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Architekturzentrum Wien
Wien (A)

Vom AzW zum AmÖ?

Das Architekturzentrum Wien präsentiert Teile seiner Archivbestände in einer Ausstellung: „Das Gold des AzW“ – ein starkes Argument für ein österreichisches Architekturmuseum.

23. März 2013 - Franziska Leeb
Kennen Sie Rolf Geyling? In Wien plante der aus einer Glasmalerfamilie stammende Wagner-Schüler Remisen und Wartehallen für die Städtischen Verkehrsbetriebe, gründete danach eine Fertigteilfabrik in Bukarest. 1920 floh er aus russischer Kriegsgefangenschaft nach China, wo er zu einem der „wichtigsten Vertreter der europäischen modernen Architektur in der 1.Hälfte des 20. Jahrhunderts“ wurde. Quelle: das online frei verfügbare Architektenlexikon des Architekturzentrum Wien (AzW). Exzellent recherchiert entwickelte es sich seit 2005 zum wichtigsten Nachschlagewerk über die österreichischen Architekten aus der Zeit zwischen 1770 und 1945. Viel darin enthaltenes Detailwissen wird gespeist aus den Nachlässen, die das AzW sammelt, archiviert und aufarbeitet. Zusammen mit Vorlässen noch lebender Architekten, dem Achleitner-Archiv und über die Jahre zusammengetragenen Einzelobjekten bilden sie die Sammlung des AzW. Mangels entsprechender Möglichkeiten in Wien lagern Tausende Pläne, Zeichnungen, Modelle und Dokumente aus über 50 Vor- und Nachlässen in Möllersdorf.

Zum 20-jährigen Bestandsjubiläum der Institution wird ein Teil der Schätze nun erstmals der Öffentlichkeit unter dem Titel „Das Gold des AzW“ in einer Ausstellung präsentiert. Selbst für Zeitgenossen, die über die wissenschaftliche Arbeit des AzW informiert sind, tun sich bislang ungeahnte Weiten eines kulturhistorischen Universums auf. „Etwas vollmundig“ nennt die Architekturplattform baunetz.de den Ausstellungstitel, wohl ohne sich um tieferen Einblick bemüht zu haben. Denn auch wenn man sich im AzW nicht an Glanz und materiellem Wert von Schaustücken aus Edelmetall delektieren kann, macht die Ausstellung erstmals physisch spürbar deutlich, wie hochkarätig die Sammlung und wie umfassend und ambitioniert die wissenschaftliche Arbeit seiner Mitarbeiter ist.

Das Team der BWM-Architekten zeichnet für die Gestaltung der Schau verantwortlich, die ihre Aufmerksamkeit nicht nur auf die Exponate, sondern auch auf den Vorgang des Sammelns und Archivierens lenkt. Ein Archiv ist mehr als die Summe der Objekte, so der federführende Ausstellungsgestalter Johann Moser, und deshalb war es BWM wichtig, auch die Arbeit, die dahintersteckt, vorzustellen. Monika Platzer, Sammlungsleiterin, und mit Sonja Pisarik, Katrin Stingl und Ute Waditschatka eine der Kuratorinnen der Ausstellung, weiß von abenteuerlichen Rettungsaktionen zu berichten: etwa als man in letzter Minute, als schon die Bagger den Abriss der „Stadt des Kindes“ vorbereiteten, die Fotografin Pez Hejduk losschickte, das Baudenkmal fotografisch zu dokumentieren, und das Team des AzW noch Einrichtungsgegenstände rettete. Oder von Nachlassübernahmen, die mit Schutzkleidung ausgerüstet vonstatten gingen, um sich vor den Schimmelpilzen zu schützen, der sich über Jahrzehnte zwischen Plandokumenten ausgebreitet hatte.

Ein großes Metallregal, das fast die gesamte Länge der Alten Halle des AzW einnimmt, wurde an einer Seite in Form abstrahierter Archivschränke gestaltet, die einen Überblick über die Sammlungsbestände geben. In Auszügen und Laden werden mittels Videos, Fotos und Einzelobjekten einige besonders eindrucksvolle Akquisitionshistorien erzählt. An der Rückseite werden thematisch gegliedert und in Petersburger Hängung Zeichnungen, Pläne und Modelle aus der Sammlung präsentiert. Die Objekte unterschiedlicher Autoren beginnen miteinander zu kommunizieren, liefern Parallelen und Querverweise und eine Übersicht über die Fülle der Sammlung.

Die gelieferten Impressionen und Informationen sollten genügen, um zu verstehen, warum das AzW schleunigst mit mehr Raum und mehr Geld ausgestattet werden muss, um seinem Selbstverständnis als nationalem Architekturmuseum nachzukommen. An keinem anderen Ort wird mit dieser Expertise und in diesem Ausmaß zur Architektur des 20. Jahrhunderts gearbeitet. Architekturvermittlung ist seit etlichen Jahren in aller Munde. Es lässt sich aber nur vermitteln, was man weiß. Neben dem Ausstellungs-, Vortrags, Exkursions- und Diskussionsprogramm hat das AzW in den vergangenen Jahren an die 500 Workshops für Kinder, Jugendliche und Erwachsene in seinen Räumlichkeiten abgehalten. Diese nicht hoch genug zu schätzende Arbeit stand bisher mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit als das, was im Hintergrund geschah und von vielleicht noch eminenterer Bedeutung für das baukulturelle Wissen und Gewissen unseres Landes ist.

Um die Sammlung öffentlich zugänglich zu machen, fordert das AzW seit Jahren neue Räumlichkeiten und mehr Budget. Die Begehrlichkeiten nach dem derzeit von der Akademie der bildenden Künste genutzten Semperdepot sind bekannt – solange die Akademie nicht ausziehen will, aber fern der Erfüllung. AzW-Geschäftsführerin Karin Lux beziffert den Raumbedarf mit rund 9.000 Quadratmetern und das notwendige Programmbudget mit 5,5 bis 6,5 Millionen Euro. Vom derzeitigen, seit 2001 stagnierenden Gesamtbudget von 2,8 Millionen kommen 1,45 Millionen Euro von der Stadt Wien und beschämende 360.000 vom Bund.

An eine Aufarbeitung, Präsentation und Publikation der Nach- und Vorlässe, etwa von Raimund Abraham, Wilhelm Holzbauer, Josef Lackner, Eva und Karl Mang, Anton Schweighofer, Heinz Tesar, Rudolf Wäger, Traude und Wolfgang Windbrechtinger oder dem Architekturpublizisten Walter Zschokke, ist dabei nicht zu denken. Monika Platzer träumt neben mehr Raum und Geld auch von Stipendien, die Wissenschaftlern aus dem Ausland die Arbeit zur österreichischen Architektur überhaupt ermöglichen. Denn erst, wenn ein Werk wissenschaftlich untersucht ist und publiziert wurde, hat es eine Chance auf Wertschätzung. Diese ist für die Architektur nach Otto Wagner hierzulande unterentwickelt. Möge die Gold-Schau mit ihrem Begleitprogramm dazu beitragen, dass diese Schätze irgendwann dauerhaft adäquat präsentiert werden können. Es wäre kein Schaden für Stadt und Republik, wenn das AzW nach 20 Jahren zum AmW oder gar zum AmÖ, einem Architekturmuseum Österreichs, mutierte.

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Architekturzentrum Wien , Foto: Lisa Rastl