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Retter der Donau City?
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Vor wenigen Tagen feierlich eröffnet, ist der von Dominique Perrault entworfene DC Tower der unumstrittene Star in der Wiener Donau City. Noch ein böses Hochhaus mehr – oder tut es der Gegend sogar gut?

1. März 2014 - Franziska Leeb
Die Wiener Donau City, gedacht als neues urbanes Zentrum am nördlichen Donauufer, hat es nach nunmehr fünfzehn Jahren ihrer Existenz noch immer nicht geschafft, tatsächlich als solches wahrgenommen zu werden. „Wien ans Wasser“ lautete die Devise. Allein, vom Wasser ist nicht viel zu spüren, wenn man zwischen den beziehungslos nebeneinander aufragenden monofunktionalen Hochhäusern – entweder reine Büro- oder reine Wohntürme – durchspaziert („flanieren“ wäre ein zu feiner Ausdruck und mit mehr Genuss verbunden). Ein Anspruch an urbanistische Qualität wurde nie eingelöst, es fehlt ein erkennbares Gesamtkonzept, es mangelt an Aufenthaltsqualität in den Zwischenräumen, nicht nur wegen der häufig auftretenden starken Windströme zwischen den Türmen, sondern auch wegen der Lieblosigkeit, mit der der öffentliche Raum gestaltet – oder besser: nicht gestaltet wurde. Bezeichnend auch, dass es weder ein einzelnes Gebäude noch die ganze Skyline geschafft hätte, besondere ikonische Wirksamkeit zu erzielen.

Mit dem diese Woche offiziell eröffneten DC Tower hat die Donau City nun endlich ein Symbol. Der vom französischen Architekten Dominique Perrault geplante Turm ist mit 250 Metern das höchste Gebäude Österreichs. Trotz Fertigstellung ist er gewissermaßen noch ein Fragment. Vorgesehen ist ein 44 Geschoße niedrigerer Zwillingsturm, der laut Thomas Jakoubek, Vorstand des Bauträgers WED, abhängig von der Verwertungslage, voraussichtlich aber in zwei Jahren in Angriff genommen werden soll. Das projektierte Gegenüber ist denn auch ein Mitgrund für die Form des Turms mit der mehrfach geknickten, plastischen Ostfassade. Das Duo soll am Ende durch die gegenüberliegenden reliefierten Oberflächen wirken wieein in zwei Teile gebrochener Monolith, so Perrault.

Der „Faltenwurf“ soll aber auch auf die Wellen der vorbeifließenden Donau anspielen. Durch die Ausbildung einer plastischen und drei glatten Fassaden und mit 59 Metern Länge an den Breitseiten und nicht ganz halb so viel an den Schmalseiten ändert sich die Anmutung des Turmes, die je nach Blickpunkt von einer geradezu fragil wirkenden Schlankheit bis zu muskulöser Stämmigkeit variiert. Und die Nichtfarbigkeit der Fassade changiert je nach Tageszeit und Witterung von schimmerndem silbergrau zu finsterem Schwarz. Es lässt sich streiten, ob es aus städtebaulichen oder anderen Gründen eines so hohen Turms an der Stelle bedurft hätte.

Formal gibt es nichts zu beanstanden. Aus der Nähe erschließt sich die fein überlegte Fassadenstruktur, und erst dann bemerkt man auch, dass der schwarze Monolith an den drei planen Fassadenflächen von bronzefarbenen, linear nach oben strebenden Streifen durchzogen sind. Die mit Schlitzen durchbrochenen Alubleche sind dem Bau nicht nur eine dezente Zierde, sondern vor allem von praktischen Nutzen. Sie dienen als Absturzsicherung vor den dahinter liegenden, manuell zu öffnenden Lüftungsflügeln. An der geknickten Fassade waren solche öffenbaren Flügel nicht möglich. Direkte Frischluftzufuhr kommt hier durch eine in die Fensterprofile integrierte Lüftung, die ebenso einfach und nutzerfreundlich wie ein normaler Drehflügel zu aktivieren ist.

