Bauwerk

Filmmuseum
Friedrich H. Mascher, Erich G. Steinmayr - Wien (A) - 2003

Paint It Black

Die Neugestaltung des nach wie vor in der Albertina untergebrachten Filmmuseums ist ein bisschen ambitionslos. Und sie ist perfekt.

8. Oktober 2003 - Jan Tabor
Mit der Neugestaltung des Filmmuseums ist der Umbau der Albertina vollendet. Lediglich ein paar Ergänzungen am äußeren Erscheinungsbild fehlen noch, vor allem das doofe Aluflugdach oben auf der Terrasse und die fade wellige Fassade am Sockel unten (dort, wo sich der Eingang ins Filmmuseum befindet) - beides nach einem Entwurf von Hans Hollein. Könnten nur der Bauherr Klaus Albrecht Schröder und sein Imageknecht Hollein auf die beiden ergänzenden Belanglosigkeiten verzichten, die - wie es Elisabeth Gehrer, die Oberbauherrin der Albertina, so vortrefflich auszudrücken pflegt - „nicht hilfreich“ sind.

An der Albertina wurde bereits genug herumgepfuscht - womit nicht die Arbeit der eigentlichen Umbauarchitekten Erich G. Steinmayr und Friedrich H. Mascher gemeint ist, die für die wesentlichen Veränderungen im Rahmen der strapaziösen Umgestaltung des alten Palastes in ein modernes Ausstellungshaus zuständig waren. Zehn Jahre lang haben sich Steinmayr und Mascher abgeplagt, das umfangreiche Raumprogramm so unterzubringen, ohne dass das Erscheinungsbild des Palastes vom Umbau berührt wird. Wen wunderts, wenn die beiden nun am Ende erschöpft sind; dass es ihnen für das Finale, für die Neugestaltung des Filmmuseums, offensichtlich an Elan gefehlt hat.

Das neue Filmmuseum ist keine furiose Vollendung des strapaziösen Erneuerungswerks der Albertina. Im Kontrast zu der fulminant sachlichen Architektur der unterirdischen, größtenteils öffentlich nicht zugänglichen, also faktisch unsichtbaren neuen Räume der Graphischen Sammlung Albertina wirkt die Gestaltung des Filmmuseums zu gediegen, zu kostbar, zu perfekt und zeitlos elegant. Also langweilig, ambitionslos, müde. Es ist keine wahre Kinoarchitektur, kein Ort der Sinnlichkeit und der genussvollen Erwartung.

Es ist so, wie es heißt: ein Museum. Obwohl es kein Museum ist, sondern ein Filmvorführungssaal und ein Foyer. Ein Museum ohne Exponate - sieht man von zwei Plakatfaksimile ab. Institutionsarchitektur. Wenn man ein böses, also treffendes Wort der Futuristen verwenden soll: eine Gruft der Kunst. Mit einer Bar, die nichts von den alten Kinotheken hat, sondern viel vom Schalter in einer Bawag-Filiale. Das hängt mit dem Baumaterial Eichenholz und der Farbe Schwarz zusammen. Sie wird „Unsicht-Bar“ genannt, obwohl sie das einzig neu Gestaltete ist, was gleich und deutlich zu sehen ist. In einem Kino kann man sich schnell täuschen.

Das Filmmuseum besteht aus einem Foyer, einer Bar, einem Kinosaal und aus den Büro- und Bibliotheksräumen im ersten Stock. Diese Institution hat mit der Albertina außer des - bildlich gesprochen - gemeinsamen Dachs und des gemeinsamen Eingangs nichts zu tun; somit kann, falls jemanden das neue Filmmuseum nicht gefallen sollte (was wenig wahrscheinlich ist), dafür nicht Klaus Albrecht Schröder, sondern muss Alexander Horwath, seit 2002 Direktor des Österreichischen Filmmuseums, verantwortlich gemacht werden.

