Akteur

Caramel architektInnen zt-gmbh
Wien (A)

Wetten, dass . . .

. . . sie es immer wieder schaffen? Wettbewerbe können einem liegen. Oder auch nicht. Die drei Burschen von Caramel haben allem Anschein nach den richtigen Riecher.

30. Juli 2005 - Wojciech Czaja
Wettbewerbe sind eine feine Sache. Sie sorgen für die Demokratie in der Architektur, wenngleich diese gelegentlich diktatorischen Ansätzen verfällt. Doch damit alles schön transparent abläuft, gibt es (leider Gottes nicht immer, aber doch gelegentlich) recht seriöse Juryprotokolle, die jede Entscheidung der Jury nachvollziehbar machen. Der Preis der Sache: An diesem kopfgeburtigen Juristen-Architekten-Slang kann man sich die Zähne ausbeißen - egal, man verreckt, ehe man den ersten Satz fertig gelesen hat. So trocken und spröde, als hätte man Sand gelöffelt. Da wird in einer Tour bemerkt, festgehalten, angeregt und hervorgehoben, ja schlimmer noch, es wird sogar konstatiert. Killer der Kreativität, mit dem bürokratischen Bulldozer kann man im Nu jeden poetischen Ansatz plattfahren.

Doch es geht auch anders. Das wissen die drei Burschen von der Architektengruppe Caramel. Ist das Staniolpapierl rund ums fiktive Zuckerl erst einmal entwuzelt, kommt das Trio zutage: Günter Katherl, Martin Haller und Ulrich Aspetsberger - so zwischen gerade noch in den Dreißigern und doch schon 40 Jahre alt - kennen sich von den unterschiedlichsten Unis und Jobs, seit 1999 arbeiten sie unter dem süßen Deckmantel Caramel zusammen. Wie eine zähe Masse - dem Namen alle Ehre erweisend - picken sie sich an jedem nur greifbaren Wettbewerb fest und steigen in den öffentlichen Ring des permanenten Architekturkampfes. Doch sie sind ganz fit, neben vielen anderen haben sie unlängst auch am Wettbewerb für den Science Park der Johannes-Kepler-Universität in Linz teilgenommen. 40 Teilnehmer EU-weit, Caramel ging schließlich als Gewinner hervor. Der erste Satz aus dem Protokoll: „Den Architekten gelingt es scheinbar mit Leichtigkeit, die schwierige und komplexe Aufgabenstellung zu bewältigen.“ Da kann man sich ob der Sprache und ob der Architektursprache gleich doppelt freuen: „Das Ergebnis ist eine überzeugende Neuinterpretation des Themas Universitätscampus, das seine besondere Stärke daraus bezieht, dass die spezifischen Potenziale des Ortes sehr sensibel und kreativ genutzt werden.“

Euphorisch geht es weiter, denn auch Rudolf Ardelt, Rektor der Johannes-Kepler-Universität, zeigt sich vollends zufrieden: „Das Modell entspricht exakt unseren Vorstellungen einer höchst innovativen und funktionalen Hochschuleinrichtung.“ Das schreit doch verheerend nach Glückssträhne - dabei hat man an einen möglichen Sieg gar nicht mehr gedacht. Katherl: „Für uns war das die einzig richtige Lösung. Aber wir haben so ewig lang daran herumgefeilt, dass wir mit dem ersten Platz gar nicht mehr gerechnet haben.“

Ein Wettbewerb, wie er im Buche steht. Klare Ausschreibung, klare Anforderungen. Und der Hund fängt da sogar schon im Städtebau an, denn das Grundstück im Stadtteil Dornach-Auhof liegt an einem windtechnisch linzexistenziellen Hang. Klimaforscher haben es schwarz auf weiß gefordert: Da muss der Wind durchpfeifen können, der logische Schluss ist eine Anordnung quer zum Hang. Kein Kabelsalat also, sondern ein adrettes Arrangement parallelbemühter Kabelstückchen wie auf dem gewinnträchtigen Wettbewerbs-Schnappschuss.

