Akteur

Wilhelm Holzbauer
* 1930 Salzburg 2019 Wien

Der alte Mann und seine Feinde

Gestern, Freitag, feierte Wilhelm Holzbauer seinen 80. Geburtstag. Architekt zu sein, sagt er, das ist nicht gerade ein Job, in dem man sich Freunde macht. Schon gar nicht, seitdem die Plebejer am Werk sind.

4. September 2010 - Wojciech Czaja
Standard: Wie feiert ein Architekt seinen Achtziger?

Holzbauer: Bei meinem Siebziger, da hat meine Frau in der Albertina eine große Party organisiert. Und beim Fünfundsiebziger auch. Das war dann im gläsernen Saal im Musikverein. Aber jetzt, wo ich 80 bin, ist mir nicht wirklich zum Feiern zumute. Ein nettes Abendessen mit meinen Freunden, das reicht mir vollkommen. Und zwar in einer kleinen und beschaulichen Runde. Plinius hat einmal gesagt, die perfekte Anzahl der Freunde am Tisch, das ist mehr als die drei Grazien und weniger als die neun Musen.

Standard: Andere sind in dem Alter schon seit 15 Jahren in Pension. Denken Sie manchmal daran, sich zur Ruhe zu setzen?

Holzbauer: Ich wüsste nicht, wie Ruhe aussehen soll. Selbst wenn ich nichts zu tun habe, erwische ich mich dabei, wie ich dann anfange, ein Buch zu schreiben. Ja, eigentlich habe ich in letzter Zeit vor allem geschrieben.

Standard: Worum geht es in Ihrem Buch?

Holzbauer: Über den Aufstieg und Fall der Moderne in der Architektur.

Standard: Die ist doch schon vor Jahrzehnten gefallen!

Holzbauer: Ja, aber die Thematik ist immer noch aktuell.

Standard: Seit dem großen Rambazamba rund um das Haus für Mozart haben sich die Wogen wieder geglättet. Es ist stiller geworden um Sie.

Holzbauer: Ja, das stimmt. Es ist stiller geworden. Ich mache nicht mehr so viel wie früher. Das liegt daran, dass ich in den letzten Jahren nicht mehr zu den Aufgaben gekommen bin, die mich wirklich interessieren. Das letzte große Projekt war ein Konzerthaus für Konstanz. Wir haben den Wettbewerb gewonnen, aber dann gab es eine Abstimmung. Die Bevölkerung hat das Projekt bei 63 Prozent Wahlbeteiligung und 67 Prozent Gegenstimmen abgewählt.

Standard: Woran arbeiten Sie zurzeit?

Holzbauer: Wir planen viele Bürobauten. Das hat sich in den letzten Jahren so ergeben. Aber das mache ich nicht mehr selber, weil mich das nicht so interessiert. Ich leite die Projekte direkt an meine Mitarbeiter weiter. Lieber würde ich Musik- und Theaterbauten planen. In letzter Zeit bin ich auch im Thermenbereich tätig. Ich habe etwa die St. Martins Lodge im Seewinkel im Burgenland gebaut, zusammen mit meinen jungen Partnern. Das ist ein ganz schönes Projekt geworden. Und nicht zu vergessen ist die U1. Im Rahmen der AGU, der Architektengruppe U-Bahn, machen wir jetzt die neuen U-Bahn-Stationen auf der Südstrecke Richtung Rothneusiedl. Es ist ganz lustig, nach über 40 Jahren an das eigene Projekt wieder anzuknüpfen. Der Wettbewerb damals war 1969!

Standard: Wie hat sich der Beruf in den letzten Jahren verändert?

Holzbauer: Es ist schwieriger geworden. Allein der Umstand, dass Österreich die ganzen EU-Spielchen mitspielt, ist eine deutliche Verschlechterung der Branche.

Standard: Was meinen Sie damit?

Holzbauer: In Spanien etwa werden freihändig Opernhäuser und Museen vergeben. In Großbritannien auch. Nur bei uns sind die Politiker und Auftraggeber so unglaublich ängstlich und schreiben für jedes einzelne Kleinprojekt einen öffentlichen, EU-weiten Wettbewerb aus.

Standard: Wettbewerbe sind der Versuch, Architektur zu demokratisieren.

Holzbauer: Wenn ich mir meine Schüler anschaue, wie zum Beispiel Delugan Meissl oder BEHF, dann kann ich sagen: Ja, die können mit diesem System umgehen und beherrschen die Spielregeln perfekt. Die bauen einen Wettbewerb nach dem anderen. Da bin ich vielleicht ein bisschen unflexibel geworden.

Standard: Ach was! Sie kommen mit dem Modell Wettbewerb doch auch ganz gut zurecht. Im Gegensatz zu den anderen bauen Sie sogar dann, wenn Sie nicht gewonnen haben!

Holzbauer: (lacht) Sagen wir mal so, ich baue dann, wenn ich nicht ganz oben war. Aber man darf nicht vergessen: Dieses Freispiel hat es immer schon gegeben. Allein, wenn in Wien jedes Siegerprojekt realisiert worden wäre, glauben Sie mir, dann würde diese Stadt heute anders aussehen! Beispiele gibt es genug.

