Veranstaltung

Oskar Strnad 1879-1935
Ausstellung
28. März 2007 bis 24. Juni 2007
Jüdisches Museum Wien
Dorotheergasse 11
A-1010 Wien


Jüdisches Museum Wien
Eröffnung: Dienstag, 27. März 2007, 19:00 Uhr

Ein Außen ohne Pathos

Architekt, Bühnenraum-, Ausstellungs- und Möbelgestalter, genialer Zeichner, Kulturkritiker, Humanist: Oskar Strnad. Eine Erinnerung.

14. April 2007 - Judith Eiblmayr
Das Werk Oskar Strnads ist von einer Diversivität geprägt, die dem geläufigen Architektenbild des frühen zwanzigsten Jahrhunderts als Universaldenker entsprach, jedoch selten von einer einzigen Person in dieser Form geleistet werden konnte: Er war Architekt, Bühnenraum-, Ausstellungs- und Möbelgestalter, genialer Handzeichner, Kulturkritiker und großer Humanist und nicht zuletzt dadurch ein bewunderter Lehrer. Im Spannungsfeld zwischen Kunstgewerbeschule, Theaterhäusern und Museen geriet er zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Wiener Kunstszene vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Das Arbeiten sei für ihn innere Forderung, Freude und Leidenschaft, meinte er, eine schöpferische Haltung, die wohl seine legendäre Ausstrahlung bewirkte.

Oskar Strnad wurde 1879 in Wien als eines von sieben Kindern jüdischer Eltern geboren. Da sein Vater Gutsverwalter war, verbrachte er seine Kindheit auf dem Land und kam erst als Jugendlicher in die Stadt zurück. Bereits als kleines Kind war er durch eine hohe Auffassungsgabe und ein außerordentliches Zeichentalent aufgefallen; er liebte das Lebendige und die Landschaft, was er dann auch in Naturstudien festhalten konnte. Er studierte Architektur an der Technischen Hochschule in Wien bei Carl König, Max von Ferstel und Karl Mayreder, schloss mit einem Doktorat ab und fand sich bald im Kreis von genauso begeisterungsfähigen Kollegen wieder.

Zwischen 1908 und 1918 entwickelte er gemeinsam mit Josef Frank und Oskar Wlach eine gegen das repräsentative Pathos des Historismus gerichtete neue Herangehensweise bei der Innenraumgestaltung, die die Grundlage für eine eigenständige Wiener Wohnkultur in den Zwanzigerjahren bildete. Während sich andere Vertreter der Wiener Werkstätte, wie Josef Hoffmann bei ihren als Gesamtkunstwerk in der Ornamentik des Jugendstils angelegten Interieurs abmühten, hielt Strnad 1914 in einem Vortrag ein Plädoyer für weiß gekalkte Wände und eine lockere Möblierung im Sinne einer weniger streng determinierten Nutzung der Wohnräume. Er versuchte den Wohnräumen das Statische zu nehmen und über ein „leichtfüßiges“ Mobiliar und die Möglichkeit der Raumteilung durch Vorhänge Dynamik und Flexibilität im Raum zu erzeugen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits seine zwei architektonischen Hauptwerke, in Kooperation mit Oskar Wlach, errichtet: 1912 das Haus Hock und 1914 das Haus Wassermann, beide in Wien Döbling. Die Fertigstellung des Hauses Hock war fast zeitgleich mit Adolf Loos' Haus am Michaelerplatz von einem ähnlichen, allerdings nicht öffentlichen Skandal begleitet: Die Behörde wollte aus ästhetischen Gründen den Bauherrn die Benützungsbewilligung verweigern und konnte erst durch Androhung von Schadensersatzansprüchen umgestimmt werden. Oskar Strnad redete einer emotionalen Architekturauffassung das Wort, die vor allem im Inneren der Häuser ausgespielt werden sollte, von außen präsentieren sich beide schlicht mit subtil platzierten klassizistischen Elementen und von zeitloser Eleganz.

Seine wichtigste Rolle für die österreichische Architekturgeschichte kam ihm zweifellos als Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Wien zu. Ab 1909 unterrichtete er das Fach Allgemeine Formenlehre, sein Charisma und sein didaktisches Talent begründeten rasch die Strnad-Schule, durch die viele österreichische Architekten gegangen sind. Nicht nur Männer, auch eine der ersten österreichischen Architektinnen, Grete Schütte-Lihotzky wurde durch Oskar Strnad, der bei der Formfindung die Studenten soziales und analytisches Denken lehrte, stark geprägt. Bis an ihr Lebensende schwärmte sie von seinem sozialen Anspruch an die Architektur, seinem Humor und der künstlerischen Sensibilität. Auch Erich Boltenstern, sein langjähriger Assistent, bezeichnete die Zeit bei Strnad als eine der reichsten Perioden seines Lebens.

Nach dem Krieg, als es schwierig war, weitere Bauaufträge zu erhalten, folgte Strnad einer Einladung ans Volkstheater und arbeitete fortan regelmäßig für Theater- und Operninszenierungen. Sein Temperament hatte ihn quasi zum Theater getrieben, das ein Ventil für seine überschäumende Fantasie bot. Sein komplexes räumliches Denken schuf Szenarien, die jeden Winkel des Bühnenraumes „mitspielen“ ließen und vom Publikum begeistert aufgenommen wurden. Schnell wurde er an die Oper und über Max Reinhardt ab Mitte der Zwanzigerjahre auch zu den Salzburger Festspielen geholt. Aber Oskar Strnad entwarf nicht nur Bühnenräume, deren Kurzlebigkeit im Vergleich zur Architektur ihn frustrierte, sondern auch experimentelle Konzepte für Theaterbauten. Der Entwurf eines Ringtheaters, wo sich die Bühne um die Zuschauer dreht, beschäftigte ihn mehrere Jahre lang, wurde 1920 umfassend publiziert, die Realisierung aber leider nie in Aussicht gestellt.

Strnads Schaffensdrang zeigt sich in den vielen Beiträgen für Wettbewerbe, an denen er neben seiner Theaterarbeit bis in die Dreißigerjahre teilnahm. Sein Doppelhaus in der Wiener Werkbundsiedlung von 1932 bleibt eines der letzten vor seinem Tod fertiggestellten, jedoch nicht erhaltenen Bauwerke. Oskar Strnad starb 1935, ein Jahr, nachdem sein Weggefährte Josef Frank nach Schweden emigriert war und mit den Ideen der gemeinsam erarbeiteten Wiener Wohnkultur einen wesentlichen Einfluss auf das skandinavische Möbeldesign ausübte. Aber er starb früh genug, um den Niedergang seiner humanistischen Werte in Wien nicht mehr erleben zu müssen.

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