Innen führt Perrault – seit jeher ein Meister im Umgang mit puren Materialien – vor, dass harte, unbunte Stein- und Metalloberflächen durchaus imstande sind, eine angenehme Atmosphäre zu verbreiten. An Boden und Wänden findet sich ein österreichischer Granit, der je nach Oberflächenbehandlung – geflämmt auf dem Boden, sandgestrahlt an Wänden, poliert in den Restaurantbereichen – von unterschiedlicher Textur und Farbigkeit ist. Alles sehr klar und sehr schön erdacht und sauber umgesetzt. Dass der ambitionierte Entwurf des französischen Architektenstars sich nun so präsentiert, ist auch der Verdienst seines hiesigen Partnerbüros Hoffmann-Janz, das laut Franz Janz von der Einreich- über die Ausführungs- und Detailplanung etwa 70 Prozent der gesamten Architektenplanungsleistung erbracht hat. Aber wie sieht es mit dem Beitrag des Turms zum Quartier aus? Vermag er noch etwas zu retten?

Grundsätzlich hat man von Beginn an schon eines besser gemacht als bei den übrigen Türmen und eine gemischte Nutzung gefordert. Noch sind nicht alle Flächen vermietet und ausgebaut und harren noch – so wie die im 53. und 54. Stock liegenden zweigeschoßigen Lofts, die sowohl als Arbeits- als wie auch Wohnräume tauglich wären – des Endausbaus für wohlbestallte Nutzer. 18 Etagen beansprucht das bereits in Betrieb gegangene Hotel der spanischen Kette Meliá. Die Dachterrasse, durch die hochgezogene Fassade windgeschützt, wird zum Teil von der Bar darunter beansprucht, soll aber auch ohne Konsumzwang öffentlich zugänglich sein. Der Ausblick ist naturgemäß grandios, wenn man den Blick in die Weite schweifen lässt.

Senkt man ihn nach unten, offenbart sich hingegen selbst aus einer Distanz von einem Viertelkilometer das urbanistische Elend, in das dieses Juwel an Hochhaus hineingesetzt wurde. Dominique Perraults Kommentaren ist anzumerken, dass es ihm ein Anliegen und eine Herausforderung war, sein Möglichstes zur Verbesserung des Umfelds beizutragen. „Step by step“, meint er, wird sich nun die Qualität der trockenen und harten Umgebung verbessern. Der DC Tower ist das erste Hochhaus in der Donau City – wenn nicht überhaupt das erste in Wien –, bei dem man sich um die Gestaltung des unmittelbaren Umfelds bemüht hat.

Auf der Fußgängerebene äußert sich dies in mit Bambus bepflanzten Rabatten, die umrandet von Sitzbänken den Vorplatz strukturieren, und in den großen schwarzen Metallschirmen, die an Nord-, Ost- und Westseite dicht gesetzt nicht nur die Aufgabe haben, Schatten zu spenden und den Wind zu brechen, sondern dem Freiraum auch einemenschenfreundliche Dimension geben und die „Eruption des Turms abschwächen“, wie Perrault es ausdrückt. Eine Terrasse Richtung Donau und eine Abfolge an Treppenanlagen, die vor dem niedrigeren, bronzefarbenen Annexbau im Westen eine Verbindung auf die Straßenebene herstellen, tragen dazu bei, dass das Gebäude nicht ungespitzt in der Erde – oder besser gesagt: in der Betonplatte – verschwindet, sondern einen Dialog mit der Umgebung aufnimmt.

Des Autofahrers Orientierung erleichtern die Hotelvorfahrt und Garagenzufahrt unter freiem Himmel. Das schwarz-weiße Streifenmuster in der Garagenzufahrt wirkt apart, ist aber keine künstlerische Intervention von Daniel Buren, sondern schlichtweg eine gestreifte Färbelung. Wiewohl: bei einer Investitionssumme von 300 Millionen Euro hätte man schon mehr Kunst erwarten dürfen. Immerhin ist das Foyer mit einer Videoinstallation der amerikanischen Experimentalfilmerin Kasumi ausgestattet. „Schritt für Schritt“, sagt Perrault. Gerettet hat er die Donau City nicht, er hat ihr aber immerhin erstmals einen attraktiven Ort geschenkt.

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