Bauwerk

Wohnhausanlage Mautner Markhof-Gründe
RLP Rüdiger Lainer + Partner - Wien (A) - 2014
Wohnhausanlage Mautner Markhof-Gründe, Foto: Gert Walden
Wohnhausanlage Mautner Markhof-Gründe, Foto: Gert Walden

Wohnen im ungewohnten Rahmen

1. September 2015 - Az W
Die Anlage formuliert – bedingt durch die urbanistischen Vorgaben – im kleinen Maßstab den Übergang zwischen Stadt und Land: Ein Mikrokosmos ist hier entstanden, der in seiner Kompaktheit die gut lesbare Interpretation eines Grundthemas der europäischen Entwicklung seit dem 19. Jahrhundert bietet.

Drei Baukörper begleiten den Haupterschließungsraum des Quartiers und bilden mit ihren Schmalseiten eine gestaffelte Fassadenfront am Eingangsbereich der Anlage. Die Anordnung der Gebäude in Y-Form reduziert die Volumina in der Straßenansicht auf eines, während die Abfolge von urbaner Dichte und Zunahme des Grünraumes mit der fortschreitenden Auflösung dieser Ansicht in der Tiefe des Areals ganz selbstverständlich wirkt. Grundlage für jeden ernstzunehmenden Städtebau ist das Wegenetz als Basis für die Ordnung eines Ortes. Auch hier, auf den ehemaligen Mautner-Markhof-Gründen, wird ein Dialog zwischen Plätzen, Wegen und Gebäuden eröffnet, der in seiner fließenden Gliederung von großzügigen Dimensionen und intimer Überschaubarkeit das Besondere des Ortes ausmacht.

Die Idee des Fließenden, des Veränderbaren wird ganz konsequent im Inneren der Gebäude weitergedacht. Die einfache bauliche Struktur mit tragenden Außen- und Mittelwänden sowie ein effizientes Haustechniksystem der „horizontalen“ Sammelschächte bietet ein Höchstmaß an Flexibilität im Konfigurieren der Wohnungen. Zentrale Idee dahinter: Die Wohnung verharrt nicht im Status eines starren Regelwerks in den Beziehungen zwischen den Menschen. Das Team von RLP Rüdiger Lainer Partner entwickelt vielmehr ein Beziehungsgefüge, das sich den unterschiedlichen Wohnungsnutzungen anpassen lässt. Räume können zugeschaltet („Familienfeste“) oder abgetrennt („temporäre Arbeitsplätze“) werden. Selbst jene Bereiche, die den Baubürokraten als „Nasszellen“ geläufig sind, eröffnen ungewöhnliche Perspektiven, wenn ihre Schiebwände zurückgezogen sind.

Ganz im Gegensatz zu den Wohnungen für „Planungsbetroffene“ (Ottokar Uhl) bedeutet Wohnen hier auf den Mautner Markhof-Gründen Veränderung. Eine Veränderung, die von den Bewohnern ausgeht und sie wieder zu Entscheidungsträgern in den eigenen vier oder mehr Wänden macht. Die Partizipation in der Planung vor der Schlüsselübergabe findet ihre Fortsetzung im Gebrauch der Wohnung. Vorausgesetzt die Nutzer akzeptieren das Angebot des Architektenteams.

A propos Angebot: die Möglichkeiten zur Kommunikation finden sich in fast allen Bereichen der Wohnhausanlage - von großzügigen Stiegenhäusern bis zu sehr differenzierten Außenanlagen. Auch hier gilt wieder die Freiwilligkeit im Handeln der Nutzer, das vor dem Hintergrund einer zurückhaltend-sinnbezogenen Architektur stattfindet. Einer Architektur, die sich auf die Authentizität und Sinnlichkeit im Einsatz der Materialien bezieht und das Erlebnis der Dreidimensionalität konsequent in Bereiche hineinträgt, wo man sie erst gar nicht erwarten würde. Gemeint sind die „versunkenen“ Gärten, welche ganz überraschend die Decken der Tiefgaragen durchstoßen und damit die Natur der Pflanzen mit dem täglichen Licht verbinden.

Die Anlage auf den ehemaligen Mautner Markhof-Gründen leistet also viel mehr, als nur Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Sie ist ein lebendiger Ort der Veränderung, des Wohlfühlens wie auch des Nachdenkens über Wohngewohnheiten, denen hier das Starre der Konventionen genommen wird. (Text: Gert Walden)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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