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db 11|2013
Schwarz
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Reflektierende Black Box

Umbau eines Pförtnerhauses in Arnheim (NL)

Im Arnheimer Industriepark Kleefse Waard hat das vorhandene Empfangsgebäude ein komplett neues Gesicht erhalten. Der scharfkantige Quader des Amsterdamer Büros NL Architects kontrastiert ein konsequent transparentes EG überraschend und zeichenhaft mit einem schwarzen Aufbau, der gerichtetes Licht bei Dunkelheit effektvoll reflektiert.

11. November 2013 - Robert Uhde
Die Bauaufgabe »Pförtnerhaus« findet gemeinhin wenig Beachtung. Schade eigentlich, denn an ihr lassen sich wie unter einem Brennglas unterschiedliche gestalterische Tendenzen zum jeweiligen Entstehungszeitpunkt festmachen. Eine ziemlich ungewöhnliche Umsetzung des Themas hat jetzt das Amsterdamer Büro NL Architects für den Industriepark Kleefse Waard IPKW im niederländischen Arnheim vorgestellt. Das im Südosten der Stadt in unmittelbarer Nähe zu einem Rheinarm schon in den 20er Jahren angelegte Terrain beherbergt auf einer Fläche von 90 ha rund 35 Unternehmen, die meisten davon aus den Bereichen Technologie und Forschung.

Um den hohen Sicherheitsanforderungen der vor Ort ansässigen Firmen zu entsprechen, ist der nach Süden und Westen durch zwei Hafenbecken begrenzte Industriepark vollständig umzäunt und wird an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr bewacht. Am nordwestlichen Rand des Areals steht seit den 70er Jahren ein zweigeschossiges Pförtnerhaus, an dem sich Mitarbeiter, Besucher und Zulieferer zunächst registrieren lassen müssen, bevor sie das Gelände – die beiden letzteren nur in Begleitung – betreten dürfen. Nach rund vierzigjähriger Nutzung entsprach der Altbau jedoch nicht mehr den gestiegenen logistischen und repräsentativen Anforderungen der Betreiber. Um eine schnellere Erschließung zu ermöglichen, sollte insbesondere Platz für eine zweite Zufahrtsspur geschaffen werden. Aufgrund der begrenzten Fläche war deshalb zunächst geplant, ein komplett neues Rezeptionsgebäude neben der Straße zu errichten. »Allerdings beherbergte das bestehende Pörtnerhaus die Verteilerzentrale für sämtliche Datenleitungen innerhalb des Industrieparks, sodass es sich letztlich als beinahe unmöglich erwies, das Gebäude abzubrechen, ohne dabei den ganzen Betrieb lahmzulegen«, so Projektarchitekt Guus Peters.

Zeichenhafter Empfang

Als Alternative schlugen die mit der Planung direkt beauftragten Architekten vor, den vorhandenen technischen Kern des Altbaus zu erhalten, aber durch eine elegant detaillierte neue Hülle mit leicht geänderten Proportionen einzufassen; in Richtung Westen sollte das Volumen dazu leicht beschnitten, an den anderen drei Seiten um rund 1,5 m vergrößert werden. Ausgehend von dieser Grundidee wurde die deutlich in die Jahre gekommene Bekleidung aus blau beschichteten Spanplatten komplett abgebrochen und durch eine Hülle mit gänzlich veränderter, betont zeichenhafter Ausstrahlung ersetzt, die sich wohltuend vom zweckbetonten Charakter des Standorts abhebt. Dem umlaufend raumhoch verglasten EG wurde dabei ein tief schwarzes und komplett geschlossenes Geschoss »aufgebürdet«, das trotz seiner optisch wirksamen dunklen Schwere gleichsam über der Erde zu schweben scheint und so auf Anhieb neugierige Blicke von Passanten und Nutzern auf sich zieht; ganz so, als hätten die Architekten sämtliche physikalischen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt.

Im EG des nachhaltig transformierten Gebäudes haben die Planer als notwendige Einbauten lediglich eine verglaste Rezeption sowie ein kleines, vollständig geschlossenes Volumen mit Büro und Besucher-WC eingefügt. Außerdem wurde neben der Rezeption ein kleiner Wartebereich mit Kaffeeautomat und Schließfächern integriert. Ansonsten wurde der Raum so transparent wie möglich gehalten, um dem Wachdienst anders als früher einen guten Überblick über die Eingangssituation zu verschaffen. Aus dem gleichen Grund ist die Rezeption leicht erhöht auf einem Sockel platziert. Um dennoch eine ausreichende Stehhöhe und außerdem eine optimierte Beleuchtung zu erreichen, findet sich oberhalb der Arbeitsfläche statt der sonst verwendeten abgehängten Deckenelemente aus Aluminium eine rund 20 cm höher angeordnete großformatige Lichtdecke. Im Zusammenspiel mit den transparenten Fassaden wird die Präsenz des Pförtners durch diese Illumination zusätzlich betont. Die acht Stahlstützen im Raum nehmen dagegen zusammen mit den massiv gemauerten, im Zuge des Umbaus leicht veränderten Wandscheiben des Büros die statischen Lasten des OGs auf, das als Black Box die gesamte Schaltzentrale birgt.

Leuchtender Dialog

Ebenso ungewöhnlich wie das Bild der beiden kontrastierenden Geschosse präsentiert sich auch die Materialwahl für die Fassadenhaut des OGs: Um die vom Bauherrn gewünschte »Interaktion des Gebäudes mit den Besuchern« zu ermöglichen, griffen NL Architects dabei auf eine retroreflektierende schwarze Folie zurück. Sie ist in der Lage, einfallendes weitgehend gerichtetes Licht zur Strahlungsquelle zurückzuwerfen, ein Funktionsprinzip, das vorrangig an Oberflächen im Straßenverkehr und bei der Radartechnik eingesetzt wird. Folienbespannte Sandwich-Elemente aus Aluminium wurden auf einer gedämmten Stahlkonstruktion, die den gewünschten Abstand zu den massiven OG-Wänden schafft, montiert. Das gewählte schlanke Format der 4 mm dicken Platten von 4,30 x 1,20 m sorgt dabei für eine elegante Untergliederung der Fassaden.

Um die entstehenden Lichteffekte vorab zu simulieren und anzupassen, nutzten die Architekten die Attrappe eines Fahrzeugcockpits inklusive Beleuchtung. Der schließlich erreichte Effekt ist verblüffend: Denn während das OG am Tag als rätselhaft mattschwarze Box erscheint, in der sich die Umgebung schemenhaft spiegelt, beginnt es bei Nacht und während der Dämmerung bei Kunstlichteinstrahlung in Richtung der Lichtquelle hell zu reflektieren. Je nach Farbtemperatur der Lichtquelle ergeben sich dabei ganz unterschiedliche Farbtöne. Bei Sonnenunter- oder -aufgang verwandelt sich die schwarze Hülle fast schon in eine goldene Oberfläche. Verstärkt wird der Effekt dadurch, dass die Zufahrt zum Industriepark leicht ansteigt und so das Scheinwerferlicht der ankommenden Fahrzeuge direkt auf das OG trifft. Der Bau, der sich tagsüber durch seine schwarze, schwebende Eigenständigkeit abhebt, mutiert so abends zum rätselhaften Lichtobjekt, das direkt und unmittelbar eine interaktive Verbindung zur Lichtquelle und zum Betrachter schafft. Ein überraschendes Erlebnis, das die Ein- und Ausfahrt für die Besucher und Mitarbeiter des Industrieparks zur spannenden Passage werden lässt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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