Bauwerk

Hallenbad
Dietmar Neururer, Christoph Gärtner - Vöcklabruck (A) - 2003
Hallenbad, Foto: Klaus Costadedoi

Ganz ohne Palmen

Es spielt alle Stückeln und zeichnet sich zudem durch rare Großzügigkeit im Umgang mit Raum und Materialien aus: das neue Vöcklabrucker Hallenbad von Christoph Gärtner und Dietmar Neururer.

31. Oktober 2003 - Judith Eiblmayr
Es ist erst ein paar Tage her, dass, kalenderbezogen, der Sommer Teil unseres Alltags war, wobei auch die ausgedehnte Sommerzeit nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass die warme Jahreszeit für heuer längst vorüber war. Eine der Konnotationen zum Sommer ist „Badesaison“, und je größer die Hitze, umso stärker wird der Zug der Menschen zum Wasser, an Strände und Flussufer, in Schwimmbäder oder unter die kalte Dusche. Allein der Gedanke an eine abendliche Abkühlung in nahen Gewässern lässt einen den sommerlichen Arbeitstag ertragen, und bei Temperaturen wie den heurigen ist schwimmen sicherlich eine der Lieblingsbeschäftigungen von Jung und Alt.

Kaum wird es so kalt wie jetzt, ist der Gedanke ans Schwimmen ebenso wohltuend; der Wunsch nach Erwärmung ersetzt jenen nach Abkühlung, statt auf ausgedörrte Wiesen begibt man sich in dampfige Hallen, der Erholungseffekt bleibt jedoch ähnlich hoch, wird gar noch um den Aspekt des Kurens erweitert. Das heißt, eigentlich ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts, als die ersten beheizbaren Schwimmhallen errichtet wurden, das ganze Jahr über Badesaison, wenn man ein schönes Hallenbad in seiner Nähe weiß.

Nach den Geschmacksverwirrungen in den letzten Jahren, als so mancher mittlerweile insolvente Betreiber dachte, dass man Kunststoffpalmen neben seichten Planschbecken als teuer zu bezahlendes Erlebnis verkaufen könne, wird beim Neubau von Bädern offensichtlich wieder verstärktes Augenmerk auf eine klassische Schwimmhalle gelegt, die allen Altersgruppen das Schwimmen zur Entspannung, zum Spaß oder als sportliche Betätigung zu adäquaten Preisen ermöglichen soll.

Vöcklabruck ist eines jener Positivbeispiele, wo eine Stadtgemeinde sich nicht durch „Outsourcing“ der teuren Verpflichtung zu einer kommunalen Einrichtung entledigen wollte, sondern sich der sozialen Komponente eines städtischen Bades bewusst war. Bei der Ausschreibung des Architektenwettbewerbs für ein neues Hallenbad wurde ein bewährtes Muster klar formuliert: Es sollte auch für Schwimmunterricht und Schwimmwettbewerbe geeignet sein und einen Wellnessbereich mit Sauna und Dampfbad bieten. Die Vöcklabrucker Architekten Christoph Gärtner und Dietmar Neururer konnten das Bewerbungsverfahren mit einer ebenso klaren gestalterischen Antwort für sich entscheiden und planten mit einer Großzügigkeit im Umgang mit Raum und Materialien, die nicht nur den Badegästen zugute kommt, sondern auch für die Stadt ein wichtiges Stück moderner Architektur bedeutet.

Der Standort - wo bereits das abgetragene Bad aus den Siebzigerjahren situiert war - ist für die Planer ein Glücksfall: in Zentrumsnähe, am nördlichen Rand des Stadtparks und im Uferbereich der Vöckla gelegen. Da in dieser Freizeitanlage auch das Freibad liegt, ist dem Hallenbad eine große Liegewiese vorgelagert, die zum Fluss hin durch Baumbestand begrenzt wird. Dieser gewachsene Grünraum musste nur mehr an die Schwimmhalle angedockt werden, und schon war das entspannende Ambiente perfekt. Die Architekten bewerkstelligten dies mit der Methodik der klassischen Moderne, indem sie die nach Süden und Westen orientierten Fronten über die gesamte Höhe verglasten und somit den Blick in die Natur aus der Schwimmerperspektive ermöglichten. Der Ausblick an der Breitseite der Halle ist speziell reizvoll, da hier relativ nahe der Bahndamm der Westbahnstrecke vorbeiführt und man hinter den Baumkronen von Zeit zu Zeit die lautlos vorbeigleitenden Züge beobachten kann, während man in der eigenen Bahn Zug um Zug schwimmt.

