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„Mehr als nur schön oder schiach“
Der Standard

Österreich und seine regionalen Unterschiede: Eine Architekturreise durch die Landeshauptstädte

Immer mehr Bauherren in den Bundesländern sorgen dafür, dass Architektur verstärkt in den Mittelpunkt rückt. Eine große Rolle spielt dabei der Tourismus.

8. April 2008 - Wojciech Czaja
Wien - „Man kann nicht die gesamte Architekturszene Österreichs über einen Kamm scheren, schon gar nicht kann man alles allein auf Wien konzentrieren“, sagt Georg Pendl, Präsident der Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten. Eine der Besonderheiten dieses Landes seien nämlich die regionalen Unterschiede, die von den jeweiligen Szenen gepflogen werden. Verhältnismäßig viele Architekturschaffende gibt es etwa in Graz, Innsbruck sowie in einigen Teilen Oberösterreichs, allen voran in Linz, Wels und in Steyr.

Ein Blick auf das bauliche Geschehen in den Bundesländern lohnt allemal: Vorarlberg bedient sich vorzugsweise des traditionellen und bis zur Perfektion ausgereiften Holzbaus, Tirol brachte mit den Filialen der Lebensmittelkette MPreis die zeitgenössische Architektur direkt unters Volk, in der Steiermark und im Burgenland wiederum kann man auf die unzähligen Weingüter verweisen. Pendl: „Dass sich ein ganzer Wirtschaftszweig, wie das beim Weinbau zweifelsohne der Fall ist, in den vergangenen Jahren dermaßen über die Architektur definiert, ist ein einmaliges Phänomen. Darum beneiden uns viele Europäer.“

Architektur für Laien

Dass Architektur längst kein alleiniges Ballungsraum-Phänomen mehr ist, beweisen auch einige Initiativen in den Bundesländern. Bereits zum vierten Mal finden am 16. und 17. Mai 2008 die Architekturtage statt - ein Kooperationsprojekt der Kammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten sowie der Architekturstiftung Österreich, das sich in erster Linie an Laien richtet und die Schwellenangst gegenüber der Architektur schmälern soll. Nicht nur in den Landeshauptstädten, sondern auch in Orten und Städten wie Schrems, Wieselburg, Telfs und Bischofshofen wird an diesen zwei Tagen zu architekturrelevanten Veranstaltungen geladen.

„Vor allem in den Bundesländern hat Architektur in jüngster Zeit mehr Aufmerksamkeit als noch vor zehn Jahren“, erklärt Barbara Feller, Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich, „wenn die Bevölkerung heute über Architektur spricht, dann dreht sich längst nicht mehr alles nur um Skandale, dann wissen die Leute bereits mehr zu sagen als nur schön oder schiach.“

Laut österreichischem Baukulturreport 2006, in Auftrag gegeben vom Staatssekretariat für Kunst und Medien und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, werden jährlich rund 30 Milliarden Euro in Bauten des öffentlichen und privaten Sektors investiert. Der Anteil der Baubranche an der Gesamtwirtschaft beträgt somit 11,7 Prozent (Stand 2006). Nicht zuletzt arbeiten über acht Prozent aller Erwerbstätigen im Bauwesen. Rund 70 Prozent des gesamten österreichischen Anlagevermögens sind in Immobilien gebunden.

Dass angesichts dieser Zahlen Architektinnen und Architekten vielerorts oft zu wenig ernst genommen werden, hat einen plausiblen Hintergrund: Drei Viertel aller Planungsbüros sind Kleinunternehmen mit ein bis neun Personen. Viele davon sind nicht nur im Bereich Architektur tätig, sondern arbeiten oftmals an der Schnittstelle zu Kunst und Design. Die Grenzen zur Architektur sind dabei nicht immer klar auszumachen. Der Anteil der Großbetriebe mit mehr als 250 Beschäftigten hingegen liegt bei nur bei 0,3 Prozent.

Design auf der Alm

Dass die Bundesländer dennoch verstärkt in den Mittelpunkt der Kreativität gerückt sind, ist nicht zuletzt das Resultat einiger Ambitionen in der Tourismusbranche. „Noch vor zehn Jahren war es ungewöhnlich, irgendwo in Innsbruck oder auf der Alm in einem designten Gasthaus zu sitzen“, sagt Pendl, „heute ist das Standard geworden.“ Weiterhin steigern könnte man die baukulturelle Qualität etwa dadurch, dass man die Tourismusförderungen für Bauinvestitionen (rund 600 Millionen Euro pro Jahr) in Zukunft an eine architektonische Begutachtung der Projekte knüpft. So lautet jedenfalls eine der Forderungen im Baukulturreport 2006.

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