Kuhn geleiteten Tiroler Festspiele Erl, die mit dem zu großen Teilen von der Haselsteiner Familien-Privatstiftung finanzierten Festspielhaus ein ganzjährig bespielbares Konzerthaus erhielten. Den 2007 ausgeschriebenen Wettbewerb gewannen Delugan Meissl Associated Architects mit einem in Form und Materialität in bewusstem Kontrast zum Passionsspielhaus konzipierten Projekt:

Landschaftliche Implementierung
Die Geometrie des Festspielhauses entwickelt sich aus den topografischen Gegebenheiten und stellt das Gebäude in adäquates Verhältnis zum bestehenden Passionsspielhaus. Form und Positionierung nehmen gleichsam Bezug auf die eindrucksvolle Landschaftskulisse in Form der dahinterliegenden Felsformation sowie auf die dynamische Geste des benachbarten bauhistorischen Pendants. Bestand und Neubau orientieren sich zueinander, ergänzen und erhöhen die jeweilige bauliche Artikulation landschaftlicher Bezugnahme und treten in visuelle Interaktion.

Vorhandene Qualitäten der natürlichen und baulichen Umgebung werden durch die neue Implementierung erhöht. Neben der Geometrie betont auch die Farbgebung die Dualität zwischen Alt und Neu. Während die weiße Oberfläche des Passionsspielhauses zur sommerlichen Festspielzeit optisch in den Vordergrund tritt, bewirkt der Wandel der Jahreszeiten eine farbliche Umkehrung des Ensembles. Die Konfiguration des Festspielhauses gleicht einer tektonischen Schichtung, deren dazwischenliegenden Spalten und Brüche den Weg in das Gebäudeinnere weisen. Nachts gewähren Einschnitte und Faltungen an der markanten Fassade Einblick in das strahlende Foyer.

Erschließung
Die landschaftlich-topografische Prägung des Neubaus setzt sich in seinem Inneren konsequent fort, wobei zwei maßgebliche Parameter den planerischen Ansatz leiten: Die Wechselbeziehung zwischen Gebäudeinnerem und umgebendem Naturraum sowie die räumliche Konfiguration eines funktionsorientierten Konzerthauses von internationalem Rang. Fließende visuelle und funktionale Raumbezüge bestimmen die Architektur: Zonen von unterschiedlicher Nutzung und Geometrie zeugen von der kreative Auseinandersetzung mit Kommunikation und Ruhe, Dynamik und Konzentration. Bewegungsabläufe werden durch die sinnliche Erfahrbarkeit von Raumsituationen auf subtile Weise gesteuert. Die landschaftlich integrierte Zugangstreppe leitet Besucher in das Gebäudeinnere.

Funktionen
Eingangsnah sind Garderobe und Empfangsschalter untergebracht. Das Foyer - ein asymmetrisches Raumvolumen – gewährt vielfältige Blickbeziehungen zur umliegenden Natur sowie zum benachbarten Passionsspielhaus. In gegenläufiger Richtung führt eine Treppe zur Galerie im darüber liegenden Geschoß, wo der Bezug von Innenund Außenraum neuerlich durch die großflächig verglaste Westfassade eindrücklich erlebbar wird. Nebenfunktionen des Gebäudes sind ebenfalls auf diesem Niveau untergebracht. Wegeführung, Raumfolge und funktionale Beziehungen bilden integrative Bestandteile der architektonischen Dramaturgie: weite Kommunikationszonen, sich verschmälernde und erweiternde Zirkulationsbereiche und variierende Raumhöhen übersetzen die tektonische Gebäudegeometrie auf sinnlich nachvollziehbare Weise. In schlüssiger Konsequenz wird die Annäherung zum Konzertsaal durch sanftes Ansteigen des Eingangsniveaus wirkungsvoll inszeniert. Zwei Zugänge verbinden die jeweiligen Geschosse des Foyers mit dem Konzertsaal, welcher im Zentrum des Gebäudes gleich einer Muschel situiert und im rückwärtigen Teil im Fels verankert ist. Der Übergang von Foyer in den Konzertsaal wird von räumlichem wie atmosphärischen Wechsel begleitet: Dynamik, Variabilität und Asymmetrie des Foyers weichen höchster Konzentration, statischer Ruhe und Orthogonalität.

Material
Neben der Gestaltung der Raumabfolge wird auch das Materialkonzept durch die sinnliche Wahrnehmung jeweiliger Nutzungsbereiche definiert. Differenzierungen von Geometrie, Haptik und Oberfläche jeweiliger Raumelemente erhöhen die sinnliche Erfahrbarkeit einzelner Funktionsbereiche und begünstigen die Orientierbarkeit. Das Erstrahlen des Foyers bei winterlicher Dämmerung verstärkt den kommunikationsbetonten Charakter dieses Begegnungsraumes. Der Metapher eines freigelegten Juwels folgend, wird der Konzertsaal von einem deutlichen Materialwechsel definiert: Holzoberflächen und gedämpfte Farben bilden eine warme Raumkomposition von spannungsvoller Ruhe, wodurch die Konzentration und Wahrnehmung der Besucher auf die bevorstehende Darbietung gerichtet wird. Multiple technische Ausstattung sowie die Transformierbarkeit des Saales ermöglichen eine vielfältige Nutzung, die weit über die Funktion eines klassischen Konzert und Festspielbetriebs hinausgeht. (Text: Architekt:innen)

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Für den Beitrag verantwortlich: aut. architektur und tirol

Ansprechpartner:in für diese Seite: Claudia Wedekindclaudia.wedekind[at]aut.cc

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Festspielhaus Erl

Tragwerksplanung

Fotografie