Nachdem die Finanzierung des Science Centers (Bauherr ist die BIG) teils öffentlich, teils privatwirtschaftlich erfolgt, muss sich diese Geldgeber-Struktur der Public Private Partnership irgendwo auch abzeichnen. Caramel ist da ganz unverblümt an die Sache herangegangen und hat klar definiert: Der universitäre Verwaltungstrakt ist konventionell ausgeführt, schmal und zweihüftig. Ein Büro istein Büro - aus. Es ist die Brutalität der nackten Tatsache, mehr Geld gibt's nicht. Man kann es auch nicht herzaubern, sondern kann aus den widrigen Umständen nur eine angemessene Lösung herausholen. Dafür aber wird es richtig lustig, wenn man die universitären Büroflächen hinter sich lässt und den Bereich des privat finanzierten Forschungszentrums betritt. Statt eines Gangs gibt es eine riesige, öffentliche Zone zum Knozen und Kommunizieren, Lufträume verbinden die Geschoße miteinander, Tageslicht gibt's ohne Ende. Der karamellisierte Martin Haller: „Forscher sitzen zwar immer in ihrem stillen Kämmerlein, aber die wirklich guten Ideen entstehen meist beim Kaffee.“

Das mit den guten Ideen ist auch bei Caramel nicht anders. Kaffee spornt nicht nur den wissenschaftlichen, sondern auch den kreativen Erfindergeist an. Auch die Hauptwerkstätte der städtischen Müllabfuhr in Wien - hinlänglich bekannt als MA 48 mit der herzerlgewordenen Acht - war Resultat eines von Caramel gewonnenen Wettbewerbs. Dem firmeneigenen Slogan „Ohne Mist geht's besser!“ Folge leistend, wurde hier selbst im Bereich des Mülls kein Schrott gebaut. Von der Straße aus gut sichtbar ragt hinter den Hernalser Plakatwänden ein schwarzes Ding aus vorverwittertem Blech hervor. Das abgerundete Eck am sonst so klaren Quader mutet fast ein bisschen designt an, doch es ist die beinharte Umsetzung von Louis Sullivans altem, altem Credo, dem gemäß die Funktion die Form bedingt, und nicht umgekehrt. Caramel: „Es ist der einzige Punkt im gesamten inhomogenen Areal, an dem der Verkehr kulminiert.“ Und so ist es nicht verwunderlich, wenn die Gebäudeform den Kurvenradius eines knallorangenen Müllwagens aufnimmt. Im ersten Stock hat man die Gegebenheit des Ortes schließlich luxuriös zu nutzen gewusst und in der Rundung die Mitarbeiter-Kantine angesiedelt. Durch ein Panoramafenster übers Eck dringt das Wienbild ganz mächtig in den Raum.

Wenn wir schon beim Müll sind: Auch das Landeskrankenhaus Salzburg mit einer Zweigstelle für Transfusionsmedizin und Stammzellenforschung war ein gewonnener Wettbewerb. Es ist ja in Österreich gang und gäbe, dass ein erster Platz - daran hat man sich verrichteter Dinge schon gewöhnt - nicht unbedingt Garant für eine Realisierung ist. Doch ein Wettbewerbsprojekt mitten im Bau abzubrechen - das klingt schon nach einer Anekdote aus Schilda. Die Architekten: „Man sieht die Baugrube von der Westbahnstrecke ganz gut, heute stehen da ein paar Autos herum.“ Mit 2,5 Millionen Euro dürfte dies einer der teuersten Parkplätze der Welt sein. Wie so etwas passieren kann? Es ist die unsichtbare Kurbel der Politik. „Sie wissen ja, dass alle vier Jahre eine neue Regierung gewählt wird“, vernimmt man von SALK, den Salzburger Landeskliniken, „und im Zuge des Regierungswechsels ist es unter Landeshauptfrau Gabi Burgstaller zur Prüfung des gesamten Projekts gekommen.“ Fazit expressis verbis: Die Baustelle ist gestoppt, der Neubau ist in dieser Form und auf diesem Areal gestorben.

Und wie geht es weiter? Mit dem LKH Salzburg gar nicht, ansonsten wie eh und je. Über dreißig Wettbewerbserfolge sind es bisher - dieses bisweilen riskante Modell der Projektakquisition scheint bei Caramel ja tatsächlich zu fruchten. Einige zweite Preise sind darunter, doch noch häufiger gab es den ersten Preis. So etwa auch für das Wifi in Dornbirn, an dem bereits heftigst gearbeitet wird. Was darf man erwarten? - Ein bissfestes Zuckerl mit süßem Geschmack. Doch das beruht alles auf Spekulationen, denn der wahre Grund für die karamellisierte Namensgebung - man lasse es sich auf der Zunge zergehen - will nicht verraten werden.

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