Akteur

Markus Pernthaler
Graz (A)

Ich möch­te das Woh­nen in mei­nen Hän­den spü­ren

Wohngespräch

Der Gra­zer Ar­chi­tekt Mar­kus Pernt­ha­ler wohnt in ei­nem selbst­ge­plan­ten Wohn- und Bü­ro­haus, das vie­le als smart be­zeich­nen. Doch die wah­re Smart­ness, sagt er, liegt nicht in der Elek­tro­nik, son­dern im täg­li­chen Le­ben.

22. Oktober 2016 - Wojciech Czaja
Mar­kus Pernt­ha­ler, ge­bo­ren 1958 in Ju­den­burg, stu­dier­te Ar­chi­tek­tur in Graz und To­kio. Seit 1990 lei­tet er ein Gra­zer Ar­chi­tek­tur­bü­ro. Von 1987 bis 1990 war er Vor­stand des HDA Haus der Ar­chi­tek­tur Graz, von 1996 bis 1999 Prä­si­dent der Zen­tral­ver­ei­ni­gung der Ar­chi­tek­ten Ös­ter­reichs, Lan­des­ver­band Stei­er­mark. Das Wohn- und Bü­ro­haus Ron­do stell­te er 2007 fer­tig. Ak­tu­ell baut er u. a. den Gra­zer Scien­ce-To­wer, der An­fang 2017 fer­tig wird. p www.pernt­ha­ler.at

Ich fin­de den Be­griff Smart Li­ving in­te­res­sant, aber am­bi­va­lent. Es hat für mich da­mit zu tun, wo ich woh­ne, wie die In­fras­truk­tur aus­schaut, wie der öf­fent­li­che Ver­kehr be­schaf­fen ist und wie leicht die Ein­rich­tun­gen des täg­li­chen Be­darfs er­reich­bar sind. Die meis­ten Men­schen – und auch die Me­dien – set­zen Smart Li­ving mit di­gi­ta­len Tech­no­lo­gien und elek­tro­ni­schen Spie­le­rei­en gleich. So ge­se­hen woh­ne ich gar nicht smart, ob­wohl ich per­sön­lich das schon fin­de.

Frü­her ha­be ich mit mei­ner Fa­mi­lie in St. Pe­ter ge­wohnt. Un­se­re Kin­der wa­ren klein, und die Um­ge­bung war grün. Es war die rich­ti­ge Ent­schei­dung. Doch das stän­di­ge Pen­deln ins Ar­chi­tek­tur­bü­ro ist mir zu­neh­mend auf die Ner­ven ge­gan­gen. Al­so ha­be ich nach ei­nem Ort ge­sucht, wo ich zu­gleich woh­nen und ar­bei­ten kann. Am Mühl­gang ha­ben wir das pas­sen­de Grund­stück ge­fun­den.

Mit dem Wohn- und Bü­ro­haus Ron­do, das wir an­stel­le ei­ner al­ten Müh­le er­rich­tet ha­ben, ist ein Pass­iv­haus mit Er­dre­gis­tern zum Hei­zen und Küh­len so­wie ei­ner So­la­ran­la­ge am Dach und an der Fass­ade ent­stan­den. Im Erd­ge­schoß ist mein Bü­ro, im sech­sten Stock be­fin­det sich un­se­re 140 m² gro­ße Woh­nung. Doch das Wich­tigs­te ist: In fuß­läu­fi­ger Um­ge­bung ist al­les, was wir zum täg­li­chen Le­ben be­nö­ti­gen. Das ist für mich smart.

Die ein­zi­ge elek­tro­ni­sche Smart­ness, die wir nut­zen, ist ein BUS-Sys­tem, mit dem man Licht und Ja­lou­sien zen­tral steu­ern kann. Das fin­de ich prak­tisch. Dann muss ich nicht durch je­des Zim­mer ren­nen und je­den Schal­ter ein­zeln be­tä­ti­gen, wenn ich die Woh­nung ver­las­se oder die Son­ne in die Woh­nung knallt. Das war’s dann mit den elek­tro­ni­schen Gim­micks.

Das Haus wur­de 2007 fer­tig­ge­stellt. Es war ein er­ster Ver­such, mit ver­nünf­ti­gen Mit­teln ei­nen gut ak­zep­ta­blen Pass­iv­haus­stan­dard zu er­rei­chen, oh­ne da­bei Kopf­stän­de ma­chen zu müs­sen. Mitt­ler­wei­le ist die Ent­wi­cklung viel wei­ter. Es gibt Leu­te, die ih­ren Kühl­schrank von un­ter­wegs kon­trol­lie­ren, ih­re Wasch­ma­schi­ne übers Han­dy ein­schal­ten und die Espres­so­ma­schi­ne über ei­ne App ak­ti­vie­ren. Das fin­de ich eher ent­behr­lich. Es braucht dann doch den di­rek­ten Kon­takt, das hap­ti­sche Er­leb­nis, das Kli­cken des Schal­ters. Ich muss den Ge­gen­stand an­grei­fen kön­nen. Ich möch­te das Woh­nen in mei­nen Hän­den spü­ren.

Ich den­ke, da­raus er­klärt sich, wie wir woh­nen und ein­ge­rich­tet sind. Die Woh­nung ist schlicht und of­fen. Wir schau­en hin­aus auf den Volks­gar­ten und den Schloss­berg im Hin­ter­grund. An der Ein­rich­tung zeigt sich die Her­kunft mei­ner Frau Su­san­na Ah­vo­nen. Sie stammt aus Finn­land und ist eben­falls Ar­chi­tek­tin. Und so um­ge­ben wir uns na­tür­lich mit Mö­beln von Al­var Aal­to, mit fin­ni­schen Ma­ri­mek­ko-Stof­fen, mit di­ver­sen De­signk­las­si­kern aus der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts.

Und ja, wir ha­ben auch ei­nen Ea­mes-Loun­ge-Chair. Das ge­hört wohl da­zu, wenn man sich ein Le­ben lang mit Ar­chi­tek­tur und De­sign, mit der Ge­schich­te des Mö­bel­baus, mit der Ge­stal­tung von Le­bens­räu­men be­schäf­tigt. Ich fin­de un­se­re Mö­bel schön. Ich fin­de sie prak­tisch. Und ich fin­de sie für uns sehr pas­send. Letz­tend­lich ist ja Ge­schmack nichts an­de­res als das Pro­dukt der ei­ge­nen Ge­schich­te.

Lie­blings­mö­bel ha­be ich nicht. Mein Lie­blings­stück ist im­mer das, was ich mir als Näch­stes vor­stel­le. Es gibt nichts Schö­ne­res als Vor­freu­de. Ak­tu­ell gilt sie ei­nem klei­nen Bild, das ich mit mei­ner Frau in ei­ner Ga­le­rie in Graz ent­deckt ha­be. Wir ge­nie­ßen die Vor­freu­de und wer­den da bald zu­schla­gen.

An­sons­ten ha­be ich kei­ne Wün­sche of­fen. Ich mag Graz, ich mag mein Le­ben, und un­se­re Be­dürf­nis­se sind mit die­ser Woh­nung gut ab­ge­deckt. Ich brau­che kein tol­les Haus am Meer. Schö­ne Si­tua­tio­nen muss man nicht not­wen­di­ger­wei­se be­sit­zen. Man kann sie auch als Gast, als Rei­sen­der ge­nie­ßen. Ich den­ke, das ver­ges­sen wir all­zu oft.

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