Bauwerk

WHA Wagramer Straße
Schluder Architekten, Hagmüller Architekten - Wien (A) - 2013
WHA Wagramer Straße, Foto: Bruno Klomfar
5. Juli 2013 - Az W
Der siebengeschossige Baukörper (Bauteil A, Schluder Architektur) bietet einen Puffer zur stark befahrenen Wagramer Straße. Die drei dahinter liegenden dreigeschossigen Riegel (Bauteil B, Hagmüller Architekten) sind mit Laubengängen miteinander verbunden. Die Wohnanlage ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie eine Wohnbauoffensive in einer für das angrenzende kleinmaßstäbliche Wohnviertel verträglichen Form gestaltet werden kann.

Jede Wohneinheit verfügt über einen privaten Freiraum in Form einer Loggia, eines Balkons oder einer Terrasse. Im Erdgeschoss befinden sich die Gemeinschaftseinrichtungen sowie eine Gästewohnung. Der Kleinkinderspielbereich ist zum Zeitpunkt der Eröffnung der Wohnanlage zum Straßenraum hin offen gehalten und verfügt über keine bauliche Abgrenzung. Nicht eingezäunte Spielplätze im Stadtgebiet sind ein ungewohnter Anblick und lösen bei Erziehungspersonen durchaus begründet Unsicherheitsempfinden aus. In der Praxis erweist sich die offene Gestaltung als Katalysator für nachbarschaftlichen Austausch, denn die Erwachsenen halten sich im Freien auf, beaufsichtigen ihre Kinder und kommen zwangsläufig mit den Nachbarn ins Gespräch.

Die Architekten mussten mit ihrem Pionierprojekt bis zur Fertigstellung zahlreiche Hürden nehmen: fehlende Bauteilgenehmigungen und sowie EU-Normen, die Tatsache, dass kein Generalunternehmer den Holzbau in der Größenordnung umsetzen konnte und zuletzt sei der Brandschutz angeführt: Den 14cm starken Brettsperrholzwänden (kreuzverleimte Massivholzelemente) wurden zusätzlich zur nachweislich schweren Entflammbarkeit (6 Stunden) beidseitige Gipskartonverkleidungen verordnet, womit der Feuerwehr 9 Stunden bleiben, um im Fall eines Brandes die insgesamt 71 Wohneinheiten im siebengeschossigen Bauteil zu evakuieren. In der Folge ist der Holzbau als solcher nicht ablesbar: innen verputzte Gipskartonwände, außen Verputz und Faserzementplatten – im Unterschied zu Vorarlberger Wohnhausanlagen, deren Holzfassaden mit den Jahren eine Patina erhalten und vergrauen. Die hinterlüftete Fassade außen ist wie die vorgelagerten Gipskartonwände innen dem Brandschutz geschuldet.

Dennoch verfügt die Wohnanlage über Atmosphäre, die mit Materialität verstärkt wird. So erzeugt die semitransparente Ausführung der Laubengänge zum Beispiel reizvolle Bilder, nämlich wenn Nachbarn beim Durchschreiten der Gänge als schemenhafte Schatten, die durch die Gänge wandeln, wahrgenommen werden.

Insgesamt wurden im Projekt 2.400 m³ Brettsperrholz verarbeitet. Darin sind ca. 2.400 Tonnen C02 gespeichert. Zerlegt man das Gebäude am Ende der Lebensdauer, kann man die eingespeicherte Energie nutzen und diese in Strom und Wärme umwandeln. Die Wohnanlage ist aus dem Bauträgerwettbewerb „Holzbau in der Stadt“ als Siegerprojekt hervorgegangen und österreichweit der erste Wohnbau mit sechs Holzgeschossen (das Erdgeschoss wurde in Stahlbetonbauweise ausgeführt). Für den Investor zählt die Investition. Die Rohbaukosten des 22 m hohen höchsten österreichischen Wohnbaus übersteigen (noch) jene eines vergleichbaren Projektes in herkömmlicher „mineralischer“ Bauweise, nicht zuletzt, weil etliche Brandversuche und Einzelprüfungen notwendig waren, um das Experiment schließlich zur Baureife zu bringen. (Text: Martina Frühwirth)

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Familie

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Fotografie