Artikel

Ein Hauch von Gruß aus der Kü­che
Der Standard

Am 1. Mai wird in Mai­land die Ex­po 2015 er­öff­net. Die 99. Welt­aus­stel­lung steht un­ter dem Mot­to „Den Pla­ne­ten er­näh­ren. En­er­gie für das Le­ben“. Ös­ter­reich tischt ein grü­nes Luft­kraft­werk auf.

18. April 2015 - Wojciech Czaja
Schon ein­mal fand in Mai­land ei­ne Welt­aus­stel­lung statt, und zwar vor über hun­dert Jah­ren. Die Espo­si­zio­ne In­ter­na­zio­na­le 1906 stand un­ter dem Ge­ne­ral­the­ma Ver­kehr. Ge­zeigt wur­den Au­to­mo­bi­le, Luft­schif­fe und fu­tu­ris­ti­sche Ei­sen­bahn­vi­sio­nen. Ei­ne elek­tri­sche Hoch­bahn ver­band die un­ter­schied­li­chen Aus­stel­lungs­flä­chen mit­ein­an­der. Und noch wäh­rend der Ex­po wur­de der 20 Ki­lo­me­ter lan­ge Sim­plon­tun­nel zwi­schen der Schweiz und Ita­li­en in Be­trieb ge­nom­men. So sah da­mals Zu­kunft aus.

Ver­hält­nis­mä­ßig be­äng­sti­gend und apo­ka­lyp­tisch nimmt sich da­ge­gen das The­ma der glo­ba­len Na­bel­schau 2015 aus: „Den Pla­ne­ten er­näh­ren. En­er­gie für das Le­ben“ lau­tet das Mot­to, zu dem 142 Län­der aus al­ler Welt ih­ren Bei­trag leis­ten wer­den. Ob das Er­näh­rungs­pa­ra­dies bis zur Er­öff­nung am 1. Mai recht­zei­tig fer­tig­ge­stellt wer­den wird, ist je­doch frag­lich. Zu lan­ge stand die Bau­stel­le auf dem Mess­ege­län­de Rho/Pe­ro im Nor­den der Stadt still, zu of­fen­sicht­lich wa­ren die Schmier­geld­af­fä­ren der ka­la­bri­schen Ma­fia­or­ga­ni­sa­ti­on ’Ndrang­he­ta.

„Es gibt ei­ni­ge we­ni­ge aus­län­di­sche Pa­vil­lons, die ein biss­chen Ver­spä­tung ha­ben“, sag­te Ex­po-Chef Giu­sep­pe Sa­la kürz­lich in ei­nem In­ter­view mit der ARD. „Ge­wiss, wir ha­ben Feh­ler ge­macht, und es hat schwie­ri­ge Pha­sen ge­ge­ben, in de­nen es Be­ste­chungs­ver­su­che gab. Doch die Be­su­cher wer­den schon am er­sten Tag die Mög­lich­keit ha­ben, al­les zu se­hen.“ Dass es – ne­ben den Bei­trä­gen aus Russ­land und der Tür­kei – aus­ge­rech­net der ita­lie­ni­sche Pa­vil­lon ist, der noch am meis­ten ei­ner Bau­stel­le gleicht, scheint nicht wei­ter er­wäh­nens­wert. 300 Bau­ar­bei­ter sind Tag und Nacht vor Ort, um den fünf­stö­cki­gen Pracht­bau aus Mar­mor fer­tig­zu­stel­len.

Der 1,4 Ki­lo­me­ter lan­ge Ex­po-Bou­le­vard „De­cu­ma­nus“, an dem die meis­ten Pa­vil­lons auf­ge­fä­delt sind, wur­de von Da­ni­el Li­be­skind ge­stal­tet. Hin­zu kom­men di­ver­se Teil­pro­jek­te von Jac­ques Her­zog, Ri­chard Bur­dett und Ste­fa­no Boe­ri. Letz­te­rer, sei­nes Zei­chens Ar­chi­tekt und ehe­ma­li­ger, weil ge­schass­ter Ex­po-Kon­sul­ent der Stadt Mai­land, war fe­der­füh­rend an den Richt­li­ni­en für den Mas­ter­plan be­tei­ligt, die nach lan­gem Hin und Her von der Stadt ins Nir­wa­na ge­schickt wur­den.

