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Staatspreis für Architektur 2010
ArchitekturpreisWien (A)
Staatspreis für Architektur 2010, Foto: Bruno Klomfar
Preisverleihung: 16. Dezember 2010

Erst Mensch, dann Maschine

Vor kurzem wurde der Staatspreis Architektur für Industriebauten und Gewerbeimmobilien vergeben: Es siegte das soziale Moment

31. Dezember 2010 - Wojciech Czaja
Arthur Krupp war ein Mann mit Visionen. Als der Großindustrielle 1879 seinen elterlichen Betrieb übernahm, beschloss er, das Unternehmen und die Gemeinde zu einem architektonischen und infrastrukturellen Vorzeigeprojekt auszubauen. Zur Berndorfer Metallwarenfabrik im südlichen Niederösterreich gehörten nicht nur Produktionshallen, sondern auch Arbeiterhäuser, ein Konsumverein, ein eigener Schlachthof sowie ein Freibad, das im Winter als Natureisbahn diente.

Bekannt wurde Krupp vor allem für den Bau der beiden Volksschulen für Buben und Mädchen, die - revolutionär für damalige Verhältnisse - bereits mit Zentralheizung und Duschen ausgestattet waren. Außerdem war jedes Klassenzimmer in einem anderen historischen Stil ausgemalt. Die Bandbreite reichte von ägyptischen und maurischen über romanische und gotische Lehrräume bis hin zu solchen, die mit Schnörkseln des Barock und Rokoko ausstaffiert wurden. Die Zimmer sind bis heute erhalten.

Insgesamt investierte Krupp in den Ausbau der Berndorfer Gemeinde umgerechnet rund 200 Millionen Euro. Ungefähr die Hälfte des Geldes stammt aus seinem eigenen Privatvermögen. Für seine Taten wurde der Industriemagnat von Kaiser Karl I. sogar zum Geheimen Rat ernannt.

Was heutzutage so schön als CSR - Corporate Social Responsibility - angepriesen wird, ist also bei weitem kein Novum der Nullerjahre, sondern eine alte und längst bewährte Idee in neudeutschen Wortkleidern.

Der sogenannte Mehrwert für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat jedoch nicht nur sozial-altruistischen Hintergrund. Er dient vor allem dem Unternehmen selbst. Zufriedene Arbeitskräfte sorgen erwiesenermaßen für mehr Umsatz, gleichzeitig steigt das Image der Firma.

Zufriedenheit am Arbeitsplatz

In einer Studie, die heuer an der University of Exeter, Großbritannien, durchgeführt wurde, stellten die beiden Psychologen Craig Knight und Alex Haslam einen direkten Zusammenhang zwischen Mitspracherecht der Mitarbeiter, Zufriedenheit am Arbeitsplatz und Produktivität fest. Unter optimierten Arbeitsbedingungen stieg der Output um bis zu 32 Prozent.

„Das Bürodesign hat nicht nur einen Einfluss darauf, ob Menschen bei der Arbeit der Rücken wehtut, sondern auch darauf, wie viel sie leisten, wie viel Initiative sie zeigen und wie zufrieden sie mit ihrer Arbeit sind“, lautet das Resultat der Studie, an dem 2000 Probanten teilnahmen.

Ortswechsel, Tirol: „Wir fühlen uns in den neuen Räumen absolut wohl“, sagt etwa Maria Steinlechner, die im Vertrieb bei Swarovski Optik KG in Absam arbeitet. „Die Architekten haben uns am Anfang nach unseren Wünschen befragt und diese dann in die Planung miteinfließen lassen. Das ist nicht Standard, denn meistens findet das Gespräch nur in der Chefetage statt. Wir wissen das sehr zu schätzen.“

Genau das war der Plan. „Wenn man sich immer nur mit den Geschäftsführern, Vorstandsvorsitzenden und Abteilungsleitern unterhält, dann kommt man an den Kern des Unternehmens nicht heran“, erklärt Wolfgang Pöschl vom Architekturbüro tatanka. „Woher sonst soll man wissen, ob die Leute lieber in offenen Büros arbeiten oder in geschlossenen, ob sie lieber alleine arbeiten oder in der Gruppe, ob sie lieber Blau haben oder Rot.“

Vor kurzem wurde der rundum sanierte und erweiterte Büro- und Verwaltungssitz der Swarovski Optik KG mit dem Staatspreis Architektur 2010 in der Kategorie „Mittel- und Großbetriebe“ ausgezeichnet. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben. Prämiert wurden heuer Realisierungen aus dem Bereich Industriebauten und Gewerbeimmobilien.

„Ich war extrem überrascht zu hören, dass wir für dieses Projekt den Staatspreis bekommen haben“, sagt Pöschl zum Standard. „Schauen Sie selbst, das ist ein Projekt, das sich einem erst auf den zweiten Blick erschließt. Es ist weder besonders fotogen, noch reißt es einen vom Hocker wie irgendein riesiges Gebilde um dutzende Millionen von Euro. Ich bin sehr froh, dass die Jury den Aufwand auf sich genommen hat, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und sich das Gebäude im Detail anzuschauen.“

Das bestätigt auch der Juryvorsitzende Christian Kühn von der Architekturstiftung Österreich: „Es geht in der Industrie- und Gewerbearchitektur längst nicht mehr nur darum, gut funktionierende Gebäude zu errichten. Und auch das Bauwerk als Wahrzeichen steht nicht mehr im Vordergrund wie noch vor zehn oder 20 Jahren“, so Kühn.

Viel eher könne man heute beobachten, dass immer mehr Betriebe und Konzerne damit anfangen, soziale Verantwortung zu übernehmen. Neben dem reibungslosen Funktionsablauf und der Produktion eines feschen und entsprechend wirksamen Werbetrikots geht es vor allem um das soziale und gesundheitliche Klima am Arbeitsplatz.

So etwa auch bei der Büro- und Lagerhalle der Sohm Holzbautechnik GmbH in Alberschwende, Vorarlberg. Der innovative Holzbau wurde in der Kategorie „Klein- und Kleinstbetriebe“ ebenfalls mit dem heurigen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet.

Errichtet wurde es mit jener Technologie, für die das Unternehmen selbst steht und die es unter Häuslbauern, Bauträgern und diversen Firmen seit 1990 vertreibt - mit der sogenannten Diagonaldübelholztechnik. Die Bauweise kommt gänzlich ohne Leime, Klebstoffe und Metallverbindungen aus, die Wände und Decken halten einzig und allein durch schräg eingetriebene Dübel, die in ihrer endgültigen Position aufquellen und die Bauteile auf ewig miteinander binden.

Die gleiche Wellenlänge

„Das ist ein cleveres und wunderschönes Produkt“, sagt der preistragende Architekt Hermann Kaufmann. „Es ist ökologisch, zu 100 Prozent recyclebar und setzt im eingebauten Zustand keinerlei Emissionen frei, weil es ohne zusätzliche Verbindungsmittel auskommt. So eine Bauweise hat natürlich Auswirkungen auf das Klima am Arbeitsplatz.“

Die Qualität der Industrie- und Gewerbeprojekte habe in den letzten Jahren zugenommen, erklärt Christian Kühn. „Einerseits gibt es im Industriebau die Möglichkeit, Dinge experimentell auszuprobieren, andererseits stößt man mit hochwertiger Architektur bei produzierenden Gewerben immer häufiger auf offene Ohren. Es treffen Leute mit gleicher Wellenlänge aufeinander. Jeder will nur das Beste bauen.“

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