Bauwerk

Zentrum für Forschung und Entwicklung
Vittorio Magnago Lampugnani - Basel (CH) - 2000

Die Parkbank kann Büro sein

Der Pharmariese Novartis leistet sich in Basel eine kleine Forschungsstadt und verspricht sich eine neue Art des Arbeitens davon. Städtebauer Vittorio Lampugnani lieferte den Masterplan.

27. Januar 2003 - Ute Woltron
Dieser Tage präsentierte der Schweizer Pharmariese Novartis seine Jahresbilanz 2002, die einen Reingewinn von 7,313 Milliarden Schweizer Franken (4,9 Mrd. Euro) aufweist. Die Zukunft, so ließ man verlauten, gehöre der verstärkten Forschung, in diesen Bereich wolle man künftig noch mehr investieren als bisher.

Ein Teil der Investitionen wird, so will es Novartis-CEO Daniel Vasella, auch in die entsprechende Infrastruktur in Form von Architektur fließen. Man verfügt über ein gewachsenes Unternehmensviertel am Ufer des Rheins mitten in Basel. Für dieses etwas überalterte Ensemble ließ sich Vasella vom ETH-Städtebauprofessor Vittorio Lampugnani vor knapp zwei Jahren ein städtebauliches Konzept vorlegen, das eine neue interdisziplinäre Art des Arbeitens und Forschens berücksichtigen solle. Der Novartis-Chef hatte erfahren müssen, dass internationale Forscher nicht nur mit guten Gehältern, sondern auch mit dem entsprechenden Arbeitsumfeld zu ködern sind. Eine Architektur, die die Kommunikation unter diesen Kreativen des Geistes zu fördern vermöge, die sollte es werden.

Lampugnanis Masterplan ist streng, klar, fast konservativ, aber effizient. Er wurde gemeinsam mit Landschaftsplaner Peter Walker, Lichtarchitekt Andreas Schulz, Kunstmann Harald Szeemann und Alan Fletcher, für Typografie und Beschilderung zuständig, erarbeitet. Boulevards, Laubengänge, Parks und Plätze gliedern die Freizonen zwischen den Häuserblöckchen. Der Strategieplan deutet in eine ferne Zukunft: Stück für Stück soll nun das alte Ensemble abgebrochen und erneuert werden. Der erste Schritt - das Headquarter Pharma und damit das prominente Gebäude im Eingangsbereich - wird demnächst in Angriff genommen:

Im vergangenen Herbst gewann das Schweizer Team Diener und Diener Architekten gemeinsam mit dem Künstler Helmut Federle und dem Wiener Architekt Gerold Wiederin das geladene Gutachterverfahren für das erste konkrete Bauvorhaben und schlug damit andere Teilnehmer wie Dominique Perrault, Hans Kollhoff und Sanaa aus dem Rennen. Baubeginn soll im Oktober dieses Jahres sein, die Eröffnung wird für April 2005 angepeilt.

Die Architekten wollten mit ihrem Entwurf ein markantes Zeichen für den Campus setzen und nahmen sich die bunt mosaikverkleidete Universitätsbibliothek von Mexiko-Stadt zur Anregung. Das neue Pharma-Haus entspricht mit seinen Abmessungen brav dem vorgegebenen, lang gezogenen Block, nimmt sich aber innenräumlich und fassadenmäßig alle Freiheiten. Die Grundrisse sind völlig offen und lassen dem Unternehmen jeden Spielraum, die Fassade ist zweischichtig ausgeführt: Vor einer unsichtbaren Glasfront hängt ein schuppiges Geflirre zartbunter Gläser. Was von der Ferne betrachtet gewissermaßen monolithische Würde aufweist, löst sich beim Näherkommen in seine Elemente auf.

Wie er dieses erste Projekt einschätzt und wie es überhaupt zu diesem umfangreichen Zukunftsprojekt eines Konzerns kam, erklärt Mastermind Vittorio Lampugnani im Interview mit dem ALBUM.

