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Eine Ausnahmeerscheinung
Oberösterreichische Nachrichten

Eigenheim muss nicht sein – das Land ist schon genug zersiedelt. Wenn, dann bitte kompakt, ökologisch und mit Sinn für die Umgebung.

7. März 2018 - Tobias Hagleitner
Der Bauplatz liegt an einem sanft geneigten Osthang am Rand einer Einfamilienhaussiedlung, die hier, auf halbem Weg zwischen den Ortskernen von Windischgarsten und Roßleithen, seit gut zwanzig Jahren langsam aber kontinuierlich bergwärts wächst.

Verständlich, dass in dieser Lage gern gebaut wird. Das Panorama in die Bergwelt der Pyhrn-Priel-Region und hinunter ins Windischgarstener Becken ist phänomenal, hinterm Haus schließen Wiesen und Wälder an. Wer Sinn für dieses sensible Umfeld hat, steht vor einer schwierigen Aufgabe. Es gilt, räumliche Qualitäten zu erhalten und zu nutzen, die zugleich mit dem neuen Haus ein weiteres Stück zurückgedrängt werden.
Reduziertes Repertoire

Das nötige Feingefühl für dieses Dilemma war beim „Haus mit Giebel“ gegeben. Und zwar von Seiten der Planenden genauso wie von der Bauherrschaft. Die junge Familie wünschte sich ein Haus, das sich in die Umgebung fügt, das die Natur und die Aussicht wirksam in den Wohnraum holt. Sie wollte ruhiges, aufgeräumtes Design in Holz, Beton und Glas. Das waren Qualitätsansprüche, die Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm alias mia2/ARCHITEKTUR mit Freude aufgriffen.

Mit einer bewusst reduzierten Auswahl an Materialien und Formen entwarfen sie ein Haus, das schlicht ist und komplex zugleich. Schlicht in der Art, wie es dasteht in seiner klaren, wohlproportionierten Struktur aus Sockel, Erdgeschoß und Dach. Komplex in der räumlichen Vielfalt, die es bietet. „Wir mögen keine Sackgassengrundrisse“, erklärt Sandra Gnigler: „Wir versuchen, den Raum als Kontinuum zu fassen.“ Und das ist gelungen. Es ist ein Haus der gut gestalteten Übergänge – hausintern von Raum zu Raum, aber auch von innen nach außen.

Raffinierte Räume

Hangseitig verschwindet das Erdgeschoß gut einen halben Meter tief im Gelände, sodass der Wohnraum wie ein Gefäß vom Sockel und der anschließenden Wiese umfangen wird. Talwärts, vier Stufen nach oben, entfalten sich Essbereich und Küche mit viel Luftraum bis hinauf zum First. Noch luftiger lässt es sich im Sommer einrichten, wenn die großen Fenster übers Eck zur Gänze aufgeschoben werden.

Das leicht erhöhte „Zwischenpodest“ der Wohnküche verdankt sich dem darunterliegenden kleinen Keller für Lager und Haustechnik. Die versetzte Geschoßigkeit macht sich die topografischen Eigenheiten des Grundstücks ideal zunutze. Die leicht erhabene Position, die sich so ergibt, bietet beste Sichtverhältnisse, über die Nachbarschaft hinweg, hinaus in die Bergkulisse.

Formal und organisatorisch raffiniert, ist das Haus auch ökologisch vorbildlich. Das Volumen wurde kompakt gehalten, der Flächenverbrauch bestmöglich beschränkt. Es wurde konsequent aus Holz errichtet und natürlich gedämmt. Bemerkenswert ist zudem der hohe Anteil an Eigenleistung. Beim Betonieren des Kellers, bei der Fassade aus geflämmten Brettern am Giebeldreieck oder der Inneneinrichtung beteiligte sich die Bauherrschaft mit etlichen Arbeitsstunden.

Das Haus strahlt das aus. Es ist spürbar, dass es etwas zu tun hat mit den Leuten, die es für sich errichtet haben und mit der Landschaft, in der es steht. Das macht eine sympathische Aura. Und darin unterscheidet es sich so angenehm von den vielen Häusern, die blind Vorbilder von anderswo kopieren oder gleich laut Katalog geliefert werden. Im Preis zeigt sich letztlich, dass dieses individuelle, maßgeschneiderte Planen und Bauen nichts mit überteuertem Luxus zu tun haben muss, wenn die Architekten ihr Handwerk beherrschen.

Und das tun die beiden: Anlässlich der Heinrich-Gleißner-Preisverleihung an die Welser Architekten Luger&Maul vor wenigen Wochen wurde auf deren Vorschlag der Förderpreis an Sandra Gnigler und Gunar Wilhelm vergeben.

In ihren Arbeiten zeige sich „hohes Engagement für gute zeitgemäße Architektur ohne Hang zum modisch-spektakulären, wohl aber zum handwerklich richtigen und gestalterisch überlegten Bauen“, so Luger&Maul in ihrer Begründung.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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