Standard: Ihr Argument führt das Prinzip Wettbewerb ad absurdum.

Holzbauer: Let's face it! Die ersten Preise sind nicht immer die besten. Man denke nur an das Kriegsministerium in Wien, wo sowohl Otto Wagner als auch Adolf Loos durchgefallen sind.

Standard: Mit dieser Aussage entziehen Sie den Jurys jede Kompetenz.

Holzbauer: Manchmal muss man sich eben wehren! Zum Beispiel das Haus für Mozart in Salzburg! Das war ja alles ein abgekartetes Spiel. Ich hatte den Auftrag praktisch schon in der Tasche. Und plötzlich gewinnen Hermann & Valentiny. Da war ich dann natürlich unglaublich verärgert. Trotzdem ist es in der weiteren Entwicklung zu einer hervorragenden Zusammenarbeit mit Valentiny gekommen. Schließlich war er ja einer meiner besten Schüler.

Standard: Sie waren heuer bei den Salzburger Festspielen. Wie geht es Ihnen, wenn Sie das Gebäude einige Jahre nach Fertigstellung sehen?

Holzbauer: Alles ganz wunderbar. Es können alle froh sein, dass es so gekommen ist, wie's ist. Das Haus ist offen, die Leute sind überall, die Stimmung bei den Festspielen ist großartig. Ich habe mit der Netrebko gesprochen. Die Künstler, sagt sie, finden das Haus und die Akustik ganz hervorragend.

Standard: War der Preis für dieses Projekt nicht hoch? Selbst Friedrich Kurrent, in Zeiten der „arbeitsgruppe 4“ noch Ihr Partner, hat sich von Ihnen distanziert. In einem Interview meinte er: „Die Freundschaft würde bestehen, wenn er das Salzburger Festspielhaus nicht verhaut hätte. Doch er hat sich das Projekt erstritten, und das ist schlimm.“

Holzbauer: Sie kennen doch den Kurrent! Der schreibt sogar Briefe an den Papst, dass er die Bernini-Kollonaden schließen soll. Und dieser Kurrent, der mir die Freundschaft gekündigt hat, der war letzte Woche bei mir, und wir hatten ein wunderbares Abendessen, zusammen mit Puchhammer, Achleitner und Gsteu. Wir haben uns prächtig unterhalten und gut gespeist. Die Freundschaft besteht nach wie vor, nur haben wir uns ausgemacht, dass wir über den Fall Salzburg nicht mehr reden. Vor fünf Jahren hat er mir eine Glückwunschkarte zum Geburtstag geschickt. Da hat er dann geschrieben: „Mit 75 hat der Holzmeister das große Festspielhaus gebaut, und mit 75 hast Du sein kleines ruiniert.“

Standard: Macht man sich in der Architektur mehr Freunde oder mehr Feinde?

Holzbauer: Ich habe mir ziemlich viele Feinde gemacht. Das kann man wohl so sagen. Das ist kein Beruf, in dem Freundschaften geboren werden. Aber interessanterweise sind meine Klienten durch die Bank sehr zufrieden mit dem, was ich ihnen hingestellt habe. Im Landtagsgebäude in Vorarlberg - das ist 1981 fertiggestellt worden - sieht es heute noch genauso aus wie am ersten Tag.

Standard: 1978 bis 1981 haben Sie das „Haus eines Kunstsammlers“ gebaut. So lautet zumindest der Titel auf Ihrer Homepage. Es ist das Haus des kürzlich verstorbenen „Krone“-Chefs. Welches Verhältnis hatten Sie zu Hans Dichand?

Holzbauer: Ganz ehrlich, die Zusammenarbeit war schwierig. Er hat damals einen Einflüsterer gehabt, und zwar den Architekten Peter Czernin. Der hat mir immer wieder hineingefunkt. Aber trotzdem ist das Haus so geworden, wie ich es wollte. Wir sind in Harmonie auseinandergegangen.

Standard: Sie haben in den letzten 55 Jahren rund 500 Projekte entworfen. Wie viele schlechte sind darunter?

Holzbauer: Das schlechteste Projekt war für mich die Fußgängerzone in der Kärntner Straße in Wien. Das Projekt hat nicht den Maßstab der Stadt getroffen. Das ist in die Hose gegangen.

Standard: Ein persönlicher Rückblick zum Achtziger: Welchen Stellenwert nimmt Wilhelm Holzbauer im österreichischen Architekturgeschehen ein?

Holzbauer: Diese Rolle ändert sich ständig. Zu Zeiten der Wiener U-Bahn und der großen Projekte in Salzburg und in Amsterdam, da war ich auf meinem absoluten Höhepunkt. Jede Zeit hat ihren Star. Damals war ich das, heute ist das der Prix. Doch bei den meisten Architekten, die heutzutage tätig sind, habe ich den Eindruck, frei nach Rousseau, dass wir den großen Einzug der Plebejer in die Architektur erleben.

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Wilhelm Holzbauer, Pressebild: Peter Korrak © Wilhelm Holzbauer