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Langer Atem, harte Nerven, keine Frage
Der Standard

Der Dachstein und die Eishöhlen bekommen eine neue Corporate Identity verpasst. Das Mammutprojekt soll dafür sorgen, dass das Weltnaturerbe auch in den nächsten tausend Jahren nichts von seiner Faszination einbüßt. Das Ungewöhnliche: Auftragnehmer ist die Kunstuniversität Linz.

11. August 2007 - Wojciech Czaja
Es ist ein Knochenjob. Keinen Tag und keinen Cent zu viel darf die Arbeit in Anspruch nehmen, denn der Kunde ist streng. Exakt zwei Millionen Euro lässt er sich den Spaß kosten, nach zwei Jahren muss alles endgültig fertig sein: die Architektur, die Innenräume, die neuen Wanderwege, die Wegweiser, die Visitenkarten, die Briefkuverts, die Homepage, die Sehenswürdigkeiten, die Kunstinstallationen, die Skipässe, das Logo, der Schriftzug - ja sogar auf diese fürchterlichen Merchandising-Produkte, vom Radiergummi über das Bäseball-Käppi bis hin zum bedruckten T-Shirt, legt er Wert.

Nichts für einen blutjungen Anfänger, möchte man meinen. Da muss ein mit allen Wassern gewaschener Profi her! Aber dem ist nicht so. Denn der stattliche Generalunternehmer-Auftrag, von dem hier die Rede ist, erging vor einiger Zeit an die Kunstuniversität Linz, genauer gesagt an das Institut raum&designstrategien. „Wir haben fünf Firmen anbieten lassen“, sagt Andreas Pangerl, Geschäftsführer der Dachstein und Eishöhlen GmbH & Co KG, „und die Kunstuni hat einfach das beste und überzeugendste Anbot abgegeben. Niemand anderer hat sich derartig genau an unsere Vorgaben gehalten.“

Zurück zum Anfang. Den Dachstein und die riesigen Eishöhlen kennt jedes Kind. Draußen muss man wandern, und drinnen ist es klirrend kalt. Das war vor zwanzig Jahren nicht anders als heute. Doch die Österreichischen Bundesforste und die Dachstein & Eishöhlen GmbH & Co KG, die dieses Naturschutzgebiet in Obhut haben, waren ihrer alten Tage überdrüssig und wollten sich einer kleinen Imagepolitur unterziehen. Schließlich will man für die Familien von morgen mit neuen Attraktionen und neuer Frische gerüstet sein. Das Gesamtbudget, das man dafür aufwenden wollte, betrug zwei Millionen Euro - Honorare, Bau-, Produktions- und Druckkosten sowie diverse Nebenkosten inklusive. Da man sich nicht mit unzähligen Firmen und Bauunternehmen abrackern wollte, beschlossen die Höchsten im Amt, all ihre Wünsche in einem Stück einem so genannten Generalunternehmer anzuvertrauen. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben. Doch die Ergebnisse des ambitionierten Unterfangens waren eher enttäuschend - bis auf eines.

„Unser Trumpf war, dass wir dem Auftraggeber eine völlig neue Herangehensweise an die Aufgabe anbieten konnten“, sagt Architektin Elsa Prochazka, die an der Linzer Kunstuni das Institut raum&designstrategien leitet, „anstatt nur über wirtschaftliche und realitätsnahe Aspekte zu reden, können wir als Universität auf weit mehr Ressourcen zurückgreifen - wir können uns dem Thema wissenschaftlich annähern und am Ende konzeptionelle Arbeit anbieten.“ In einem einzigen Punkt hat Prochazka gezittert: „Das Schwierigste war, dass ich dem Auftraggeber nicht sagen konnte, wohin das Projekt führen würde. Da in diesem Projekt 60 Studentinnen und Studenten involviert sind, war das Ergebnis nicht vorwegzunehmen.“

Doch die heranwachsenden Raum- und Designstrategen lieferten eifrigste Arbeit. Und - „der Teamgeist war immer da“. Gemeinsam verhandelten sie mit den Behörden, saßen mit dem Welterbe-Komitee an einem Tisch, unterhielten sich mit Naturschutzexperten, mit Ökonomen, Fachplanern, Statikern und Bauphysikern. Die unwirtlichen Bedingungen verlangen einem höchste Präzision ab: Es müssen unzählige Einreichungen bei der Naturschutzbehörde gemacht werden, die Hänge sind steil, Baustellen hier oben sind kompliziert, zudem herrscht in den Höhlen während des ganzen Jahres eine konstante Temperatur von -1° Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 98 Prozent - sehr ungemütlich.

