Bauwerk

Kindergarten Muntlix
HEIN architekten zt - Zwischenwasser (A) - 2013
Kindergarten Muntlix, Pressebild: Kurt Hörbst
Kindergarten Muntlix, Pressebild: Kurt Hörbst

Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit 2014

Umfassende Sorgfalt im kleinsten Maßstab, zukunftsweisende Werkqualität für ein Haus der Kinder, vorbildliches Engagement einer Gemeinde als Teil integrativer nachhaltiger Politik.

12. November 2014 - newroom
Muntlix ist ein winziger Ort, bildet mit den noch kleineren Weilern Batschuns und Dafins die Gemeinde Zwischenwasser, zusammen 3.140 Leute – „irgendwo“ zwischen Feldkirch und Götzis, wo das Rheintal zum Bregenzer Wald, zum Hohen Freschen hin ansteigt. Allerdings weist die Gemeinde seit Jahren eine erstaunliche Zahl vorbildlicher Bauführungen und kommunaler Maßnahmen auf, was ihr unter der Führung von Bürgermeister Josef Mathis 2012 den einzigen bisher in Österreich vergebenen „LandLuft Baukultur-Gemeindepreis“ eintrug. So überrascht es nicht, dass dort auch dieser ephemere Bau eines dreigruppigen Kindergartens exzellente Qualitäten aufweist. Und es lohnt sich, kurz nachzuzeichnen, wie eine so kleine, sichtlich engagierte Kommune in so einem alltäglichen Fall vorgeht. Der Kindergarten war viele Jahre im Obergeschoß des Gemeindeamtsgebäudes an der Hauptstraße im „Ortskern“ untergebracht. Die Räumlichkeiten waren längst zu klein, nicht mehr zeitgemäß. Zugleich gab es Bedarf an zusätzlichen Büroflächen im Amt. Nach Abwägung verschiedener Alternativen und Standorte fasste man den Beschluss zum Neubau auf dem benachbarten, kommunalen Grundstück, das als Spielplatz genutzt war. Der lokale Gestaltungsbeirat (seit 20 Jahren aktiv ! – drei externe Fachleute, im Turnus wechselnd) beauftragte eine städtebauliche Studie. Eine Arbeitsgruppe definierte mit den Nutzer:innen den Raum- und Flächenbedarf, ein weiterer Arbeitskreis die energetischen und ökologischen Zielsetzungen – im Rahmen der Maximen, die Zwischenwasser als e5-Gemeinde an langfristigen Klimazielen in den Bereichen Energie und Mobilität anstrebt. Es folgte die Auslobung eines landesweiten Architekturwettbewerbs in Abstimmung mit der Architektenkammer.

Nach dem Juryentscheid, mit Beginn der Planung, konstituierte sich eine Projektgruppe, in der alle politischen Fraktionen durch ein Mitglied vertreten waren. Mit dieser Gruppe wurde vom Architekten die Detailarbeit regelmäßig akkordiert. Es gab unter anderem Exkursionen zu beispielgebenden Objekten – speziell zu Lehmbauprojekten, da dieses Material für die Böden in beiden Etagen eingesetzt werden sollte. Neben den Gemeindeverantwortlichen war auch die Kindergartenleiterin dabei, und sie war vor allem in die Planung des Innenausbaus von Beginn an eingebunden. So konnten spezifische Lösungen gefunden und optimale Funktionalität mit minimalem Aufwand erreicht werden.

