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Der Architekt als Marke
Der Standard

Hadi Teherani ist nicht nur Architekt, sondern auch ein ausgefuchster Marketing- Experte. Als einer von wenigen hat er sich so stark positioniert, dass man ihn heute als Markenboss wahrnimmt.

17. November 2006 - Wojciech Czaja
Man stelle sich eine Umfrage auf der Straße vor: „Nennen Sie einen lebenden österreichischen Architekten!“ Uff. Mit ziemlicher Sicherheit werden irgendwann einmal Namen wie Peichl, Prix und Hollein dahertröpfeln. Ganz anders in Deutschland. Da würden alle die Hände vor dem Mund falten und galant in die Kamera kundtun: „Hadi.“

Die Rede ist von Hadi Teherani, jenem Architekten, der eben nicht nur Architekt ist, sondern auch Designer, Prominenter und Genussmensch. Das publikumswirksame Zugpferd und dritte Initial des Hamburger Architekturbüros BRT wird bei unserem deutschen Nachbarn als Star gehandelt. Sein Konterfei lächelt regelmäßig aus allerlei Gazetten heraus und beliefert die Leserschaft mit Zitaten, Kommentaren und subjektiven Meinungen. In Bälde - so viel lässt sich bereits prognostizieren - könnte jeder Deutsche einen echten Hadi besitzen. Denn der gebürtige Perser hat seine Unterschrift schon an Stühlen, Teppichen und Waschbecken gelassen. Neuerdings sogar an Schuhen.

Doch mehr als alles andere hat Teherani sich selbst entworfen. In britischen Autos und aalglatten Anzügen gleitet er durch die Welt der Investoren und proklamiert die Architektur als Marke. Wo bleibt da Zeit für Architektur? Gespräch mit einem Mann, ohne den die hanseatische Stadt heute ganz anders wäre, als sie ist.

der Standard Die Presse bejubelt Sie als Star unter deutschen Architekten. Sind Sie ein Star?

Hadi Teherani: Star kann man nicht sein, zu einem Star wird man gemacht. Ich weiß auch nicht, woher das kommt. Ja, die Leute sprechen mich auf der Straße als Star an, sie geben mir zu verstehen, dass sie meine Arbeit schätzen. Ich nehme das als Label, als Auszeichnung gerne an. Und es ist auch ein großes Kompliment. Denn in der Regel sind wir Architekten so erzogen worden, dass wir fast ausschließlich in unserer Gemeinschaft, in unserer Kaste leben und uns aus diesen Kreisen nur selten befreien können.

An diesem Label sind Sie nicht unbeteiligt, denn Sie proklamieren Ihren Lifestyle in den Medien. Wenn Sie das Heck Ihres Aston Martin überarbeiten, weil es Ihnen „zu weich“ ist, dann weiß ganz Deutschland Bescheid.

Teherani: Die Sache ist im Grunde recht einfach. Wenn ich mir ein Auto kaufe, gestalte ich all jene Nuancen um, die mir vielleicht nicht so gut gefallen. Ich habe mir einen Mini Cooper gekauft und einfach ein paar Details verbessert. Aber das sind ausschließlich persönliche Bedürfnisse. Ich finde den Mini Cooper von der äußeren Erscheinung her absolut gelungen, aber ich wollte mich gerne auch im Innenraum wiederfinden, so wie ich es auch in meinen anderen Fahrzeugen tue. Im Mini war mir viel zu viel Plastik, es hat so kunterbunt ausgesehen wie My First Sony. Daher habe ich diese Accessoires im Innenraum so umgewandelt, dass das Auto heute in meinem Augen seriöser auftritt. Beispielsweise habe ich den Drehzahlmesser entfernen lassen - er hat mich in der Symmetrie gestört.

Sie selbst behaupten von sich, Perfektionist zu sein. Muss denn alles perfekt sein?

Teherani: Natürlich gibt es Grenzen. Und manchmal gibt es auch Dinge, die schön sind, ganz einfach weil sie unperfekt sind. Ansonsten dürfte ich ja keine englischen Autos fahren, die sind ja nicht unbedingt ganz perfekt. Bei englischen Autos stimmt dafür das Emotionelle, sie sprechen einen an. Aber jene Dinge, die ich in meiner Umgebung sehr wohl persönlich beeinflussen kann, möchte ich tatsächlich so lange verbessern, bis ich hundert Prozent dahinter stehen kann. Wenn ich einen Anzug anziehe, möchte ich, dass er nicht nur perfekt geschnitten ist, er sollte sich auch toll anfühlen, der Stoff muss eine gute Qualität haben.

Weg von den Luxusproblemen, zurück zur Architektur. Welchen Stellenwert nimmt Architektur in der Gesellschaft ein?

