Veranstaltung

Architekturtage 2010
Veranstaltung
Architekturtage 2010
28. Mai 2010 bis 29. Mai 2010
Architekturtage in ganz Österreich

Architekturstiftung Österreich, Verein Architekturtage, Bundeskammer der Architekten und Ingenieurskonsulenten

„Einfach nur Yin und Yang sagen, ist zu wenig“

Stefan Behnisch, Stuttgarter Architekt, wird beim „Schwitzenden Symposium“ einen Vortrag halten - in der Therme. Mit Wojciech Czaja sprach er über Plastiksteine und Freizeitgelüste.

20. Mai 2010 - Wojciech Czaja
Standard: Schwitzen Sie gern?

Behnisch: Es ist lebensnotwendig!

Standard: Bei den Kärntner Architekturtagen werden Sie in der Sauna der Römerbad-Therme in Bad Kleinkirchheim einen Vortrag halten. Kann man sich bei diesen Temperaturen überhaupt noch konzentrieren?

Behnisch: Es kommt darauf an, wie man veranlagt ist. Ich persönlich vertrage trockene Hitze nicht sonderlich gut. Ich kann mir vorstellen, kurz in einen heißen Vortrag eines Kollegen oder einer Kollegin reinzuhören, aber selbst reden? Nein. Ich gehe davon aus, meinen Vortrag in der Halle zu halten. Wenn ich eine Mathematikarbeit schreiben müsste, würde ich mich ja auch nicht in eine Saunakabine setzen.

Standard: Es gibt in Österreich nur wenige Thermen mit architektonischem Anspruch. Meistens handelt es sich um überfrachtete Wellness-Tempel zwischen Asia-Kitsch und Drachenrutsche. Woran liegt das?

Behnisch: Ich glaube, dass der Anspruch der Besucher und Nutzer auf eine anspruchsvolle Umgebung in Wellnessbereichen nie ernst genommen wurde. 50 Jahre lang waren Thermalbäder ein Beiprodukt der Tourismusbranche. Man hat irgendwas gemacht und konnte sich sicher sein, dass irgendwer schon kommen wird. Das hat sich nun geändert. Die kritische Masse im Tourismus ist erreicht: Die Zuwachsraten stagnieren, die Konkurrenz steigt, ein unerbittlicher Verdrängungswettbewerb hat angefangen. Jetzt geht es nicht mehr nur um Angebot und Menge, sondern um Qualität.

Standard: Was bedeutet das für die Gebäude?

Behnisch: Früher hat man hässlich-kitschige Bäder gebaut, ein paar warme Steinchen auf den Boden gelegt, Yin und Yang gesagt - und die Sache war erledigt. Seitdem jedoch Peter Zumthor in Vals in der Schweiz die Felsentherme errichtet hat, haben sich die Ansprüche des Publikums verändert. Mit Furnier-Architektur und hohlen Felsen aus Gipskarton, Pappmaché und Plastik können Sie heute keine Besucher mehr gewinnen - zumindest nicht solche, die bereit sind, die meist happigen Eintrittspreise zu zahlen.

Standard: Ist man in der Freizeit wirklich so kritisch, dass man zwischen einem Felsen aus Stein oder Plastik unterscheidet?

Behnisch: Nicht beim ersten Mal. Aber beim zweiten und dritten Mal, da sieht man so etwas! In ein Bad mit hochgeschminkten Plastikpalmen will ich persönlich kein zweites Mal hinein. Als Kunde fühle ich mich da ausgenommen. Ich glaube, dass die Investoren und Thermalbadbetreiber das Publikum unterschätzen.

Standard: Sie haben schon etliche Thermalbäder geplant. Wo liegt der goldene Mittelweg zwischen Architektur und Freizeitgenuss?

Behnisch: Ich will Orte schaffen, wo die Menschen jedes Wochenende aufs Neue wieder hinfahren wollen. Das geht nur, wenn man das persönliche Wohlbefinden jedes Einzelnen im Auge behält.

Standard: Und zwar wie?

Behnisch: In einer Therme hat man Badehose und Badeanzug an, oder aber man ist ganz nackt. Man ist schutzlos und verletzlich. Hinzu kommt, dass man die Sommerfigur noch nicht erreicht und am Rücken womöglich gerade einen Pickel hat. Wohlfühlen kann man sich in so einem Fall nur, wenn die Architektur authentisch ist, wenn ein Stein auch wirklich ein Stein ist, wenn die Räume Schutz und Geborgenheit bieten. Bestes Beispiel ist das Felsenbad in Bad Gastein von Gerhard Garstenauer. Eine gute Atmosphäre.

Standard: Wir verbringen rund 90 Prozent unserer Zeit in Gebäuden. Auch in der Freizeit. Das Interesse an Baukultur ist trotzdem gering. Warum?

Behnisch: Wenn man durch schlechte Umgebung geprägt ist, dann lernt man auch nie, anspruchsvoll zu sein. Sehen Sie sich doch mal all die Städte an, in denen wir aufwachsen und leben!

Standard: Was ist mit Rom, Paris, Istanbul?

Behnisch: Ausnahmen! Die schönen Bauwerke, die diese Städte ausmachen und die bis heute erhalten sind, galten auch damals schon als erhaltenswerte Unikate. Der ganze mittelmäßige Rest wurde zerstört und ersetzt. Oder aber es kommt den wenigen pragmatischen Zweckbauten, die erhalten wurden, eine große Bedeutung zu.

Standard: Die Architektur des Alltags hat also immer schon ein stiefmütterliches Dasein geführt?

Behnisch: Nicht in der Antike! Da war Architektur bereits eine eigene Kunstgattung - und zwar noch lange vor der Musik, die den Durchbruch erst in der Renaissance hatte. Mir wird immer ganz anders, wenn ich mir vorstelle, dass man in 1000 Jahren zufällig auf die Ausgrabungen von Stuttgart stoßen wird, das eines Tages durch Erdbeben oder Vulkanausbruch untergegangen sein könnte. Als Erstes wird man auf irgendeine Betonbude aus den Achtzigern stoßen. Man wird daraus schließen, dass ganz Stuttgart so ausgesehen haben muss. Das macht mich traurig.

Standard: Wie kann man das Interesse für Architektur stärken?

Behnisch: Mit Schulbildung. Wir unterrichten unsere Kinder in Wissenschaft, in Musik, in Malerei. Aber von Architektur, die einen substanziellen Stellenwert in der Kulturgeschichte der Menschheit einnimmt, bekommt man fast gar nichts mit. Die meisten glauben, Architektur, das sei der Eiffelturm, das Empire State Building, bestenfalls ein Museum von Zaha Hadid. Dass wir jedoch 99 Prozent unserer Zeit in einer Umgebung voller menschlicher Artefakte verbringen, daran denkt niemand. Im Erwachsenenalter zu beginnen, Bewusstsein zu schaffen, ist definitiv zu spät.

Standard: Ich habe gehofft, dass Sie die Architekturtage erwähnen.

Behnisch: Und natürlich die Architekturtage! In Deutschland haben wir eine vergleichbare Veranstaltung, den Tag der Architektur. Wir sind da also etwas zurückhaltender. Einen Tag lang sind sämtliche öffentlichen Gebäude für jeden zugänglich. Das Interesse ist groß.

Standard: Wie werden Sie die Architekturtage verbringen?

Behnisch: Ich muss einen Vortrag halten. Danach werde ich mich in ein Freibecken legen, in den Himmel schauen und mich auf höchstem Niveau entspannen.
Zur Person:
Stefan Behnisch (53) leitet das Stuttgarter Büro Behnisch Architekten. Die Römerbad-Therme im Kärntner Bad Kleinkirchheim wurde im Jahr 2007 fertiggestellt.

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