Award

wienwood 15
Holzbaupreis - proHolz Austria - Wien (A)
Jury: Robert Böhm, Tom Kaden, Otto Kapfinger, Sylvia Polleres, Reinhard Wiederkehr, Dietger Wissounig
Veranstalter: proHolz Austria, Robert Böhm
Preisverleihung: 24. September 2015

Ein Brett vorm Kopf

Ja, auch in Wien gibt es Holz. Ei­ne Ju­ry hat die be­sten Holz­bau­ten der letz­ten zehn Jah­re un­ter die Lu­pe ge­nom­men und prä­miert. Am Don­ners­tag­abend wur­de der wien­wood 15 über­ge­ben.

26. September 2015 - Wojciech Czaja
400 Qua­drat­me­ter Frei­heit. So groß ist die Flä­che der insge­samt vier Hort­grup­pen oben im er­sten Stock. 100 Kin­der zwi­schen sechs und zehn Jah­ren to­ben hier all­nach­mit­tags hin und her und kreuz und quer und wild durch­ein­an­der, oh­ne dass man je so ge­nau sa­gen kann, wer ei­gent­lich wo hin­ge­hört. Das mag wohl auch da­ran lie­gen, dass es im ge­sam­ten Hort­be­reich kei­ne ein­zi­ge Tür, kei­ne ein­zi­ge Trenn­wand, kei­ne ein­zi­ge räum­li­che Ein­schrän­kung gibt. Vor­ge­stern, Don­ners­tag, wur­de der Kin­der­gar­ten Schu­ko­witz­gas­se in Wien-Don­aus­tadt als ei­nes von ins­ge­samt sechs Pro­jek­ten mit dem Holz­bau­preis wien­wood 15 ausgezeichnet.

„Ich muss ge­ste­hen, dass die of­fe­ne Hort­grup­pe auf so gro­ßer Flä­che ein ziem­li­ches Um­den­ken war“, er­in­nert sich die Kin­der­gar­ten­lei­te­rin Ger­tru­de Meis­ter. „Es dau­ert vie­le Mo­na­te, ja viel­leicht so­gar Jah­re, bis man sich da­ran ge­wöhnt und da­mit zu ar­bei­ten be­gon­nen hat, dass so ei­ne Öff­nung al­ter, ein­ze­men­tier­ter Mus­ter nicht nur Nach­tei­le, son­dern auch sehr vie­le Vor­tei­le mit sich bringt.“

Stu­di­en be­le­gen, dass Kin­der in gro­ßen Grup­pen ten­den­zi­ell ru­hi­ger sind und we­ni­ger Ag­gres­si­ons­po­ten­zi­al ha­ben. Hin­zu kom­me, so Meis­ter, das Er­ler­nen von Frei­heit und Wahl­mög­lich­keit: „Na­tür­lich bin ich als Hort­kind ei­ner be­stimm­ten Grup­pe und ei­ner be­stimm­ten Pä­da­go­gin zu­geord­net. Aber in so ei­ner Kin­der­ta­ges­stät­te oh­ne Mau­ern ler­ne ich, dass ich letz­tend­lich selbst Ver­ant­wor­tung über­neh­men und mir den Tag auch nach mei­nen ei­ge­nen Vor­lie­ben ge­stal­ten kann.“

Der Ein­satz von Holz spielt in die­sem Raum, dem viel­zi­tier­ten drit­ten Pä­da­go­gen, ei­ne wich­ti­ge Rol­le. Ei­ner­seits deckt das Holz sämt­li­che hier be­nö­tig­ten An­for­de­run­gen an Akus­tik und Raum­be­hag­lich­keit ab. An­de­rer­seits – auch das be­le­gen Un­ter­su­chun­gen der letz­ten Jah­re – wirkt sich ei­ne höl­zer­ne Um­ge­bung auf Kin­der und Ju­gend­li­che be­ru­hi­gend im Sin­ne der Herz­fre­quenz und för­der­lich im Sin­ne der Kon­zen­tra­ti­on aus. Mit an­de­ren Ma­te­ria­li­en wä­re ein sol­ches pä­da­go­gi­sches Kon­zept zwar nicht un­mög­lich, aber schwie­ri­ger in der Um­set­zung.