Teherani: Die Architektur hat einen sehr hohen Stellenwert - doch das wird nicht immer so gesehen. Architekten schaffen Identität, sie schaffen das Gesicht der Städte, und sie schaffen Lebensräume für Menschen. Wir fahren gerne nach Venedig, London, Paris. Und warum machen wir das? Weil man in diese Städte damals offensichtlich gut investiert hat. Heute ist die öffentliche Hand verantwortungslos und langweilig geworden, das Resultat sind gesichtslose Städte. Dagegen muss man ankämpfen! Und das geht nur, wenn man nicht immer nur aus den Architekturmagazinen herauslächelt. Dafür setze ich mich ein, und zwar überall. Ich bin sowohl in den Tageszeitungen zu sehen als auch in Boulevardmedien oder in der Gala. Auf diese Weise kann ich für mich eine Bresche schlagen. Und natürlich nicht nur für mich, sondern ganz allgemein für hochwertige Architektur.

Das klingt ja selbstlos.

Teherani: Ich sage noch einmal ganz klar: Ich bemühe mich zurzeit sehr darum, eine Lanze für alle Architekten zu brechen. Wenn mich das Publikum in den Medien sieht und es dann heißt „Ach, guck mal, der schon wieder!“, dann rufe ich damit die Disziplin der Architektur stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung. Und das ist es, was zählt. Denn Architektur steht für Qualität, für Lebensstil, für Geschmack.

Fühlen Sie sich in den Medien wohl?

Teherani: Ja, es geht. Ein bisschen Extrovertiertheit tut dem Menschen schon gut. Das ist aber nicht nur mit Vorteilen verbunden, es gibt auch Nachteile. Manchmal will man anonym sein, doch man ist es nicht. Aber das ist der Preis, den ich bereit bin zu zahlen.

Mittlerweile sind Sie nicht nur Architekt und Medienmensch, sondern auch noch Designer.

Teherani: Ich verkörpere nicht ausschließlich eine Sache, ich bin von allem etwas. Ich mache Badkeramik, Tapeten, Fußbodenbeläge und vieles mehr. Ganz neu im Programm ist eine Schuhserie von Hadi Teherani, an der ich gerade arbeite. Ich finde diese Ausflüge in die Mode und ins Design sehr schön. Damit kann ich in die Haushalte eindringen und werde noch bekannter und trage noch einmal dazu bei, ein gewisses Ästhetikbewusstsein in der Bevölkerung zu verankern. Da ist das Produktdesign eben anders als die Architektur: Sie entwerfen einen Aschenbecher, denken das Ganze nur einmal, und plötzlich steht das in tausenden von Haushalten. Das ist ein Modell der Wiederholung, der Serie, der Redundanz, gegen das sich Architekten immer schon gewehrt haben. Der Grund ist ganz einfach: Jeder will unique sein! Doch wenn dann am Ende alle unique geworden sind, dann schwimmen wir wieder in der gleichen Suppe, obwohl trotzdem nichts zum anderen passt.

Also eine Speerspitze für das ewig Gleiche?

Teherani: Nein, natürlich nicht. Wir haben viele Konzepte entwickelt, wir haben uns mittlerweile ein großes Know-how erarbeitet. Was uns aber verloren gegangen ist, das ist das Haptische, das Erdberührte, das Gefühlsbetonte. Die Bevölkerung hängt in der Luft und ist ein bisschen verdutzt ob unser aller Gefühlslosigkeit und verloren gegangener Sensibilität. An uns Architekten liegt es nun, diese Gegensätze wieder zusammenzuführen. Doch das funktioniert nur langsam, denn der Westen ist verkorkst. Blättern Sie einmal ein Buch über orientalische Architektur durch, und Sie werden sehen, wie reich die Architektur dort ist und wie nackt die Architektur in Westeuropa im Gegenzug erscheint. Sagen Sie das einmal einem Investor! Der wird Sie auslachen und wird Ihnen nahe legen, sich wieder den so genannten wichtigen Dingen zu widmen.

Orientalisch wirkt Ihre Architektur aber nicht. Und: Die Investoren fahren voll darauf ab.

Teherani: Ornament ist nichts anderes als ein Eingeständnis an die Emotion. Doch diese Art der Architektur ist mit den heutigen Werten und Wertverständnissen nicht mehr durchführbar. Da würden Ihnen alle Soziologen und Stadtplaner an die Gurgel springen! Meine Gebäude wirken eher solitärhaft, weil sie auch so lange bearbeitet wurden, dass sie unique erfassbar sind. Doch - und das ist der springende Punkt - wir entwickeln sie so lange weiter, bis sie perfekt sind. Und zwar so perfekt, dass sie sie danach auf ein Silbertablett und eigentlich auch auf jedes andere Grundstück in ganz Deutschland stellen können.

Das ist praktisch.

Teherani: Tatsache ist: Ein Gebäude braucht Identität. Den Beweis dafür können Sie in jeder touristischen Stadt sehen. Die Städtetouristen steigen aus ihren Bussen aus, um sich ein Gebäude von BRT anzusehen. Wenn eine deutsche Stadt für sich wirbt, dann tut sie das mittlerweile auch schon mit meinen Gebäuden. Ich sage Ihnen mal etwas, ohne jetzt überschwänglich zu werden: Wenn Sie alle meine Gebäude von heute auf morgen aus Hamburg entfernen, dann entfernen Sie damit vielleicht auch ein Symbol für Fortschritt und Innovation.

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