Bauwerk

HOP - magdas Hotel
AllesWirdGut - Wien (A) - 2015
HOP - magdas Hotel, Foto: Guilherme Silva Da Rosa
HOP - magdas Hotel, Foto: Guilherme Silva Da Rosa

Demut vor Omamas Mobiliar

magdas Hotel Caritas in Wien (A

Das »magdas hotel« im Wiener Prater ist eine Oase abseits von Konsumsucht und ethnischen Vorurteilen. Das Social-Business-Projekt der Caritas ist ein Experiment, bei dem Touristen und Asylbewerber unter einem Dach wohnen. Die Architektur von AllesWirdGut orientiert sich an diesem ungewöhnlichen Programm und tischt dem Besucher so manchen Grund zum Schmunzeln auf. Der Luxus dieses Hauses liegt im neuen Blick auf alte Dinge.

1. Juni 2015 - Wojciech Czaja
Die Wände in den Korridoren erinnern an Omamas Wohnsalon. Auf taubenblauem Hintergrund hat ein Maler mit weiß-grauer Farbwalze propellerartige, längst vergessene Ornamente aufgebracht. Auch in den Zimmern dieses offiziell mit null Sternen ausgezeichneten Hotels taucht so manches Déjà-vu aus alten Tagen auf. Da steht eine alte Stehleuchte mit Stoffbespannung, da werden Opas Koffer zu einem Nachtkästchen voller Historie gestapelt, da scheint ein halber, ganz offensichtlich überlackierter Holzstuhl aus der Wand zu wachsen. Eine Ablage? Vielleicht.

»Das ist genau diese Art von Hotel, die man immer sucht und niemals findet«, sagt ein Ehepaar aus Deutschland. »Es gibt hier so viele schöne Details zu entdecken! In Wien waren wir schon öfter, aber nachdem wir von diesem Haus gehört haben, dachten wir uns, es sei wieder mal an der Zeit, die Stadt aus einem ganz neuen Blickwinkel kennenzulernen.« Im magdas, nur wenige Gehminuten vom Riesenrad entfernt, ist diese neue Perspektive garantiert. Und zwar nicht nur auf eine unkonventionelle und freche Hotellerie, sondern auch auf einen neuen Umgang mit baulichen, finanziellen und nicht zuletzt kulturellen Ressourcen.

Das magdas, der Name leitet sich von »ich mag das« ab, ist kein alltägliches Hotel. Es ist ein Social-Business-Projekt der römisch-katholischen Hilfsorganisation Caritas Österreich. An der Rezeption und in der Küche steht kein jahrelang ausgebildeten und auf aalglatt getrimmtes Personal, sondern Flüchtlinge und Asylbewerber aus insgesamt 16 Ländern. »Hier bekommen die Menschen die Chance, nach vielen Jahren im Wartezimmer des Lebens, ohne Job und ohne Aussichten, eine neue Aufgabe wahrzunehmen und sich für den Arbeitsmarkt zu wappnen«, sagt Michael Landau, Präsident von Caritas Österreich. »Unsere Vision ist, dass das Hotel ein Ort der Begegnung wird, an dem Vorurteile abgebaut werden.« Nationalflaggen von Algerien, Afghanistan, Guinea-Bissau, Syrien, Somalia, Iran und Irak, die im Treppenhaus und an den Balkonbrüstungen hängen, machen das ungewöhnliche Programm manifest.

Ein früher oder später zufälliges Gespräch zwischen Tourist und Asylbewerber scheint hier fast unausweichlich, denn man begegnet einander nicht nur an der Rezeption, man wohnt auch Tür an Tür: Der südliche Bauteil dieses ehemaligen Seniorenheims, das in den 60er Jahren errichtet wurde, steht den Mitarbeitern zur Verfügung, in den anderen beiden Trakten befinden sich die Zimmer und die Einrichtungen für die Gäste. 78 Zimmer gibt es insgesamt. Die Übernachtungspreise liegen zwischen 60 und 110 Euro. Für die Honeymoon-Suite im 4. OG mit Blick auf den Prater muss man etwas tiefer in die Tasche greifen – es ist für einen gleich mehrfach guten Zweck.