700 Eu­ro Heiz­kos­ten pro Jahr

„Was mir bei die­sem Pro­jekt so gut ge­fällt, ist der gu­te Al­te­rungs­pro­zess des Hau­ses“, sagt Cle­mens Kirsch, Sie­ger des 2009 aus­ge­schrie­be­nen, EU-wei­ten Wett­be­werbs und Er­bau­er des Kin­der­gar­tens, der nun sei­ne sech­ste Sai­son be­strei­tet. „Das Holz al­tert schön und wür­de­voll. Die fünf Jah­re seit Er­öff­nung sind dem Haus kaum an­zu­se­hen.“ Was den Wie­ner Ar­chi­tek­ten be­son­ders freut: Die in der Pla­nungs­pha­se kal­ku­lier­ten Be­triebs­kos­ten konn­ten – fast, al­so mit ei­ner ge­rin­gen Über­schrei­tung – ein­ge­hal­ten wer­den. Im Schnitt be­lau­fen sich die Heiz- und Kühl­kos­ten die­ses mit ei­ner Wär­me­pum­pe aus­ge­stat­te­ten 1200 Qua­drat­me­ter gro­ßen Hau­ses auf ge­ra­de mal 700 Eu­ro pro Jahr. Das er­füllt selbst Be­woh­ner ei­ner mit­tel­gro­ßen Neu­bau­woh­nung mit Neid.

Er­rich­tet wur­de der Kin­der­gar­ten Schu­ko­witz­gas­se als so­ge­nann­ter Holz­hy­brid­bau. Das heißt: Meh­re­re Ma­te­ria­li­en wie et­wa Be­ton, Stahl und Holz wur­den je nach sta­ti­scher und bau­phy­si­ka­li­scher An­for­de­rung mit­ein­an­der kom­bi­niert, wo­bei der Holz­an­teil mit mehr als 50 Pro­zent deut­lich über­wiegt. Kirsch: „Bo­den­plat­te, De­cke, Säu­len und Stie­ge sind aus Stahl­be­ton. Der Rest be­steht aus Holz­ele­men­ten, die im Bre­gen­zer­wald halb vor­ge­fer­tigt und an­schlie­ßend per Tief­la­der nach Wien trans­por­tiert wur­den.“ In nur 14 Ta­gen war die zim­mer­manns­mä­ßi­ge Mon­ta­ge der Ele­men­te vor Ort ab­ge­schlos­sen.

„Da ist noch Luft nach oben“

Knapp ein Vier­tel al­ler heu­te Jahr für Jahr in Wien ein­ge­reich­ten Pro­jek­te sind be­reits Holz­bau­ten. „Da hat sich in den letz­ten 20 Jah­ren schon sehr viel ge­tan“, meint Al­fred Tei­schin­ger, Pro­fes­sor für Holz­tech­no­lo­gie und nach­wach­sen­de Roh­stof­fe an der Bo­ku Wien, der al­le fünf Jah­re um­fang­rei­che bun­des­wei­te Er­he­bun­gen zu die­sem The­ma macht. „Ge­mes­sen an Ge­samt­ös­ter­reich, wo auf­grund sei­nes ho­hen Wald- an­teils be­reits 43 Pro­zent al­ler Neu­bau­ten in Holz er­rich­tet wer­den, ist das aber noch im­mer ziem­lich we­nig. Da ist noch Luft nach oben.“

Auf die­se Ent­wi­cklungs­po­ten­zia­le hin­zu­wei­sen und die­se Luft nach oben aus­zu­nut­zen, das ist die Mis­si­on des wien­wood 15, der als Ge­mein­schafts­pro­jekt von pro­Holz Aus­tria, Ar­chi­tek­tur­zen­trum Wien und Stadt Wien heu­er zum zwei­ten Mal ver­ge­ben wur­de. „Mit die­sem Preis“, sagt Georg Bin­der, Ge­schäfts­füh­rer von pro­Holz Aus­tria, „möch­ten wir Holz der Be­völ­ke­rung, vor al­lem aber den Be­hör­den ins Ge­dächt­nis ru­fen. Mei­ne Vi­si­on ist, Holz in der Stadt als voll­wer­ti­gen und gleich­be­rech­tig­ten Bau­stoff zu eta­blie­ren.“

Die­sen Zu­stand gab es in der Ver­gan­gen­heit be­reits des Öf­te­ren. Die his­to­ri­schen Fach­werk­häu­ser in Deutsch­land und Frank­reich prä­gen bis heu­te das Er­schei­nungs­bild gan­zer Groß­städ­te. Und hier­zu­lan­de? „Al­lein das grün­der­zeit­li­che Wien wä­re oh­ne Holz ab­so­lut un­denk­bar“, sagt Ar­chi­tekt Cle­mens Kirsch und ver­weist auf die in Holz er­rich­te­ten Tram­de­cken und Dach­stüh­le die­ser Bau­ten. Bes­ser als an­hand die­ser mehr als hun­dert Jah­re al­ten Häu­ser kann man Nach­hal­tig­keit nicht dar­stel­len.“

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at