Aber Achtung! Keine Ungerechtigkeiten! Wie die Architekten selbst dürfte auch Horwath entsetzlich erschöpft sein, denn noch vor einigen wenigen Monaten stand es um die unerlässliche Umgestaltung des Filmmuseums nicht zum Besten. Der Kinosaal samt seiner aus den Fünfzigerjahren stammenden Technik war unbrauchbar. Die alten, gebrauchten Holzsessel klapperten unerträglich laut, die Ärsche schmerzten und die Knie taten weh. Irgendwie ist es Direktor Horwath gelungen, den Bund und die Stadt Wien, also die beiden miteinander verfeindeten Kunstbürokraten Franz Morak und Andreas Mailath-Pokorny, dazu zu bringen, gemeinsam das Renovierungsgeld von zwei Millionen Euro herauszurücken.

Das Filmmuseum ist also gerettet. Von Außen betrachtet, merkt man das kaum. Das aber stört nicht, weil das neue Programm traditionell hervorragend ist, die Nachfrage sicher groß bleibt und die Zahl der Sitzplätze im Zuge der Renovierung noch reduziert wurde. Das Eingangstor ist das alte aus dem Umbau in der Nachkriegszeit, das berühmte Gewerkschaftsbarock, das übrigens ganz ausgezeichnet mit dem Schröder'schen Wenderegierungsbarock harmoniert. Auch die Kalksteinplatten, mit denen der Fußboden und die Pfeiler im Foyer belegt wurden, sind erhalten geblieben.

Die Portiersloge - das Foyer dient weiterhin als Betriebseingang der Graphischen Sammlung Albertina - ist neu, aus Eichenholz. Die Doppelfunktion des Foyers drückt ein wenig auf die Stimmung: Hintereingang bleibt Hintereingang, auch wenn es das Hauptfoyer eines eleganten Filmmuseums ist. Andererseits aber ist dadurch von der einstigen Atmosphäre eines armen, aber bedeutenden Kellertheaters ein wenig erhalten geblieben. Doch das alles sind Nebensächlichkeiten. Die Hauptsache ist der Vorführungssaal. Das eigentliche Filmmuseum, das Kino, das größte Wunder des 20. Jahrhunderts.

Die Pionierzeiten sind vorbei. Wie in jedem Megaplex verlangt der mobil gewordene Kunde heutzutage auch vom Filmmuseum die höchste Kommodität. War er früher besonders für die S/M-Filme geeignet, so ist er jetzt auf Liebesfilme eingestimmt, die sich in Jumbojets abspielen. Seinen einstigen Foltercharakter hat er gänzlich verloren. Die hölzernen Sitzapparate, die bei der kleinsten Körperregung, die selbst durch leichteste Regung des Gemüts verursacht wurden, mitknarren konnten, als würden sie das Drama auf der Leinwand mitleiden, wurden durch neue, weich gepolsterte und am Filmgeschehen gänzlich teilnahmslose italienische Designersitze ersetzt: 165 - davon zwei für Behinderte - statt 213. Schwer zu sagen, was man nun mehr genießen soll - die Weichheit und Lautlosigkeit der Sessel, die Schönheit des Desings oder die Freiheit der Beine.

Und das alles in der elegantesten Farbe Wiens, im funebren Schwarz. Aber Achtung, keine falsche Interpretation! Der Kinosaal heißt jetzt „Black Cube“ oder auch „das Unsichtbare Kino 3“. Neben seiner Eleganz hat das Schwarz einen großen symbolischen Wert. Das Schwarze ist eine Hommage an den Mitbegründer des Filmmuseums Peter Kubelka, der hier in den Fünfzigerjahren in Anlehnung an das „Invisible Cinema“ in New York - daher wohl die Nummer 3 - eine Stelle für Avantgardefilme etabliert hat.

Das Unsichtbare Kino war eine Vorstellung, derzufolge die Beziehung zwischen Film und Zuschauer durch die Versenkung in vollkommene Dunkelheit besonders innig gestaltet werden könnte. Darüber hinaus hat die Nichtfarbe Schwarz einen praktischen Wert: Es beeinträchtigt die Wahrnehmung der Farbtöne bei Farb- und des Schwarz bei Schwarz-Weiß-Filmen am allerwenigsten. Das Filmmuseum ist perfekt.

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