„Wir woll­ten aus den Feh­lern der ver­gan­ge­nen Welt­aus­stel­lun­gen in Han­no­ver, Se­vil­la und Za­ra­go­za ler­nen und es bes­ser ma­chen“, sagt Boe­ri im Ge­spräch mit dem STAN­DARD . „Da­her ha­ben wir ei­nen gro­ßen bo­ta­ni­schen Gar­ten mit leich­ten, tem­po­rä­ren Auf­bau­ten vor­ge­schla­gen. Pas­send zum über­geord­ne­ten The­ma der Nah­rung war un­se­re Idee, das Are­al nach Ab­lauf der Ex­po in Acker­land zu ver­wan­deln. Die­ses Kon­zept je­doch war der Stadt Mai­land zu we­nig lu­kra­tiv.“

Was mit dem Ex­po-Ge­län­de ei­nes Ta­ges pas­sie­ren soll, ist un­ge­wiss. Bis heu­te lie­ge für das 1,7 Qua­drat­ki­lo­me­ter gro­ße Ge­län­de kein ent­spre­chen­des Nach­nut­zungs­kon­zept auf dem Tisch, so Boe­ri. Wahr­schein­lich ist, dass das Are­al dem be­ste­hen­den Rho/Pe­ro-Mess­ege­län­de zu­ge­schla­gen wird. Ge­naue Aus­sa­gen da­zu feh­len. 1,3 Mil­li­ar­den Eu­ro lässt sich der ita­lie­ni­sche Staat das Er­eig­nis kos­ten. Hin­zu kom­men ei­ne wei­te­re Mil­li­ar­de von den Teil­neh­mer­län­dern so­wie 350 Mil­lio­nen Eu­ro von pri­va­ten In­ves­to­ren. Um die­sen Preis wür­de man sich mehr als nur ei­ne tou­ris­tisch-wirt­schaft­li­che Nach­hal­tig­keit für die Lom­bar­dei wün­schen.

Über­aus nach­hal­tig, ja ge­ra­de­zu luf­tig er­scheint hin­ge­gen das Kon­zept des ös­ter­rei­chi­schen Pa­vil­lons. Ar­chi­tekt Klaus K. Lo­en­hart, der aus ei­nem zweis­tu­fi­gen Aus­wahl­ver­fah­ren als Sie­ger her­vor­ging, schöpft aus dem Schoß von Mut­ter Na­tur und schafft mit sei­nem Bei­trag „bre­at­he.aus­tria“ ein Stück­chen Wald in­mit­ten der sonst künst­li­chen Ex­po-Land­schaft.

Fri­sche Frisch­luft

„Oh­ne Es­sen kön­nen wir fünf Wo­chen aus­hal­ten, oh­ne Was­ser fünf Ta­ge, aber oh­ne Luft kei­ne fünf Mi­nu­ten“, er­zählt Klaus K. Lo­en­hart im Ge­spräch mit dem STAN­DARD . „So ge­se­hen ist Luft die wich­tigs­te Nah­rungs­quel­le für uns al­le.“ Er­zeugt wird die­se von ei­nem 560 Qua­drat­me­ter gro­ßen Wald, der aus der Mit­te des groß­teils of­fe­nen ös­ter­rei­chi­schen Pa­vil­lons her­aus­wu­chert. 1200 Stau­den, 120 Qua­drat­ma­ter Moos und fast 90 Bäu­me er­zeu­gen mit ver­ein­ten Kräf­ten 63 Ki­lo­gramm Sau­er­stoff pro Stun­de, ge­nug, um 1800 Men­schen zu ver­sor­gen. Fri­scher kann Frisch­luft nicht sein.

