Veranstaltung

Studio Mumbai
Ausstellung
Studio Mumbai © Studio Mumbai Architects
29. Juni 2011 bis 1. Oktober 2011
Vai - Vorarlberger Architektur Institut
Markstrasse 33
A-6850 Dornbirn


Eröffnung: Dienstag, 28. Juni 2011, 19:00 Uhr

Mit Hammer, Hand und Herz

Schweiß und Staub: Das indische Büro Studio Mumbai besinnt sich auf traditionelle Fertigungstechniken. Zwei Ausstellungen blicken den Handwerkern über die Schulter.

2. Juli 2011 - Wojciech Czaja
Eine ungewöhnliche Baustelle. Und das liegt nicht nur am vorherrschenden Hindi und an den raschelnden Palmen im Hintergrund. Nein, es ist still und friedlich hier, die Bauarbeiten gehen mit tropischer Langsamkeit über die Bühne, und die Handwerker knien in yogaähnlichen Posen auf dem Boden und sägen, schleifen, schweißen gemächlich vor sich hin. Ab und zu rennt ein Köter durchs Bild und bellt die Bohrmaschine an.

Das indische Architekturbüro Studio Mumbai wurde 1996 gegründet. Im Gegensatz zum typischen Architekturbüro jedoch besteht es zum größten Teil aus Baumeistern, Steinmetzen, Tischlern, Schlossern, Malern, Zimmermännern und diversen anderen Experten für diverses anderes Zeug. Hier geht es nicht um die trockene Materie des Plänezeichnens, hier regiert die Wirklichkeit.

„Früher, in England und in den USA, da war ich ganz normaler Architekt, so wie viele andere auch“, sagt Bijoy Jain. Der 46-Jährige ist Gründer und Chef des eigenwilligen Ateliers unter Palmen. „Doch den Großteil meiner Arbeitszeit habe ich damit verbracht, auf die Baustelle zu fahren und dort die Dinge wieder ins Reine zu bringen. Die meisten Handwerker können keine Pläne lesen, jeder macht, wie er es kann, und jeder macht, was er will. Das ist frustrierend.“

Frust kann mobilisieren. Zurück in Indien, scharte Jain die besten Handwerker des Landes um sich und gründete eine Kooperative, die heute - 15 Jahre später - zu den größten und ungewöhnlichsten Konstellationen dieser Art weltweit zählt. Auf der Architektur-Biennale 2010 in Venedig wurde Studio Mumbai mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Und nun widmen ihm das Vorarlberger Architekturinstitut (VAI) in Dornbirn und das Sitterwerk in St. Gallen sogar eine Doppelausstellung.

„Studio Mumbai ist ein Phänomen“, sagt Wolfgang Fiel, Kurator der Ausstellung im VAI. „Es ist nicht nur eine Gegenbewegung zum immer stärker werdenden Turbokapitalismus in Indien, es ist auch ein Zurückbesinnen auf die kulturellen Wurzeln in diesem Land und nicht zuletzt auf die vorhandenen Ressourcen.“

Traumjob Tischler, so wie Jesus

In einem Land, in dem für gewöhnlich innerhalb weniger Monate ganze Bauwerke aus dem Erdboden gestampft werden, erscheint die Herangehensweise von Studio Mumbai anachronistisch und luxuriös. „Studio Mumbai arbeitet in einer Geschwindigkeit, die uns heute abhandengekommen ist“, so Fiel. „Aber dafür werden Fertigungstechniken aufrechterhalten, die schon seit Jahrhunderten überliefert sind und die sonst wahrscheinlich verlorengehen würden. Das ist ein wertvoller Beitrag.“

Zurück auf die Baustelle. Rohstoffe und Werkzeuge liegen wie in einem Open-Air-Labor fein säuberlich und schön geschlichtet auf riesigen Tischen bereit. Jean Marc Moréno schnappt sich ein paar Blechteile und verschwindet damit in den Schatten, um sie in die richtige Form zu hämmern. Er ist einer der Dachdecker und Spengler im Büro. „Eigentlich wollte ich Tischler werden, so wie Jesus, Sohn Gottes“, erklärt er vor laufender Kamera. „Aber dann habe ich keinen Job gefunden. Also bin ich Dachdecker geworden.“

Die meisten Studio-Mumbai-Mitarbeiter sind schon seit einer Ewigkeit dabei. So auch Dattrey Datao Dhar Shinde. „Ich bin der Fachmann für schwierige und komplizierte Dinge“, sagt der gelernte Steinmetz. „Meine Familie hat immer schon mit Stein gearbeitet. Sie hat die Statuen der meisten Tempel hier in dieser Gegend gemeißelt.“

