Bauwerk

Museum mit Park
Annette Gigon / Mike Guyer - Bramsche-Kalkriese (D) - 2002
Museum mit Park, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES
Museum mit Park, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES

Schutzschild gegen das Vergessen

Im Teutoburger Wald wurde eine der berühmtesten Schlachten der Germanen gegen die Römer ausgetragen. Heute steht dort, wo sich einst die Schwerter kreuzten ein archäologisches Museum, das den Ort aus den Niederungen des Vergessen hebt. Das verbindende Element der weitläufigen Park- und Museumsanlage ist der wetterfeste Stahl, der sich als Wegmarke und an den Fassaden der Museumsbauten wieder findet.

20. Oktober 2005 - Evelyn C. Frisch
Wie ein Wegweiser taucht aus dem Grün des ehemaligen Schlachtfeldes die rostrote Farbe auf - als Wegmarke oder als Gebäudehülle - und führt den Besucher durch die Geschichte des Landstrichs. In Kalkriese wurde 2002 auf dem mutmasslichen Schauplatz der „Schlacht im Teutoburger Wald“ ein archäologisches Museum errichtet, entworfen und gebaut vom Schweizer Architekturbüro Annette Gigon und Mike Guyer. Der wetterfeste Baustahl verbindet alle sichtbaren Elemente zu einer Einheit: Er verkleidet nicht nur drei Pavillons und das flache Ausstellungsgebäude mit Treppenturm, sondern findet sich auch bei Wegplatten, Stützwänden und Palisadenstangen wieder. Mit seiner bräunlich changierenden Oberfläche fügt er sich harmonisch in das parkartige Gelände ein.

Die Sinne und das Gedächtnis schärfen

Der Museumsbau besteht aus einem vom Erdboden abgehobenen, eingeschossigen Baukörper und einem turmartigen Aufbau mit Aussichtsplattform. Aus einer Höhe von fast 40 Metern kann das ehemalige Schlachtfeld überblickt werden. Im Rumpf des Gebäudes befindet sich die eigentliche Ausstellung. Hier werden die Fundgegenstände aufbewahrt und ausgestellt - die meisten sind sie aus Metall. Ein dunkel gehaltener, nicht unterteilter Raum erlaubt die freie Inszenierung der vielfältigen Aspekte und Themen dieser Schlacht zwischen Germanen und Römern im 9. Jahrhundert. Ab und zu geben grosse, seitliche Fenster Ausblicke auf die Landschaft frei.

Drei Pavillons im Feld vertiefen die im Freien gewonnen Eindrücke: Sehen, Hören, Fragen. Der Pavillon „Sehen“ projiziert die Aussenwelt mittels einer „Camera Obscura“ umgekehrt in eine leuchtende Halbkugel. Die Welt steht Kopf. Der Pavillon „Hören“ verfügt über ein mächtiges Hörrohr, das die Geräusche der Aussenwelt verstärkt in einen schallabsorbierten Raum leitet. Im Pavillon „Fragen“ stehen sich eine Wand mit schlitzartigen Öffnungen und eine Wand mit Fernsehmonitoren gegenüber, auf denen aktuelle Konflikte gezeigt werden.

In der Argumentation der Architekten sollte die Lesbarkeit der baulichen Massnahmen durch die Reduktion der verwendeten Materialien verdeutlicht werden. Stahl erlaubt verschiedene Bearbeitungsgrade (unbehandelter, mit Zunder bedeckter, rostender, geölter, gestrichener, galvanisierter Stahl usw.) und besitzt unterschiedliche Eigenschaften (wetterfester Stahl, nicht rostender Stahl), der entsprechend den Anforderungen eingesetzt werden kann. Gerade der rostende Stahl, der die Vergänglichkeit von Materialzuständen so augenfällig macht, ist gleichzeitig auch ein Schutz gegen Korrosion.

Stahl für Tragsystem und Fassade

Das Museumsgebäude ist wie die Pavillons als Stahl-Skelettkonstruktion errichtet und mit grossflächigen rostenden Stahlplatten beplankt. Auch im beheizten Innenraum des Museums sind Stahlplatten für die Verkleidung verwendet worden: Gewalzte Stahlbleche für Wand und Deckenverkleidungen und nicht rostender Stahl für die Bleche des Bodenbelags. Die Stahlskelettkonstruktion des Hauptgebäudes und die Fensterrahmen bestehen aus normalem Baustahl, der mit einer dunklen rotbraunen Farbe beschichtet ist. Grossformatige Platten aus wetterfestem Stahl bilden die Aussenhaut der Wände und Dächer; die liegenden Platten sind durch Winkel versteift. Die konstruktiven Details wurden werkstoffgerecht ausgebildet.

Die Fassadenbekleidung aus Wetterfestem Stahl ist hinterlüftet, oben und unten angebrachte Lochbleche ermöglichen die Luftzirkulation. Ausserdem sind die Platten auf Abstand mit einer 20 mm breiten Fuge verlegt, so dass auch hier die Luft zirkulieren kann. Andererseits ist die Fuge so klein gewählt, dass keine Vögel ins Innere gelangen können. Da das Regenwasser, das auf das Dach des Flachbaus niedergeht, über die offenen Fugen in den hinterlüfteten Dachraum fliesst, ist die innere Decke dort wasserdicht als dreilagige Bitumenbahn mit Wurzelschutz ausgeführt und mit einem Gefälle versehen, welches das Wasser zu den Entwässerungseinläufen abführt. Die Dachplatten aus Wetterfestem Stahl wurden auf der Innenseite beschichtet, weil das Wasser, das an den Fugen eintritt, zum Teil an der Unterseite der Platten entlang laufen und diese feucht halten kann, bis der belüftete Raum nach dem Regen wieder austrocknet.

Im Bereich der Fenster hindern ein entsprechendes Gefälle und die Aufkantung des dort angeordneten, beschichteten Blechs das rostbeladene Wasser vom Dach daran, über die Glasflächen abzulaufen. Die Verbindungselemente zwischen Fassadenblechen und Skelettkonstruktion einschliesslich der zugehörigen Zone am Fassadenblech aus Wetterfestem Stahl wurden beschichtet, damit in den Fugen kein auftreibender Rost entsteht.

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Für den Beitrag verantwortlich: Steeldoc

Ansprechpartner:in für diese Seite: Evelyn C. Frischinfo[at]szs.ch

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