Doch wo­zu das Gan­ze? „Wis­sen Sie, es ist schon fast schi­zo­phren, ei­ne Ex­po un­ter dem Ti­tel Nah­rung und Nach­hal­tig­keit zu ma­chen und dann je­dem ein­zel­nen tem­po­rä­ren Pa­vil­lon ei­ne Kli­maan­la­ge aufs Dach zu knal­len“, er­klärt Lo­en­hart. „Un­ser Pa­vil­lon je­doch wird selbst im Som­mer oh­ne Kli­maan­la­ge aus­kom­men, denn die Küh­lung über­nimmt bei uns der Wald.“ Mit­tels Ven­ti­la­to­ren wird ein Sprüh­ne­bel über die Pflan­zen ver­teilt, die Tröpf­chen set­zen sich auf den Blät­tern fest, die Ver­duns­tung schließ­lich führt zu ei­ner wahr­lich er­kle­ckli­chen Ab­küh­lung des Rau­mes. Mit­hil­fe des 43.000 Qua­drat­me­ter gro­ßen Luft­kraft­werks – so groß ist die Sum­me der Blat­to­ber­flä­chen – kann der Pa­vil­lon im Hoch­som­mer um fünf bis sie­ben Grad Cel­si­us ge­kühlt wer­den.

Ös­ter­rei­chi­sche Luft­kom­pe­tenz

„Die Ex­po ist ein Mul­ti­pli­ka­tor für Wis­sen und Ide­en“, sagt der Ar­chi­tekt. „

Und ob­wohl der Pa­vil­lon am En­de wie­der ver­schwin­den wird, kann un­ser Bei­trag als Stel­lung­nah­me für ein kli­ma­be­wuss­tes und res­sour­cen­scho­nen­des Han­deln wei­ter­be­ste­hen.“ Wich­tig sei es, dass mit „bre­at­he.aus­tria“ kei­ne As­ke­se und kein res­tau­ra­ti­ves Ver­ständ­nis von Na­tur ver­mit­telt wer­de, so Lo­en­hart, son­dern ein in­teg­ra­ti­ver, ko­ope­ra­ti­ver und nicht zu­letzt ge­nuss­vol­ler An­satz. „Wir müs­sen um­den­ken, kei­ne Fra­ge. Es pres­siert. Aber müs­sen wir dem Kli­ma­wan­del nur mit Ver­zicht und Feh­ler­kor­rek­tur be­geg­nen?“

Der ös­ter­rei­chi­sche Bei­trag, meint auch Ru­dolf Ru­zi­cka, Ex­po-Pro­jekt­lei­ter in der Wirt­schafts­kam­mer Ös­ter­reich (WKÖ), sei ei­ne In­spi­ra­ti­on, um über die Zu­kunft von Ar­chi­tek­tur und Tech­nik nach­zu­den­ken. „Ös­ter­reich ist be­kannt für sei­ne Luft­kom­pe­tenz. Und das, was das Blatt tut, ist ein wich­ti­ger Dienst, auf den man in Zu­kunft öf­ter wird zu­rück­grei­fen müs­sen. Die­se Mess­age ist es, die wir – fer­nab von ir­gend­wel­chen na­tio­na­len Kli­schee­bil­dern – auf die­ser Ex­po trans­por­tie­ren möch­ten.“

Die Bau­kos­ten für „bre­at­he-aus­tria“ schla­gen mit 4,8 Mil­lio­nen Eu­ro zu Bu­che, Moos und Baum­schu­len­ma­te­ri­al in­klu­si­ve. Nach dem Ab­bau des Pa­vil­lons wer­den die Stau­den und bis zu 15 Me­ter ho­hen Bäu­me, da­run­ter ei­ne Hain­bu­che, die al­le an­de­ren Pa­vil­lons über­ragt – was für ei­ne sym­bol­träch­ti­ge Ge­ste für die­se Welt­aus­stel­lung – nach Bo­zen trans­por­tiert und zur Auf­fors­tung der Stadt ver­wen­det. Der Kreis schließt sich.

Wa­ren es frü­her Tech­nik und Ma­schi­ne, Vi­si­on und Uto­pie und nicht zu­letzt der Kon­kur­renz­kampf der Na­tio­nen, die den Welt­aus­stel­lun­gen ih­ren Stoff ga­ben, so mu­tiert die Ex­po mehr und mehr zu ei­ner glo­ba­len Jah­res­kon­fe­renz, auf der man über je­ne The­men dis­ku­tiert, die un­aus­weich­lich sind, und da­für im Kol­lek­tiv nach Lö­sun­gen sucht. Es geht im­mer­hin um die Er­näh­rung des Pla­ne­ten. Am 1. Mai wird sich wei­sen, ob Mai­land die­se Chan­ce wahr­ge­nom­men hat oder nicht.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: