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Ein Zwerg macht noch keinen Garten
Der Standard

Landschaftsarchitektur ist in Österreich ein Mauerblümchen. Dank des Internationalen Gartensymposiums könnte sich das bald ändern.

4. Oktober 2008 - Wojciech Czaja
Fachleute aus aller Herren Länder trudelten letzten Samstag in Langenlois ein, um gemeinsam zu lauschen, wie es denn um die Gartenkunst bestellt sei. Mit großer Erwartungshaltung stürmten sie am frühen Vormittag das Loisium Hotel. Internationale Landschaftsarchitektinnen und Freiraumplaner schöpften aus dem Vollen und gaben ihre Erfahrungen zum Besten. Lachen und Klagen nicht ausgeschlossen.

Doch wer glaubt, beim längst etablierten Gartensymposium private plots handle es sich um irgendeine öde Blumenkistl- und Thujenheckenkonferenz, der irrt - und zwar gewaltig.

Der Pariser Architekt Edouard François etwa präsentierte L'immeuble qui pousse, das wachsende Haus. Das Wohngebäude in Montpellier verschwindet hinter einer Fassade aus Gabionenkäfigen. In den Schotterspalten haben sich Blumen und Kräuter angesiedelt. Aus dem Gestaltungsbüro Inside Outside der Niederländerin Petra Blaisse wiederum hörte man von Gärten und Platzgestaltungen an der Schnittstelle zwischen innen und außen.

Jane Amidon aus Ohio (siehe Interview) ging der Frage nach, welche ökologischen und gestalterischen Tricks man in der Natur anwenden kann, und präsentierte experimentelle Algengärten, eine aufklappbare Wiese für unterwegs oder etwa einen Biogarten, der direkt an das Abfallrohr einer Toilette angeschlossen ist. Mögen die Zucchini prächtig gedeihen.

Man dürfe mit den Plänen und Entwürfen ja nicht übertreiben, sagte der belgische Landschaftsplaner Erik Dhont, doch einer Sache solle man stets gewahr sein: „Ein Garten wird niemals perfekt sein. Doch genau diese Unperfektheit ist es, die die Schönheit ausmacht.“

Große Tradition - und heute?

Kreativität in der freien Natur ist nichts Neues. „Ein Blick auf die Kulturgeschichte der Gärten zeigt, dass private Freiräume immer schon Orte der Innovation waren“, sagt Initiatorin Karin Standler, die das Symposium gemeinsam mit ihrem Kollegen Robert Froschauer bereits zum dritten Mal ins Leben rief. „Aber nicht immer werden die Potenziale ausgeschöpft. Hinzu kommt, dass innovative Gartenkultur wenig publiziert wird.“

Was in den Gartenmagazinen zu sehen ist, habe mit Landschaftsplanung nur wenig zu tun. Hobbygärtner gehen der Hecke an den Kragen, Teiche werden ausgebuddelt, Gartenzwerge hingestellt.

Wie man es besser machen kann, beweist der internationale Wettbewerb, zu dem im Vorfeld des Symposiums geladen wurde. Aus insgesamt 71 Einreichungen aus 17 Ländern weltweit wurden drei Projekte preislich gekürt, drei weitere wurden lobend erwähnt. Den neuartigsten und konsequentesten Ansatz lieferte der 24-jährige belgische Jungspund Albéric Moreels - und kassierte den mit 7000 Euro dotierten ersten Preis.

Moreels' Eingriff in den historischen Garten einer denkmalgeschützten Stadtvilla in Gent ist simpel, aber radikal: Die Symmetrie der Gartenanlage wird von organischen Holzskulpturen durchbrochen. Eines Tages werden sie unter stacheligen Kletterrosen begraben sein. Bei Dunkelheit lodert der Garten im roten Licht.

„Der Jury war es wichtig, ein Projekt auszuwählen, das ein Statement ist und nicht nur ein weiterer hübscher Garten“, erklärt Standler, „der ökologische Ansatz, die Low-Budget-Haltung und die Symbiose von Alt und Neu sind in dieser Form eine Rarität.“

Den zweiten Platz holte sich das Schweizer Büro Hager International mit einem Freiraumkonzept für eine aufgelassene Tankstelle in Berlin, die heute als Wohnatelier genutzt wird. Platz drei erging an den Brasilianer Carlos Teixeira mit seinem sogenannten Prothesis Garden in Nova Lima, wo Architektur und Natur beinhart aufeinandertreffen - Naturprothesen eben.

Im Vergleich zu den prämierten Gartenanlagen aus aller Welt leidet Österreichs grüner Daumen offenbar an einer ausgeprägten Form der Gicht. private plots liefert die nötige Medizin.

[ Preisträger und Anerkennungen unter www.privateplots.at. Zum Symposium ist das Buch „best private plots 08“ erschienen - mit einer Beschreibung aller nominierten Projekte. ISBN 978-3-9502424-1-6 ]

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