Neben dem Sportbecken gestatten zwei weitere differenzierten Badespaß: Ein Kinderbecken mit Rutsche, Bodensprudler und kleinem Wasserfall und - durch eine geschwungene beheizte Bank getrennt - ein flaches, im Grundriss schneckenförmiges Baby-Planschbecken schaffen gut überschaubare, geschützte Bereiche. Unterschiedliche Fliesen in unterschiedlichen Farbtönen und eine knallgelb gestrichene Wand, die den Zugang zu den Duschen und Garderoben signalisiert, unterstreichen die lebendige Atmosphäre, die in einem öffentlichen Bad herrscht. An der geschlossenen nordseitigen, eben teilweise gelben Wand der aus Stahlbetonstützen und Holzfachwerksbindern konstruierten zweigeschoßigen Halle verläuft eine Galerie, die als Rückzugsbereich mit Liegen dient und die Verbindung zum ebenfalls im Obergeschoß gelegenen Saunabereich herstellt. Dieser liegt als lang gestreckter, mit Eternit verkleideter Riegel über Eingang und Foyer und dem - auch unabhängig vom Bad bewirtschafteten - Restaurant und schließt das Bauwerk nach Osten hin ab.

Man spürt die Intention der Architekten, dass nicht nur das körperliche Wohlbefinden der Saunagäste durch die angebotenen Wellness-Einrichtungen gestärkt werden sollte, sondern dass ein gestalterisches Konzept umgesetzt wurde, das auch dem Auge gut tut. Dies gilt für Materialwahl und Farbgebung, aber ebenso - wie schon in der Schwimmhalle - für gerichtete „Schaubilder“. Wie von der Kommandobrücke aus erhält man Einblick in das bunte Treiben in der Halle oder Ausblick auf Baumwipfel und Himmel. Nebst den dampfenden Steinen auf dem Saunaofen soll es auch brennende Hölzer in einem offenen Kamin geben, dies wäre dann die Blickoption bei erhöhtem Kontemplationsbedürfnis.

Auch der Frischluftbereich bietet mehr als üblich: Über die vorgelagerte Terrasse und eine außen liegende Treppe gelangt man auf einen blickgeschützten Teil der Liegewiese, wo sich einerseits ein Tauchbecken, andrerseits ein schlichter Holzpavillon mit zwei weiteren Saunakammern befindet. Man kann sich also wechselweise im wohligen Ambiente der im Haus befindlichen Saunalandschaft erholen oder in die Landschaft mit Sauna hinaustreten, um das exponierte Sein zwischen natürlicher Kühle und künstlicher Hitze zu erproben.

An dieser planerischen Idee der Architekten zeigt sich, wie ein intelligentes Konzept mit dem Thema Erlebnisbad spielt: Einerseits gilt es, die Natur räumlich erlebbar zu machen, indem sie gerahmt und hinter Glas gestellt wird und somit für den Innenraum erweiternd wirkt, andrerseits werden die Badegäste, wenn sie dieses Erlebnis wünschen, einfach vor die Tür geschickt, um sie die Natur in Form von Wind und Wetter spüren zu lassen.

Übrigens bietet die Schwimmhalle ebenso den direkten Ausgang auf eine Sonnen-terrasse ins Freie beziehungsweise einen vorgelagerten Ruheraum. Und auch hier gehen Kunststoffpalmen niemandem ab, wenn man in einem Glaskobel unter einer echten Föhre sitzen kann, genauso sind die Kinder ohne Wasserrutsche glücklich, wenn sie von einem Startblock ins Wasser hupfen dürfen und Sprungvarianten erproben können.

Die Architektur des neuen Vöcklabrucker Hallenbades von Christoph Gärtner und Dietmar Neururer mit ihrer klaren Baukörperstruktur wie der Vielzahl von Details bietet einen gestalterischen Rahmen auf höchstem Niveau. In der Gestaltung des Badeerlebnisses selbst kann jedoch jeder Badegast seine eigene Kreativität entfalten - ein wohltuend moderner Ansatz.

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