Zeitschrift

Zuschnitt 40
Holz und Stahl
Zuschnitt 40
zur Zeitschrift: zuschnitt

Ikonen kalifornischer Moderne

undogmatisch gemischt

In Architektur- und Designkreisen weltbekannt ist das Wohn- und Atelierhaus, das Charles und Ray Eames 1949 für sich bei Santa Monica errichteten. Weniger bekannt ist, dass der aus Standard-Stahlelementen gefügte, mit farbigen Paneelen und Glas ausgefachte Bau Teil einer ehrgeizigen lebensreformerischen Initiative war.

15. Dezember 2010 - Otto Kapfinger
Dieses „Case Study House Program“ hatte John Entenza, der Herausgeber des damals in den usa führenden Magazins Arts &  Architecture, 1945 in Los Angeles gestartet, und die 25 in zwei Jahrzehnten errichteten, von verschiedenen Architekten geplanten Privathäuser gelten heute als wichtigster Beitrag Südkaliforniens zur Nachkriegsarchitektur. Noch weniger weiß man, dass diese Aktion nicht nur den industriellen Stahlbau im Einfamilienhaus propagierte – wie es das Eames-House (csh Nr. 8) oder der durch die Fotos von Julius Shulman später berühmt gewordene, über den Hollywood Hills auskragende Bungalow von Pierre Koenig (csh Nr. 22) suggerierten. Die ersten realisierten Häuser der Reihe waren aus Holz, es folgte eine mittlere Phase, in der Stahlkonstruktionen forciert wurden und parallel dazu interessante Mischungen mit Holztechnologien entstanden, und eine späte Phase mit einer breiteren Palette an Materialien.

Entenzas Impuls entsprang der Aufbruchstimmung zu Kriegsende. Er wollte dem Wohnungsbedarf angesichts Millionen heimkehrender Soldaten begegnen und Alternativen zum alten Eklektizismus, zum typischen Holzhaus aus simplem „balloon frame“ aufzeigen, imaginierte die technisch avancierte Vorfertigung von Einfamilienhäusern, propagierte offene Grundrisse sowie technische und funktionale Innovationen für Haushalte ohne Personal. Entenza wählte die Architekten aus und legte fest, welche Projekte ins Programm aufgenommen, in Arts & Architecture publiziert wurden sowie vor dem Bezug öffentlich zu besichtigen waren. Als Gegenleistungen für Inserate und Publizität agierten ausführende Firmen als Sponsoren. Insgesamt konnten damals über 360.000 Besucher die mit modernsten Küchen, Möbeln und Gartengestaltungen versehenen Musterhäuser besichtigen.

Versuche in diese Richtung hatten im Raum von Los Angeles in den 1920er und 1930er Jahren Irving Gill, Rudolph Schindler, Richard Neutra, Gregory Ain und andere unternommen. Ihre Visionen in Stahl oder Beton wurden durch die Depression nach dem Börsenkrach und die restriktive Kriegswirtschaft abrupt gestoppt. Schindler und Neutra benutzten ab 1930 wieder vorwiegend Holz, Sperrholz, Ziegel.

Nach Charles und Ray Eames (und Eero Saarinen) war es zunächst Raphael Soriano, der bei den Case Studies Stahlkonstruktionen einführte: 1950 in Pacific Palisades ein Primärskelett aus schwarzen Rundrohren, Balken aus i-Trägern, Stahlblechdach und Betonboden; als Sekundärstruktur für die Wände raumhohe Lattenreihen im üblichen „balloon frame“, im Schlafzimmer innen mit dunklen Hartfaserplatten und im Wohnraum mit Holzplatten aus Korina, einem tropischen Holz, getäfelt.

Es war dann der als Ingenieur ausgebildete Craig Ellwood, der Stahl und Holz zu faszinierenden, japanisch leichten Paneel-Bauten kombinierte (csh Nr. 16, 17, 18), indem er als Stützen 5-mal-5-cm-, als Hauptträger 5-mal-14-cm-Stahlhohlprofile benutzte, im Dach dazwischen Holzbalken für verputzte Deckenuntersichten einsetzte, für die massiven Wandteile aber vorgefertigte Holztafeln aus imprägniertem Douglastannensperrholz verwendete. Im Gegensatz dazu war Neutras viel beachtetes Case Study House Nr. 20 ein reiner Holzrahmenbau mit vorgefertigtem Installationskern.

Sehr interessant war auch Case Study House Nr. 20 von Buff, Straub & Hensman – ein leichter, lichter Holzbau mit hohlen Deckenbalken aus Sperrholz und tonnengewölbten Dachelementen. Die gedämmten Sandwichplatten, die sich aus zwei Schichten Douglastannensperrholz zusammensetzen, wurden in Modulen gebogen und unter Druck verleimt. Wärmedämmungen, Kältebrücken, Taupunkte etc. spielten und spielen im „Sunshine-State“ kaum eine Rolle.

Die Konzepte industrieller Einfamilienhaus-Stahlbausysteme – bei diesen Musterhäusern stets aufwendig handwerklich „gebastelt“ – waren mit dem Alltag der Bauwirtschaft und den Vorlieben der Klienten letztlich nicht kompatibel. Die Aktion endete in den 1960er Jahren, hatte mehr informelle als konkrete Wirkung. Manche Bauten wurden später stark verändert, manche abgebrochen; erst Ende der 1980er Jahre kam die „Wiederentdeckung“, einzelne Highlights notieren seither mit Rekordpreisen am Immobilienmarkt.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: zuschnitt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Kurt Zweifelzweifel[at]proholz.at

Tools: