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Wo sind die Visionäre?
Der Standard

Die Unternehmensgruppe Delta feierte gestern ihr 30-jähriges Bestehen. Das gibt Anlass zum Nachdenken: Welchen Stellenwert haben Generalplaner und Generalunternehmer heute - und wie sieht der Architekt von morgen aus?

30. Juni 2007 - Wojciech Czaja
Die Immobilien- und Baubranche ist ein fetter Apparat. Die Fäden, die dabei gesponnen, und die Drähte, die dabei gezogen werden, sind für die meisten unsichtbar. Für die Wenigen jedoch, die sie sehen, sind sie ein undurchdringliches Knäuel von permanentem Auftraggeben und Auftragnehmen. Es gibt Stadtplaner, Verkehrsplaner, Projektentwickler, Projektsteuerer, Architekten, Konsulenten, Consulter, Controller, Coaches, Bauträger, Baumanager, Generalübernehmer - und die stille Zuversicht, dass nach vielen atemlosen Jahren und vielen ausgeschütteten Euro-Millionen eines Tages ein schlüsselfertiges Gebäude dasteht, hoffentlich ohne große Baumängel.

Für einen Investor ist diese Gewaltentrennung freilich eine Zitterpartie ohne Ende. Sind nämlich erst einmal alle Interessen und Meinungen unter Dach und Fach, braucht es in der Regel nicht lange, bis der Streit eskaliert. Spätestens beim ersten Rohrbruch oder beim ersten Riss in der Decke beginnt eine Lawine zu rollen, die oft erst vor Gericht abgebremst werden kann. Die Folgen sind unliebsam und unangenehm. Am Ende muss irgendwer in den sauren Apfel beißen.

Kein Wunder also, dass sich Investoren mit Vorliebe an jene Büros wenden, die alle Planungsleistungen - und meist auch den Bau selbst - aus einer Hand anbieten. Ein solches Büro sitzt in Wels und trägt den einprägsamen Namen Delta. Gestern, Freitag, feierte man mit großem Rambazamba und viel Tamtam das 30-jährige Bestehen, genauer gesagt bejubelte man „30 Jahre Visionen“. Hier eine Body-Performance („Delta Flying High“), dort ein Live Talk („Delta Next Generation“), abgerundet wurde das Ganze dann von Wein und DJ-Klängen („Delta Fusion“ und „Delta Mix“).

Stellt sich unweigerlich die Frage: Welche Visionen hat die Unternehmensgruppe Delta denn überhaupt verfolgt? „Eine der größten Visionen vor dreißig Jahren war, eines Tages zu den größten Projektentwicklern im Handelsbereich zu werden und damit in den Osten Europas vorzudringen“, erklärt Geschäftsführer Knut Drugowitsch, „aus diesen beiden Visionen heraus sind die meisten Projekte entstanden.“

Heute ist die Unternehmensgruppe Delta größtenteils als Generalplaner tätig, gelegentlich schlüpft sie sogar in die Rolle des Generalunternehmers und bietet dann Planung und Bauabwicklung in einem Stück an. Die Projekte reichen von Österreich über die neuen EU-Länder bis runter zur Ukraine und beinhalten unter anderem Shopping-Center, Bürogebäude und - das mag ein wenig überraschen - Krankenhäuser. Warum gerade Krankenhäuser? „Wegen der hoch komplizierten Haustechnik ist die Abwicklung bei einem Krankenhaus viel komplexer als bei vielen anderen Projekten.“ Für einen Investor sei das ein guter Grund, alle Planungsleistungen innerhalb eines einzigen Hauses zu vergeben.

Doch es hilft nichts. Sosehr ein Generalplaner bzw. Generalunternehmer mit seinem breiten Serviceangebot beim Investor ins Schwarze trifft, so schlecht ist sein Image aus dem Blickwinkel der Architektur und Kultur. „Der Generalplaner hat nicht den besten Ruf, denn viele Architekten schauen sehr kritisch auf Kollegen, die Architektur und Projektentwicklung aus einer Hand anbieten“, sagt Drugowitsch, im Übrigen selbst Architekt, „in dieser Branche wird einem bald der Kommerzstempel aufgedrückt.“ Natürlich habe es auch in der Delta-Gruppe Zeiten gegeben, da man in Hinblick auf die Architektur nicht allzu selbstkritisch gewesen ist. Doch diese scheinen nun überstanden, gibt sich der Geschäftsführer stolz.