In der Quergasse zur Hauptstraße steht der Bau im Ensemble mit den wichtigen Kommunalbauten des Ortes – mit dem Gemeindeamt aus den 1930er Jahren, mit der Kirche und dem Pfarrhaus von 1962, dem Gemeindezentrum „Frödischsaal“ von 1994 –nach Plänen von Kaufmann/Lenz realisiert –, mit Volks- und Hauptschule. Durch die zurückversetzte Position in der Gasse entsteht ein Vorplatz, der eine feine Raumspannung in der ganzen Abfolge ergibt. Der kompakte, zweigeschoßige Holz-Pavillon orientiert sich wie ein Windrad in alle Richtungen, liegt wie ein Kleeblatt im flachen Grün. Trotz der Minimierung des Volumens sind alle Gruppeneinheiten jeweils von zwei Himmelsrichtungen belichtet und erhalten wegen der geringen Raumtiefe sehr viel Tageslicht. Die vorgelagerten Loggien bieten – neben der engen, schwellenlosen Verzahnung des Inneren mit gedeckten Freiräumen – im Sommer auch einfachen Sonnenschutz.

Eine kluge Positionierung der einläufigen Treppen eröffnet für die Gruppenräume im Obergeschoß auch einen direkten Gartenzugang und bietet dem Untergeschoß, in dem das Gemeindearchiv sowie ein zukünftiger Jugendraum untergebracht sind, den separaten, vom Kindergarten getrennten Zugang. Der gleich beim Eingang gelegene Mehrzweckraum lässt sich zum Vorplatz hin öffnen und ist so für größere Anlässe für die ganze Gemeinde gut nutzbar.

Das Gebäude ist ein lupenreiner Holzbau in Passivhausqualität. Das nötige Konstruktionsholz konnte im Gemeindewald geschlagen und direkt verwertet werden. Um auch die Leimbinder lokal herstellen zu können, wurde eine entsprechende Genehmigung der beauftragten Sägerei erwirkt. Lokale Ressourcen wurden bestmöglich genutzt, lange Transportwege vermieden. Die Böden in beiden Etagen sind aus neun Zentimeter starkem Stampflehm hergestellt – eine landesweite Premiere für öffentliche Gebäude! Damit konnte man Teile des Aushubmaterials verwerten, auf Zementestriche verzichten, wertvolle Speichermasse generieren – und die faszinierende, mit Wachs gefestigte Haptik und Optik solcher Böden realisieren: eine unvergleichliche Spieloberfläche für die Kinder, die sich, wie berichtet wird, hier am liebsten barfuß bewegen. Die wirtschaftliche Umsetzbarkeit des arbeitsintensiven Bodenaufbaus wurde durch die ehrenamtliche Hilfe von Bürgern und Bürgerinnen ermöglicht. Für normgerechte Trittschallwerte, für die perfekten Details, die Anschlüsse zwischen Erdschicht, Massivholzdecken, raumhohen Glaswänden usw. waren Innovationen gefordert, die nun als Standard für Folgeprojekte gelten können.

Das Haus wird durch eine Erdwärmepumpe mit Tiefensonde beheizt. Die Wärmeverteilung erfolgt über ein Niedertemperatursystem, das im Lehmboden eingearbeitet ist. Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung (Wirkungsgrad 78 %) sorgt für konstante Lufthygiene. Über eine Soleleitung unter der Bodenplatte wird die eingebrachte Luft im Winter vorgewärmt, im Sommer vorgekühlt. Planung und Bauführung wurden mit dem Energieinstitut in Dornbirn und dem Umweltverband auf die Vorgaben des Vorarlberger Kommunalgebäudeausweises abgestimmt: Vom Maximum an 1000 Punkten wurden 941 erreicht, ohne unverhältnismäßige, unwirtschaftliche Maßnahmen in Kauf zu nehmen. Alle Materialien wurden durch eine externe ökologische Bauleitung geprüft und mussten vor Verwendung freigegeben werden. Vor der Übergabe kam noch eine Kontrollmessung auf Formaldehyd und flüchtige organische Verbindungen. Auch das Dach leistet seinen polyvalenten Beitrag im Gesamtklang des Werkes – und trägt eine PV-Anlage mit einem Jahresertrag von knapp 36.000 kWh. (Jurytext Staatspreis Architektur & Nachhaltigkeit 2014 / Otto Kapfinger)

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