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Etwas schönes anderes
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Ansehnliche Gewerbegebiete sind Mangelware. Der Betriebscluster in Theresienfeld im niederöster-reichischen Industrieviertel ist eines der raren Vorzeigebeispiele. Nachahmung erwünscht!

12. Dezember 2015 - Franziska Leeb
Die Hässlichkeit der Gewerbegebiete, die landauf, landab die Peripherien der Städte und Ortschaften prägen, fällt gar nicht mehr auf, weil sie zum Normalfall geworden ist und positive Beispiele rar sind. Steinmetze, Tischlereien, Spenglereien, Reparaturwerkstätten, Autohäuser brauchen viel Platz, verursachen Lärm und wurden daher aus den Zentren hinaus an die Stadtränder komplimentiert. Dort bauen sie sich in der größtmöglich vorstellbaren Trostlosigkeit zwischen Tankstellen und Großmärkten in (auto-)verkehrsgünstiger Lage ihre Betriebsanlagen. Alles halbwegs praktisch, jeder mehroder weniger unbeholfen um Aufmerksamkeit buhlend. Schön ist anders.

Daran ist oft weniger die formale Gestaltung der Einzelobjekte schuld – die zum Großteil allerdings ebenso zu wünschen lässt – als vielmehr das gedankenlose Nebeneinander von Supermärkten, Betriebsstätten, den zugehörigen Zufahrten, Lagerflächen und Parkplätzen und dazwischenliegenden Abstandsflächen. Die Schuld für das hässliche Ausfransen der Stadt- und Dorfränder den einzelnen Unternehmern zuzuschieben wäre zu einfach. Denn zu gering bis gar nicht vorhanden sind in den meisten Fällen die Ambitionen der zuständigen Baubehörden, bei Betriebsansiedlungen im Vorfeld städtebauliche und gestalterische Kriterien vorzugeben und entsprechende Konzepte zu überlegen. Längst scheinen sie vor den Individualinteressen der Betriebe kapituliert zu haben, und so herrscht in den Gewerbezonen eine Mentalität der Wurschtigkeit, in deren Windschatten alles an Plan- und Belanglosigkeiten wuchert, was man sich nur ausdenken kann.

Rar sind die gelungenen Beispiele, wie zum Beispiel der Millenniumpark in Lustenau, wo die Gemeinde Grundstücke angekauft hat und sich innerhalb eines städtebaulichen Gesamtkonzepts diverse Betriebe mit bemerkenswert guten Bauten angesiedelt haben. Leider nur ein Rumpf geblieben ist das Konzept von Architekt Johannes Wiesflecker für das Unternehmerzentrum Aldrans-Lans-Sistrans, wo es bis dato bei einem – 2007 fertiggestellten – Gebäude blieb. Die steirische Gemeinde Lang startete 2013 gemeinsam mit dem Grundstückseigentümer und Projektentwickler Bertran Conrad-Eybesfeld den Planungsprozess für ein Gewerbegebiet mit einem Studienauftrag an drei Architekturbüros (West 8, Gangoly & Kristiner mit Kersten Geers David Van Severen sowie Thomas Pucher), bei dem der Vorschlag des niederländischen Büros West 8 erstgereiht wurde. Ein gebautes Ergebnis gibt es hier bis dato nicht.