Die außergewöhnlichen Eckdaten dieses Projekts schlagen sich auch auf die Gestaltung nieder. Dem Wiener Architekturbüro AllesWirdGut (awg) ist es gelungen, die im Trend liegenden Ansätze Vintage und Recycling nicht nur als pseudo-soziales Feigenblatt zu interpretieren, wie dies allzu oft der Fall ist, sondern als ökonomische Notwendigkeit – und auch als Fundgrube für eine neue Form der Ästhetik. Sie animiert zu einer gewissen Demut.

»Das war ein außergewöhnliches Projekt, mit dem man als Architekt nicht alle Tage konfrontiert wird« sagt Herwig Spiegl, Generalplaner bei awg. »Wir mussten viel improvisieren und mit dem arbeiten, was da ist. Gelandet sind wir schließlich bei einem ziemlich wilden, aber doch stimmigen Stilmix aus Mid-Century, was zu diesem Haus sehr gut passt. Das ist weitaus nachhaltiger als der ganze modische Deko-Kitsch, den man in urbanen Hotels heute meist vorfindet.« Zu den alten Resopalmöbeln gesellen sich Stühle, Tische, Schränke und Betten aus dem Caritas-Archiv. Ein Teil der Einrichtung wurde privat gespendet. Und bei so manchem Möbelstück – wie etwa bei der alten Stahlgitter-Garderobe, die nun als skulpturales Betthaupt herhalten darf – erkennt man, welch riesiges Universum sich hinter der Idee des Upcycling auftut.

»Mit dem schonenden Umgang der Ressourcen haben wir einerseits das Budget reduzieren können, andererseits zeigen wir den Besucherinnen und Besuchern, welche Möglichkeiten es gibt, Altes und Vorhandenes wiederzuverwenden«, erklärt Projektleiterin Johanna Aufner. In gewisser Weise ist das magdas ein Appell an uns alle, uns unserer eigenen sozialen Verantwortung bewusst zu werden und ein Stückchen weit den Konsum zu unterbrechen und den Lebenszyklus der Gegenstände zu nutzen. Das Investitionsvolumen für die Revitalisierung des Hotels beläuft sich auf 1,5 Mio. Euro. Die Möbel und Einrichtungsgegenstände schlagen mit gerademal 10 bis 15 % der Gesamtkosten zu Buche. Von so einem niedrigen Anteil können andere Hotelbetreiber nur träumen.

Zahlreiche Details, die zum Schmunzeln anregen, lassen sich bei einem Rundgang entdecken. Viele davon sind quasi Null-Euro-Maßnahmen. So etwa die witzig gestalteten Piktogramme und Orientierungshinweise der Wiener Grafikagentur We Make. Schwarze Strichzeichnungen auf weißer Wand weisen einem den Weg zum Humor. Oder etwa die künstlerische Gestaltung der Suiten, in denen Studierende der Akademie der Bildenden Künste die Wandoberflächen als Leinwand nutzten. Auch die hölzerne Terrasse mit Tulpen- und Zwiebelbeeten, gestaltet nach einem Konzept von 3:0 Landschaftsarchitektur, überrascht als robust gezimmertes Langzeit-Provisorium. Wenig Geld, viel Nutzen. Das ist übrigens auch das Motto für die mittels Crowdfunding finanzierte Verschönerung des außen kaum veränderten 60er-Jahre-Hauses: Die beiden Künstler Marc Werner und Christian Gattringer laden die Hotelgäste dazu ein, quadratische Kupferplatten zu erwerben und die Loggien und Balkone auf diese Weise Stück für Stück zu veredeln. Architektur und Engagement gehen hier Hand in Hand.

Das magdas hotel ist ein temporäres Zwischennutzungsprojekt, anberaumt für fünf Jahre. Danach soll das Haus einem modernen Bau für pflegebedürftige Senioren weichen. Ob das wirklich der Fall sein wird? »Schauen wir mal«, sagt José Rodas, der Rezeptionist aus Kolumbien.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Caritas Erzdiözese Wien

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Kunst am Bau

Fotografie

KOOPERATIONEN