Der Trend zur Generalplanung lässt sich nicht leugnen. Als die Delta-Gruppe vor 30 Jahren gegründet wurde, war die Zusammenfassung der Instanzen in Österreich noch ein Fremdwort, heute ist der erweiterte Architekturbegriff bereits gang und gäbe. „Generalplanung ist ein Trend, auf den Architekten in Zukunft aufspringen müssen, wenn sie in einer guten Position bleiben und letztlich auch überleben wollen“, sagt Georg Pendl, Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, „man muss verstehen, dass der Auftraggeber ja nicht unbedingt zehn unterschiedliche Firmen beauftragen möchte. Ihm ist es lieber, wenn die Verantwortung in einer Hand liegt.“

Das bestätigt freilich auch die Delta: „Viele Teams rund um Architekt, Statiker, Bauphysiker und Fachplaner geraten sich oft in die Haare. Der Bauherr weiß dann nicht, woran er ist“, sagt Knut Drugowitsch, „es ist eine Frage der Haltung, doch ich habe nun mal den ganzheitlichen Ansatzpunkt und bevorzuge es, wenn das gesamte Team an einem Strang zieht.“ Wird der Bogen überspannt, könne ein Projekt auch einmal platzen. Bestes Beispiel dafür ist die unendliche, schließlich gescheiterte Genese von Wien Mitte. Drugowitsch: „Einer der großen Nachteile ist, dass der Investor hinsichtlich Rendite, Gewinn und Flächenmaximierung seine eigenen Ziele verfolgt. Auf die Öffentlichkeit nimmt er dabei keine oder nur kaum Rücksicht.“ Es liege daher in der Verantwortung des Planers, Objektivität zu wahren und sich auf die Interessen der Öffentlichkeit zu konzentrieren.

Schwierig wird es allerdings dann, wenn der Architekt von morgen auch den Bau bzw. das Baumanagement übernimmt. Waren so genannte Totalunternehmerverfahren bisher nur bei privaten Projekten erlaubt, ist dies mit dem neuen Vergabegesetz, das heuer in Kraft getreten ist, auch bei öffentlichen Bauten möglich, erklärt Christian Aulinger, Vorsitzender der ig architektur. Er leitete im April heurigen Jahres eine Arbeitsgruppe, die im Auftrag des Wirtschaftsministeriums den „Leitfaden für eine innovationsfördernde Vergabe“ erstellt hat. „Wenn der Planende gleichzeitig der Bauende ist, dann kann das dem Projekt unmöglich gut tun. Bei solchen Gesamtpaketen leidet zwangsläufig die Architektur, denn für Innovation ist dann kein Platz mehr.“

Wie weit darf die totale Architektur also reichen? „Natürlich gibt es Grenzen für die Generalplanung, nicht überall hat dieses Modell Berechtigung“, gesteht sich Drugowitsch ein, „bei öffentlichen Bauten beispielsweise hat Generalplanung meiner Meinung nach nichts verloren.“ Richtig eingesetzt sei sie hingegen überall dort, wo Architektur zur wirtschaftlichen Bewertung einer Immobilie und zur Imagesteigerung eines Unternehmens beitragen kann.

Die Unternehmensgruppe Delta leistet auf ihrem Gebiet ganz gute Arbeit. Die Projekte brauchen sich nicht zu verstecken, die Bauherren sind glücklich, der Imagegewinn dürfte ganz passabel sein. Immerhin verbaut die Delta jährlich rund 100 Millionen Euro. Doch den Innovationspreis für Architektur wird ein ganzheitlicher Anbieter wie die Delta nicht einheimsen können - dafür ist man im Geschäftsbild viel zu sehr den Spielregeln der Immobilienbranche verpflichtet.

Was bleibt, ist der Appell an den gesunden Menschenverstand der Investoren und Immobilienhaie. Was hat Vorrang? Die gebotenen Vorteile bezüglich Kostensicherheit, Termin-sicherheit, Bauzeitverkürzung und Verwaltungsoptimierung - oder doch die kulturelle und soziale Komponente, die in jedem Bauvorhaben steckt? Das muss jeder für sich selbst beantworten. Die Delta zeigt jedenfalls vor, in welche Richtung sich der Beruf des Architekten in Zukunft weiterentwickeln wird. Nun liegt es an den Architekten, sich diesem allmählichen Berufswandel zu stellen und das zu entwickeln, was ohne intensives Engagement zu kurz kommen wird - Visionen für die kommenden 30 Jahre.

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