Angesichts einer spärlichen Ausbeute an Vorzeigebeispielen verdient daher die Initiative eines niederösterreichischen Unternehmers umso mehr Beachtung. Vor einigen Jahren begann Josef Kampichler im Gewerbegebiet von Theresienfeld bei Wiener Neustadt ausgehend von einer bestehenden Industriehalle gemeinsam mit dem Wiener Architekturbüro gerner°gerner plus nicht nur seinen eigenen Betrieb für Naturstein-Verarbeitung zu erweitern, sondern innerhalb des stetig wachsenden Ensembles auch Räumlichkeiten zur Vermietung an andere Firmen zu errichten. Der Auftrag an die Architekten bestand zunächst darin, in den Bestand Büroflächen zu integrieren und schließlich mit sukzessiver Vergrößerung des Betriebsareals für dasselbe auch ein formales Ende zu entwickeln. „Gestaltung geht diesem Bauherrn über alles“, erzählt Architekt Matthias Raiger, Partner im Büro gerner°gerner plus, voll des Lobes über die Zusammenarbeit. „Jemanden, der so detailverliebt ist, so kompromisslos Qualität sucht, findet man selten“, ergänzt Andreas Gerner. Denn Kampichler forderte nicht nur eine Aneinanderreihung von praktikablen Betriebsstätten, er wünschte ein gut proportioniertes Ganzes in hoher gestalterischer Qualität.

Die Bestandshalle wurde um weitere Hallenabschnitte zu einer 180 Meter langen Box erweitert, deren östliches Ende mit einer verglasten Erdgeschoßzone zurückspringt. Je nach Anforderungen der Mieter – darunter eine Betontechnikfirma, eine Glaserei, eine Dreherei und eine Firma für Antriebstechnik – wurden Büros und direkt von den Hallen zugängliche Meisterkabinen, Sanitärräume und Arbeitergarderoben eingerichtet. Allesamt gleich hochwertig ausgestattet, mit Eichenparkett, Stufen und Parapetverkleidungen aus Naturstein in den Büros und Terrazzoböden in den hallenseitigen Einbauten. Felder aus dunkel geöltem Holz beiderseits der Sektionaltore zu den einzelnen Firmenhallen sorgen für eine gute Proportionalität der langen Hallenschachtel. Es gibt kein Wirrwarr an Firmenschildern und Aufschriften; wo und in welcher Typografie beschriftet wird, ist vorgegeben.

Beton als Baumaterial war naheliegend, weil erstens durch den Bestand schon vorgegeben und zweitens vom eigenen Steinmetzbetrieb gut bearbeitbar. Seine Qualitäten wurden vor allem bei der straßenseitigen Fassung des Geländes voll ausgespielt. Ortbeton in Sichtbetonqualität ummantelt sowohl die Reihe der Lagerhallen mit Holzschiebetoren als auch die offenen, nur teilweise überdachten Lagerflächen. Die Sichtschutzwinkel für Letztere erwachsen spitzwinkelig aus dem Boden, Tore oder begrenzende Zäune gibt es nicht. Je nach Standpunkt gibt es Durch- und Ausblicke zwischen den auf nicht orthogonalen Grundrissen errichteten Lagerhallen zur Straße, oder die Front scheint sich ganz zu schließen, womit die Lagerbauten für Intimität auf dem Gelände sorgen, ohne es völlig abzuschotten.

Es handelt sich um einen Industriebau, überkandidelt veredelte Oberflächen gibt es nicht, aber das Einfache wurde denkbar minimalistisch und präzise ohne überflüssiges Beiwerk ausgeführt. Die Schalungsbilder wurden exakt geplant, der Ortbeton sandgestrahlt und hydrophobiert, damit es keine unschönen Feuchtigkeitsflecken gibt. Auf Verblechungen, die den skulpturalen Charakter gestört hätten, wurde verzichtet. Das Wasser wird über die schrägen Dachflächen und sparsame Öffnungen sowie eine innen liegende Entwässerung bei den geschlossenen Hallen abgeführt. Sehr schön, sehr aufgeräumt, eine gute Arbeitsumgebung.

Die Zufriedenheit der Mieter ist groß, keiner beschwert sich über zu rigide Vorgaben. „Architecture sells“: Das gilt nicht nur in der schicken Boutique oder im Nobelbeisl, sondern offensichtlich auch im Handwerksbetrieb, selbst wenn hier die Kundenfrequenz geringer und Laufkundschaft ohnedies nicht zu erwarten ist. Nachahmung dringend empfohlen!

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