Und Pandurang Sitaram Gharat, Baumeister und Experte für indische Steinmalerei, ist froh, dass er nicht mehr als Taglöhner arbeiten muss. „Früher bin ich jeden Tag mit dem Rad durch die Gegend gefahren und habe Jobs gesucht. Jetzt habe ich endlich einen fixen Arbeitsplatz.“

Studio Mumbai ist in der Zwischenzeit zu einem mittelgroßen Unternehmen herangewachsen. 120 Mitarbeiter gibt es insgesamt, und das Büro wird größer und größer. Das Know-how der Leute hat sich im Land längst herumgesprochen. Immer wieder versuchen Baufirmen und Handwerksunternehmen, mit den hochqualifizierten Handwerkern des Studio Mumbai Kontakt aufzunehmen und sie abzuwerben. Mit geringem Erfolg. Die meisten bleiben ihrer Arbeit treu.

Monatelang arbeiten sie im Studio, suchen die richtigen Hölzer aus, mischen die kräftigsten Farben, schmieden Türknäufe und Fenstergriffe zu wohlgeformten Artefakten, die nicht nur schön anzusehen sind, sondern auch satt und geschmeidig in der Hand liegen. Immer wieder ist in der Architektur von Haptik und Sinnlichkeit die Rede. Hier kriegt man eine Idee davon, was das heißt.

Es dauert, so lange es dauert

Wie viel Zeit der Bau eines Hauses benötigt, lässt sich nur schwer vorhersagen. „Ich lasse mich auf keine Deadlines ein“, sagt Bijoy Jain zum STANDARD. „Es dauert, so lange es halt dauert. Meine Kunden wissen das, und jeder, mit dem wir zusammenarbeiten, ist mit diesen Spielregeln von Anfang an einverstanden. Die Qualität ist mir wichtiger als die Tatsache, ob das Haus ein paar Monate früher oder später fertig wird.“

Nicht nur der Zeitplan, auch das genaue Aussehen ergibt sich erst im Laufe der Zeit. Jain: "Ja klar, es gibt Skizzen und eine grobe Idee davon, wie das Haus später aussehen wird. Aber im Großen und Ganzen entsteht die konkrete Form, entstehen die konkreten Materialien und Details im Dialog mit den Handwerkern. Es ist „learning by doing“. Jeder bringt sich auf seine Weise ins Projekt ein. Die Summe all dieser Ressourcen führt schließlich zum fertigen Haus."

Zu den bisher realisierten Projekten zählen Einfamilienhäuser, sommerliche Landsitze und kleine, luxuriöse Urlaubsressorts. Die Häuser sind mit behutsamer Kenntnis der Landschaft und des Klimas gebaut. Aber auch mit viel Liebe. Und das ist ausnahmsweise nicht gelogen.

Die Handwerker kennen jeden Knoten, jede Schraube, jede Verästelung im Holz. Oder, wie Bijoy Jain dies ausdrückt: „Ich bin stolz zu behaupten, dass wir mit unseren Emotionen bauen. Aber ich gebe zu: Solche Projekte kann man nur machen, wenn man keinen ökonomischen Druck verspürt.“

Noch richten sich die Gebäude an eine ausgesuchte, exklusive Klientel. Doch schon bald soll das Phänomen Studio Mumbai auf die breite Bevölkerung überschwappen. Bijoy Jains Plan ist so ungewöhnlich wie selbstlos: Mitten in der Millionenmetropole Mumbai will er eine Art Mehrfamilien-Musterhaus mit sehr einfachen, aber cleveren baulichen Elementen errichten.

Aus der nachahmungsorientierten Kultur der Inder heraus erhofft sich Jain eine unaufhaltsame Welle schamloser Plagiate. „Ich bin Optimist. Und ich hoffe, dass wir auf diese Weise die traditionelle Baukultur Indiens retten können.“

Am Donnerstag, den 14. Juli, hält Bijoy Jain in Dornbirn einen Vortrag. Inatura, Jahngasse 9, 6850 Dornbirn. 20 Uhr.

Die Ausstellung „Studio Mumbai“ im Sitterwerk ist bis 28. August zu sehen. Sitterwerk, St. Gallen. pwww.sitterwerk.ch

Die Ausstellung „Studio Mumbai“ im VAI ist bis 1. Oktober zu sehen. Vorarlberger Architekturinstitut, Dornbirn.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at