Bauwerk

Flüchtlingsunterkunft Refugium
Melanie Karbasch - Seekirchen am Wallersee (A) - 2015
Flüchtlingsunterkunft Refugium, Foto: Melanie Karbasch
Flüchtlingsunterkunft Refugium, Foto: Melanie Karbasch
30. Dezember 2016 - Az W
Aufgrund der akuten Situation in Bezug auf die Flüchtlingsströme nach Europa, wurden kurzfristig Unterkünfte für Asylwerber im gesamten Bundesgebiet benötigt. Im Bundesland Salzburg fiel nach einem eingehenden Kostenvergleich mit Metallcontaineranlagen die Wahl auf mehrgeschossige Häuser in Holzelementbauweise. Die Holzhäuser bieten nicht nur menschenwürdigen Wohnraum für traumatisierte Flüchtlinge, sondern konnten gemeinsam mit Salzburger Unternehmen hergestellt werden.

Bauen im Ausnahmezustand
Die (zeitlich befristete) Novellierung der Salzburger Bauordnung ermöglicht die Errichtung widmungsferner, also im Gewerbegebiet angesiedelter Unterkünfte. Die Novellierung betrifft auch die bautechnischen Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Brandschutz, Hygiene, Nutzungssicherheit und Schallschutz, die für temporäre Unterkünfte auf ein „tragbares Maß“ reduziert werden dürfen. Verglichen mit herkömmlichen Container-Notunterkünftigen wirken die Holzhäuser mit den Fensterläden im Verband überraschend repräsentativ. Beim Betreten wird jedoch deutlich, dass der Standard, der sich hier bietet, keiner ist, auf den Herr und Frau Österreicher neidisch sein können. Die geringeren bautechnischen Anforderungen, die für die temporären Unterkünfte zur Anwendung kommen, wirken sich direkt aus: Die Trittschalldämmung ist geringer als bei üblichen normgerechten Wohnhäusern. Die Raumhöhe ist geringfügig niedriger und auch die Fensterflächen unterschreiten in ihrer Dimension die üblicherweise geltenden Mindestgrößen. Es ist eben kein Wohnhaus, sondern eine temporäre Unterkunft. Der reduzierte Standard ermöglicht letztlich ihre Errichtung, das Ziel sind menschenwürdige Unterkünfte, errichtet auf Basis von Spendengeldern.

Abhängig von der Anlagengröße verfügt mindestens ein Baukörper pro Anlage im Erdgeschoss über Gemeinschafts- und Verwaltungsräume. Neben Seminar- und Versammlungsräumen befinden sich hier auch das Büro für die Verwaltung, Personalbereiche inkl. Sanitäreinheiten und ein Arztzimmer für die Behandlung der Bewohner:innen durch einen Arzt direkt vor Ort. Jedes Wohnhaus verfügt zudem über einen gemeinschaftlich genutzten Hauswirtschaftsraum, welcher mit Waschmaschinen, Trocknern und Bügelstationen zur Nutzung durch die Bewohner:innen ausgestattet sind. Die Erschließungswege der Wohnhäuser sind in ihrer Breite großzügig bemessen und werden als Begegnungs- und Kommunikationszone genutzt, die Podeste der außenliegenden Stiegenaufgänge dienen als Balkone.

Die Wohneinheiten für jeweils vier Bewohner:innen sind auf das Wesentliche reduziert: zwei Schlafräume (zwei Bewohner:innen je Schlafraum), ein gemeinsam genutzter Wohn-/Kochbereich und eine ebenfalls gemeinsam genutzte Nasszelle (GFK-Fertigteilnasszelle). Die Größe der Wohneinheiten ist mit knapp 50 m² mehr als bescheiden. Für vier Erwachsene, die in der Regel als Einzelpersonen und nicht im Familienverband eine Wohneinheit beziehen, heißt es zusammenrücken.

Die Zimmerausstattung beinhaltet das Notwendigste für einen mehrmonatigen Aufenthalt: ein Bett, einen Kasten und ein offenes Regal je Bewohner. Das kompakte Maß der Schlafzimmer verlangt nach maßgeschneiderten Möbeln vom Tischler, weil die Möbel von der Stange in die klein dimensionierten Zimmer nicht hineingepasst hätten. Der Tischlerauftrag wurde so wie fast alle Aufträge im Bundesland Salzburg vergeben. Einzig die GFK-Zellen mussten aus dem Bundesland Niederösterreich angeliefert werden.

Konstruktion
Die Wohnhäuser können mit geringem Aufwand auf beliebigen Grundstücken montiert und – wichtig –auch wieder demontiert werden. Für den Bauherrn, das Rote Kreuz, war die Wiederverwertbarkeit, der Wiederaufbau an anderer Stelle, ein Kriterium für den Auftrag. Die Bodenplatte wird als vorgefertigtes Holz-Bodenelement in Form einer gedämmten Rahmenkonstruktion, und gegen aufsteigende Feuchtigkeit ausgestattet, ausgeführt. Der Luftraum zwischen Geländeoberkante und Bodenelementunterkante beträgt mind. 30cm (Gründung auf Streifenfundamenten). Die Außenwände werden ebenfalls als vorgefertigte und gedämmte Holz-Rahmenkonstruktionen ausgeführt. Die tragenden Innenwände bestehen aus 3-Schicht BSP Massivholzplatten. Decken- und Dachbodenelemente werden als vorgefertigte und gedämmte Rahmenkonstruktionen ausgeführt. Der Dachstuhl des kalten Dachraums wird als Satteldach mit 10° Dachneigung und Trapezblechdeckung ausgeführt. (Text: Martina Frühwirth und Architektin)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at

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