Bauwerk

Allianz-Arena
Herzog & de Meuron - München (D) - 2005
Allianz-Arena, Foto: Gerhard Hagen / ARTUR IMAGES
Allianz-Arena, Foto: Gerhard Hagen / ARTUR IMAGES

Vor der Eröffnung des „schönsten Fussballstadions der Welt“

Jahrelange Standortdebatten und eine Korruptionsaffäre um die Münchner Allianz Arena

Knapp acht Jahre hat es gedauert, bis der Wunsch der Münchner Fussballvereine nach einem fussballgerechteren Stadion verwirklicht werden konnte. Hitzige Debatten um Um- oder Neubau, Bürgerinitiativen gegen geplante Standorte sowie ein millionenschwerer Bestechungsskandal prägten diese Zeit.

28. Mai 2005 - Stephanie Lahrtz
In wenigen Tagen wird in München die neue Allianz Arena, das „modernste und schönste Fussballstadion der Welt“, wie FC-Bayern-Präsident Franz Beckenbauer schwärmt, mit zwei Fussballspielen und viel politischer und sportlicher Prominenz offiziell eröffnet. Damit endet eine fast achtjährige Planungs- und Bauzeit. Denn bereits im September 1997 hatte - für die Öffentlichkeit etwas überraschend - der Verwaltungsbeirat des FC Bayern München beschlossen, dass er ein neues Stadion, und zwar eine reine Fussballarena, haben müsse. Man wolle mehr Dramatik, eine dichtere Atmosphäre, engeren Kontakt zwischen Fans und Spielern, mit einem Wort: einen richtigen „Hexenkessel“. Dem ersten Augenschein im neuen Stadion gemäss eignet sich die neue Arena für diesen Zweck auch vorzüglich, doch noch wirke alles etwas kühl, sachlich und sehr modern, so der Tenor.
Einstige Debatten darüber, ob das Olympiastadion umgebaut und, wenn nicht, wo eine neue Arena hingestellt werden sollte, kosteten viel Zeit. Nach der Interessenbündelung durch die Grossvereine FC Bayern und TSV 1860 München rückte man dem Ziel erst nach kaum verhüllten Drohungen seitens des bayrischen Ministerpräsidenten Stoiber und Beckenbauers näher, München erhalte womöglich kein Spiel der WM 2006.

Bestechungsskandal begleitet Bauarbeiten

Während nun an der Autobahn zum Flughafen die Kräne und bald auch das Betonskelett des neuen Stadions in die Höhe wuchsen, beschäftigte sich bald darauf auch die Münchner Staatsanwaltschaft mit dem neuen Stadion. Am 9. März 2004 wurde der Geschäftsführer des TSV 1860 München und der Stadiongesellschaft, Karl-Heinz Wildmoser junior, verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen, von der für das Stadion zuständigen österreichischen Baufirma Alpine 2,8 Millionen Euro als Bestechungsgeld und „Honorar“ für interne Informationen über die Stadionplanung erhalten zu haben. Zusammen mit ihm wurde auch sein Vater Karl-Heinz Wildmoser senior, der langjährige Präsident und Patriarch des TSV 1860, Grossgastronom und Freund der Münchner Bussi- Schickeria, zuerst ebenfalls verhaftet, nach drei Tagen jedoch wieder freigelassen. Weitere drei Tage später musste er nach heftigen Querelen sein Amt als TSV-Präsident abgeben.

Während Wildmoser junior sowie Alpine noch bestritten, die Zahlungen seien illegal gewesen, packte ein Schulfreund, Helfersmann und Mitangeklagter von Wildmoser junior, in der Untersuchungshaft aus. Vor wenigen Tagen wurde nun Wildmoser junior zu vier Jahren und sechs Monaten Haft wegen Untreue und Bestechlichkeit verurteilt. Die Verteidiger haben jedoch sofort Revision angekündigt, und da bis zum Beginn des Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof voraussichtlich Monate vergehen werden, bleibt der Verurteilte bis auf weiteres auf freiem Fuss. Weitere Verfahren gegen Alpine-Manager sind ebenso hängig wie jenes von Alpine gegen die Stadiongesellschaft, die 2,8 Millionen nicht von der Rechnung abzuziehen, und die Klage der Stadiongesellschaft gegen Wildmoser junior auf Zahlung eben jener 2,8 Millionen.

Erster Test ohne nennenswerte Pannen

Unbehelligt vom Prozess schritten die Bauarbeiten jedoch stetig voran, und so wurde im März das letzte Luftkissen der Aussenfassade montiert, im April der Rasen verlegt, Anfang Mai das Strassennetz und der neue U-Bahnhof fertiggestellt. Beim ersten Test am 19. Mai, einem Spiel zwischen den Traditionsmannschaften der beiden Vereine vor absichtlich nur halb gefülltem Stadion, traten keine grossen Pannen auf. Ein neuralgischer Punkt könnte jedoch das System mit den überall im Stadion gültigen neuen Chipkarten werden. Denn statt mit Geld müssen sowohl Eintritt als auch Verpflegung, Fanartikel und das Parkhaus mit den Karten bezahlt werden. Noch erkennen nicht alle Lesegeräte den Chip, vor den Aufladestationen bilden sich daher lange Warteschlangen, und zum Schluss müssen noch die fünf Euro Parkgebühr auf der Karte sein, damit das Parkhaus verlassen werden kann.

Das seien jedoch nur Anfangsschwierigkeiten, versicherten die Verantwortlichen. Deutlich mehr Kopfzerbrechen bereitet ihnen momentan die vollständige Finanzierung. Denn das Stadion hat die GmbH insgesamt 340 Millionen Euro gekostet. Das sind zwar nur gut ein Prozent mehr als veranschlagt, doch fehlen derzeit noch 40 Millionen. Verhandlungen mit Kreditinstituten laufen. Auch die anderen Millionen stammen aus Krediten, 225 Millionen gewährten diverse Banken, 75 Millionen der FC Bayern. Der Hauptsponsor Allianz zahlt über 15 Jahre bis zu 90 Millionen Euro und hat dafür auch die Namensrechte erhalten. Vom Spielbetrieb inklusive Logenvermietung für Businessveranstaltungen ausserhalb der Spiele erhofft sich die Stadiongesellschaft Einnahmen von 35 Millionen pro Saison. Zusätzlich zum Stadion selber haben der Bund, der Freistaat Bayern und die Stadt München für Infrastrukturmassnahmen insgesamt 288 Millionen gezahlt. Doch der Münchner Oberbürgermeister Ude betont in diesem Zusammenhang immer, dass erstens die neue Arena das einzige Stadion in Deutschland sei, für das die öffentliche Hand keine Baukosten habe übernehmen müssen, und dass zweitens ein Teil der Strassen- und U-Bahn-Bauten in jedem Fall notwendig gewesen seien.
Doch jetzt bilden nicht mehr Zahlen oder Korruption, sondern die neue Arena und ihre Architektur das Gesprächsthema unter Münchnern. Zum einen fragt man sich wehmütig, ob denn das „alte Oly“ ohne Fussball wird überleben können, doch andererseits fiebert zumindest Fussball-München den ersten Champions-League-Spielen in der neuen Arena entgegen, die manchmal spöttisch auch „Schwimmreifen“ genannt wird.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at