Lampugnani: Novartis-CEO Daniel Vasella wünschte sich für das Sankt-Johann-Areal in Basel einen Masterplan, der eine städtebauliche Strategie vorgeben sollte; keine isolierte, spektakuläre Architektur. Er hat uns gebeten, ein Projekt zu erarbeiten.

Das Resultat ist eine betont strenge Angelegenheit geworden. Warum?
Stimmt. Der Masterplan ist streng, aus verschiedenen Gründen. Wir wollten einerseits einen klar erkennbaren neuen Stadtteil in Basel machen, einen städtischen Campus, und andererseits an die alte Fabrik erinnern, die auch einem prägenden geometrischen Plan folgt. Doch neben diesen nostalgischen gibt es auch pragmatische Gründe: Unter dem Areal liegt eine gigantische technische Struktur für Wasseraufbereitung und Energieversorgung, an der wir uns orientieren mussten, wollten wir etwas Realisierbares entwerfen.

Besteht in Anbetracht der monotonen Blöckchen nicht die Gefahr einer gewissen Fadesse?
Lampugnani: Der Ort wird keineswegs langweilig, wenn die Gebäude unterschiedlich sein werden. Die meisten Städte, die wir lieben, haben einen strengen Grundriss und leben von unterschiedlichen Hausstrukturen. Wir wollten kleine Bauten haben, damit für die Leute der Anreiz besteht, hinauszugehen und das Nachbarhaus zu besuchen. Außerdem bietet diese Kleinteiligkeit größere Flexibilität innerhalb einer großen Organisation, deren künftige Struktur ja nicht absehbar ist.

Wie wird das Projekt nun weiter vorangetrieben?
Lampugnani: Es wird für alle wichtigen Bauten dieser kleinen Stadt Gutachterverfahren geben, zu der jeweils hervorragende Architekten eingeladen werden. Eines ist mit dem Pharma-Hauptgebäude bereits gelaufen, weitere sind im Gange. Der erste Stadtteil entlang der Fabrikstraße im Bereich des Einganges soll innerhalb der nächsten sieben Jahre fertig gestellt sein. Der Masterplan ist dabei das Instrument, sämtliche Maßnahmen in die richtige Richtung zu lenken. Bis das Areal so aussieht, wie wir es gezeichnet haben, wird es 30 Jahre dauern.

Über das erste Projekt wurde nun via Gutachter entschieden. Entspricht das Resultat Ihren Vorstellungen?
Lampugnani: Es ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe, aber gerade das ist das Spannende. Wir wollen neue gute Ideen haben, sie müssen allerdings dem städtischen Konzept verpflichtet sein. Es soll kein Freilicht-Architekturmuseum entstehen, sondern ein Ort zum Arbeiten und Leben.

Es ist nicht besonders gängig, dass sich ein Unternehmen eine kleine Forschungsstadt leistet. Warum tut es Novartis?
Lampugnani: Die Entscheidung hängt natürlich stark mit der Person und Vision des Chefs zusammen und ist ebenso mutig wie innovativ. Doch gibt es bereits jetzt Imitatoren, die Ähnliches gestartet haben, ein Pharmaunternehmen in der Schweiz etwa, oder Siemens in München. Die Erkenntnis, dass man große Gebäudestrukturen umfassend planen muss, setzt sich durch. Neu ist hier allerdings der Umstand, dass das Unternehmen nicht als Developer auftritt, sondern diesen Schritt für sich selbst setzt. Und dass im Campus versucht wird, eine neue Art zu arbeiten mithilfe der Architektur umzusetzen. Ich stelle mir vor, dass die Leute unter den Arkaden sitzen, besprechen, Kaffee trinken, dass lebhafter und produktiver Austausch zwischen den Gebäuden herrscht, dass jemand, der etwas schreiben muss, seinen Laptop nimmt und sich in den Park zurückzieht.Das Vorhaben ist ein Experiment: architektonisch, aber auch und vor allem sozial.

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