Das Härteste aber war das Einholen von Anboten. Als Universität habe man keinen besonders seriösen Status, in diesem Punkt bedürfe es schon einer Hilfestellung von außen, erinnert sich die Professorin. „Es gelten hier die Spielregeln beinharter Wirtschaftsunternehmen: Seriosität, Realisierbarkeit, Kompetenz, Budgeteinhaltung und Pünktlichkeit. Kein Mensch traut einer Universität ein solches Business zu.“ Am Ende ist auch das geglückt. Prochazka: „Man braucht einen langen Atem, aber es geht.“

Belohnt wird der Dachstein mitsamt seinen Eishöhlen mit einer völlig neuen Corporate Identity. Die Studenten haben ein neues Logo entworfen und liefern die komplette Büroausstattung sowie den gesamten medialen Auftritt von der Homepage bis hin zu den Drucksorten - Lieferung vor die Haustüre inklusive. Sie haben ein künstlerisches Konzept für die Eishöhlen entwickelt und überlagern solcherart die Natur mit der Kunst. Ein Dutzend permanenter und temporärer Installationen haben in den gigantischen Eishöhlen ein neues Zuhause gefunden. Fein für die Besucher. Anstatt sich nach hundert Metern gelangweilt zwischen Stalaktiten und Stalagmiten durchzuwurschteln, können sie nun auf Entdeckungsreise gehen. Es gibt Land-Art, Skulpturen, Licht, Ton und Interaktion.

Auch für neue Architektur wird gesorgt. Die bisher gesichtslosen Liftstationen und Jausenhütten möchte man in ein neues Kleid aus Aluminium wickeln. „Wir haben uns ganz bewusst für dieses moderne und fremde Material entschieden“, erklärt Elsa Prochazka, „denn wir wollten den traditionellen Holzhütten-Erwartungen entgegenwirken.“ Sehr zum anfänglichen Schock der Österreichischen Bundesforste, die ebenfalls maßgeblich in das Projekt involviert sind. Sie fürchteten um ihr liebes Holz. „Die Argumente der Kunstuniversität haben jedoch für sich gesprochen“, sagt Erwin Klissenbauer, Leiter des Vorstandsbüros der Bundesforste, „mit dem neuen Konzept haben wir bekommen, was wir uns insgeheim gewünscht haben.“

Und letztendlich liefert das Institut raum&designstrategien auch die nötige Infrastruktur: Stege und Geländer werden ausgetauscht, die Gebäude werden umgebaut, Shops werden nachträglich eingeplant, ja nicht einmal vor den Gondeln und Autobussen macht man Halt. Da wie dort schlug man ein neues Oberflächendesign für die schwebenden und fahrenden Transportmittel vor. Jeder Profi weiß: Wenn schon Corporate Design, dann auch richtig.

„Aus unserer Sicht sind derzeit rund 50 Prozent umgesetzt“, erklärt Klissenbauer, „und bis zum heutigen Tage sind all unsere Erwartungen komplett erfüllt worden. Eines muss ich den Studenten zugute halten: Sie sind perfekt organisiert, das befürchtete künstlerische Chaos blieb aus.“

Wo ist der Haken? Warum traut sich sonst kein wirtschaftliches Unternehmen an eine solche Zusammenarbeit heran? „Die Kunstuni hat zwar ein enormes Kreativpotenzial und hat extrem professionell gearbeitet“, erklärt Andreas Pangerl von der Dachstein und Eishöhlen GmbH & Co, „aber man muss als Unternehmen erst einmal das Umfeld dafür schaffen, um ein solches Projekt mit Studenten überhaupt zu ermöglichen.“ Es sei wichtig, gegenseitiges Vertrauen zu haben und mit voller Überzeugung die Jungen aktiv fördern zu wollen. Doch Pangerl ist ehrlich: „Nicht alle haben in der Zusammenarbeit mit den kreativen Jungspunden an den Erfolg geglaubt. Und auch als Optimist muss man in manchen Situationen Nerven haben, keine Frage.“

Was bleibt, ist der Erfolg einer riesigen Mannschaft. Zur Halbzeit des Projekts ist klar: Wenn alle Beteiligten eine kleine Brise Risikofreudigkeit mitbringen, dann profitiert am Ende jeder davon. „In ein paar Jahren werden die Studenten und Studentinnen ihr Studium abgeschlossen haben, dann werden sie ein Portfolio haben wie andere erst nach fünf Jahren in der freien Marktwirtschaft“, sagt Elsa Prochazka, „ein besseres Lernen für die Zukunft gibt es nicht.“

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