Bauwerk

Life Cycle Tower
Hermann Kaufmann - Dornbirn (A) - 2012
Life Cycle Tower © Hermann Kaufmann
Life Cycle Tower, Pressebild: Norman Radon

Matador für große Menschen

Der kürzlich eröffnete achtgeschoßige Holzturm „Life Cycle Tower One“ in Dornbirn ist Prototyp für ein neues nachhaltiges Bausystem im Wohn- und Bürobau

23. November 2012 - Anne Isopp
Immer wieder wird in der Architektur mit dem Hinweis auf das höchste oder größte Gebäude geworben. Zwar sind Höhe und Größe allein noch lange keine Qualitätskriterien, doch der LCT One in Dornbirn, der letzten Montag feierlich eröffnet wurde, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Superlativen zu Neuem gelangen kann. Die Abkürzung steht für Life Cycle Tower, also Lebenszyklusturm, und der achtgeschoßige Bürobau darf sich offiziell das höchste Holz-Hybridhaus in Österreich nennen.

Turmes kleiner Bruder

Der aus Holz und Beton errichtete Arbeitsturm ist Resultat einer jahrelangen Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Die erste Machbarkeitsstudie namens „acht plus, vielgeschoßiger Holzbau im urbanen Raum“, vorgestellt im November 2008, stammt von den beiden Architekten Michael Schluder und Peter Krabbe. Sie untersuchten darin die konstruktiven Möglichkeiten im Holzbau und kamen zu dem Schluss, dass man theoretisch bis zu 20 Stockwerke hoch in Holz bauen könnte.

Zur baulichen Realisierung gelangte schließlich ein achtgeschoßiger, kleiner Bruder in Passivhausqualität. Die Planung stammt vom Vorarlberger Architekten und unermüdlichen Holzverfechter Hermann Kaufmann, der die Entwicklung des ressourcenschonenden Holzbaus in Österreich schon seit Jahren antreibt. Auftraggeberin und Nutzerin des Gebäudes ist die Firma Cree, hinter der das Vorarlberger Bauunternehmen Rhomberg steht. Die Baukosten betragen nach Auskunft des Bauherrn vier Millionen Euro.

Ökologischer Fußabdruck

Der LCT One befindet sich auf dem ehemaligen Textilareal im Süden Dornbirns. Seine äußere Erscheinung ist bestimmt durch die schimmernde Aluminiumverkleidung sowie durch die vielen schmalen Fenster, die sich gleichmäßig über das Haus ziehen. Das Bemerkenswerte an diesem Turm ist aber nicht unbedingt die stringente Gestaltung. Es ist viel mehr die bautechnische Innovation, die sich dahinter versteckt. Mit acht Stockwerken überschreitet der Turm bei weitem eine in Österreich übliche Höhenbegrenzung für den Holzbau und verdeutlicht damit, dass Holzhaus und Hochhaus nicht unbedingt ein Widerspruch sein müssen.

Hinter dem Namen Life Cycle Tower steht der Gedanke des ökologischen Fußabdrucks eines Gebäudes. Die Bauwirtschaft verbraucht rund 40 Prozent des gesamten österreichischen Energie- und Ressourcenverbrauchs. Das ist enorm. Hubert Rhomberg, Bauherr des LCT One, ist davon überzeugt, dass Ressourceneffizienz im 21. Jahrhundert zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit werden wird: „Wir hatten die Vision, eine nachhaltige Baulösung für den urbanen Raum zu entwickeln, die den Ressourceneinsatz reduziert und die Chance bietet, die Bauwirtschaft auch international massiv zu verändern.“ Rhomberg setzt bei der Verwirklichung seiner Vision auf zwei Karten: Einsatz der nachwachsenden Ressource Holz und Industrialisierung des Fertigungsprozesses.

Holz in die Stadt

Das passt gut zum Trend, denn der Anteil an Bauvorhaben, die in Holzbauweise ausgeführt werden, steigt in Österreich kontinuierlich an. Während er 1998 noch bei einem Viertel aller bewilligungspflichtigen Bauvorhaben lag, stieg er bis 2008 auf 40 Prozent an. Der größte Anteil davon liegt im ländlichen Wohnbau, und da vor allem im Einfamilienhausbau. Mit seiner Firma Cree will Rhomberg nun auch in den städtischen Bereich vordringen.

Die Realisierung der hölzernen Vision warf viele Fragen auf: Wie kann ein Tragsystem aussehen, das es erlaubt, mit Holz in die Höhe zu bauen? Wie kann man in diesem Bereich einen hohen Vorfertigungsgrad entwickeln? Und vor allem: Wie kann man die mit der Höhe eines Gebäudes zunehmenden Brandschutzanforderungen erfüllen, ohne dabei - wie sonst üblich - die gesamte Holzkonstruktion hinter Gipskartonschichten zu verstecken?

Ehrlichkeit statt Reinheit

Und tatsächlich: In den Büroetagen des LCT One ist die tragende Holzkonstruktion sichtbar. Sie prägt den Charakter der Innenräume und verleiht ihnen eine warme, freundliche Atmosphäre. Eine Seltenheit. Denn während es in einigen Ländern wie etwa Großbritannien reicht, einen entsprechenden Brandwiderstand vorzuweisen, ist die Bauordnung in Österreich viel restriktiver. Hierzulande wird nach Baustoffen unterschieden: Die Brandschutzrichtlinien in einem Holzhaus sind weitaus strenger als in einem Gebäude aus Stahl oder Beton.

Dass man in Dornbirn die Erlaubnis für acht Geschoße bekam, liegt vor allem darin begründet, dass man sich hier nicht für einen reinen Holzbau entschied, sondern für eine sogenannte Hybridbauweise, also für eine Kombination aus tragenden Holzelementen und einer verstärkenden Betonstruktur in der Gebäudemitte. Es scheint in den letzten Jahren ein Umdenken in der Welt des Holzbaus gegeben zu haben: Es geht nicht mehr um die Reinheit von Material und Konstruktion, sondern um einen ehrlichen und sinnvollen Einsatz der Ressourcen: Dort, wo das eine Material schwach ist, nimmt man ein anderes zuhilfe.

Bauen im Baukastensystem

Eine weitere Vorgabe an die Entwickler des Bausystems war, einen möglichst hohen Vorfertigungsgrad zu erreichen. Für den LCT One wurden alle Decken- und Wandelemente vorfabriziert. Auf der Baustelle mussten die einzelnen Elemente wie beim Matador-Baukastensystem nur noch ineinandergesteckt werden. Erst wurden die Außenwände aufgestellt, dann die Stützen und schließlich die Deckenelemente. Das erste Geschoß war innerhalb von nur einem Tag wetterdicht. So wuchs der Bau Stock für Stock in die Höhe. Am Ende wurde die Fassadenverkleidung aus Aluminiumblech montiert.

Was wird sich mit dem Bau des Life Cycle Towers in Österreich verändern? Hermann Kaufmann, lapidar: „Das ist wie beim Skifahren. Je steiler du fährst, desto mutiger wirst du.“ Der LCT One ist ein Prototyp für Holz-Hybridsysteme. Noch höhere und noch größere Bauten sollen folgen.

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