Award

wienwood 05
Holzbaupreis - proHolz Austria - Wien (A)
Veranstalter: proHolz Austria
Preisverleihung: 21. Oktober 2005

Die Bauten schlagen aus

Holzbau in Wien? Woody Woodpecker hat sich sieben richtungsweisende Projekte für eine Preisverleihung herausgepickt. der Standard präsentiert die Resultate des wienwood 05.

22. Oktober 2005 - Wojciech Czaja
Es nachtet in Simmering, Stille und Dunkelheit haben sich am Leberberg breit gemacht. Nur ab und zu rast ein Auto vorbei, drosselt vor dem Zebrastreifen die Geschwindigkeit, überwindet den hinderlichen Bremshügel, zischt gleich wieder weiter. Groß und dramatisch beleuchtet steht da ein silbrig grau schimmerndes Wohnhaus. Irgendwie sehr cool auf den ersten Blick, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dass justament dieses Haus bei einem Holzbaupreis den Sieg einsacken kann, macht einen dann doch etwas stutzig. Keine einzige Bestätigung all unserer Vermutungen, die im tiefen Fundus der sperrig holzigen Klischees so mühsam herausgewühlt wurden.

Die Rede ist vom Holzbaupreis, der erstmals auch in der Bundeshauptstadt vergeben wird. wienwood 05 nennt sich die - auf Initiative von proHolz - vergebene Ehrung, die heuer an sieben Projekte verliehen wurde; weitere sechs erhielten eine lobende Auszeichnung. Doch zurück zum besagten Leberberg, wo Geiswinkler & Geiswinkler für „Neues Leben“ die so genannte Gartensiedlung am Hofgartel planten und umsetzten. Weithin bekannte Parameter des neuen sozialen Wohnbaus prägen das ästhetisch strenge Korsett des Wohnhauses: Laubengangerschließung, schlicht und zurückhaltend im Geiste der Zeit, gelegentlich ein wenig Sichtbeton - ganz kann man sich dem Reiz der Architekturnacktheit wohl auch nicht entziehen.

Doch - und das ist das Außergewöhnliche - das Skelett des Hauses ist bis ins vierte Geschoß aus Holz. Kein Knarren und Knistern, kein fichtenes oder kieferliches Almglück, stattdessen werden die urbanen Großstadtbewohner an ihrer materiell etwas irritierten Nase herumgeführt. Dass die Kombination aus Holz, Beton und Stahl nicht zwangsweise einen Widerspruch bedeuten muss, stellt sich als architektonisch weitsichtiger Beitrag heraus.

Ganz anders tritt der mehrgeschoßige Wohnbau in der Spöttlgasse auf. Architekt Hubert Rieß stülpt das Material der Begierde nach außen, wo es wie ein Bücherregal vor der eigentlichen Fassade des Gebäudes abgestellt scheint. Noch stehen die einzelnen Fächer leer, doch im Gegensatz zum kleinmaßstäbigen Paten aus dem Möbelhaus werden die Bewohner hier keine gebundenen Zeugen des Wissens ausstellen; vielmehr sind sie dazu aufgefordert, die großzügige Loggia im Laufe der Zeit mit dem ganz persönlichen Wohnkrempel zu bespielen. Jedes Fach anders, jedes Fach belebt - und das ist keine Selbstverständlichkeit angesichts der sonst so beliebten Volksdisziplinierungsversuche mancher Architekten. Mitunter bricht andernorts schon eine ästhetische Tragödie aus, wenn jemand seine scheckige Bettwäsche zum Lüften hinausgehängt hat.

Derselbe Architekt, ein anderes Projekt: Beim Haus Sigmund musste man in erster Linie mit den Nachteilen städtischer Beglückung fertig werden. Recht enge Platzverhältnisse auf dem Grundstück - eine Bauweise aus Holzmodulen schien die unausweichliche Antwort. Dass in dieser beplankten Architekturlandschaft sechs großzügige Wohnungen untergebracht sind, sieht man der Holzkiste - ganz im Geiste der Vorarlberger Kistenbauer, der Architekt indes ist Grazer - wahrlich nicht an. Holz ist also nicht mehr eine alleinige Frage der Region, sondern wird interregional. Allmählich, immerhin.

Kennen Sie die Situation, in der man als Normalsterblicher dem Faible für Abgefucktes und Verbrauchtes einfach nicht auf die Spur kommen möchte? Die schwarz gekleideten Entwerfer - da haben wir also wieder die Klischees - deuten auf ein rostiges und runzelig verwittertes Häufchen Architektur und sprechen von der ach so angehimmelten Patina, die nach Jahren das traute Heim in einen hübschen Schleier der Abnützung hüllen soll. Oft nimmt man den Planern diesen argumentativen Allzweck-Gag ab, meist aber humpelt die alte Baronin Patina als hatscherte Ausrede eben dafür hinterher, dass man die Langzeitwirkung nicht besser in den Griff bekommen hat. Selbst denkt man dabei immer an die Kupferkuppel der Karlskirche, den Atem verschlägt es einem dabei aber nicht.

Doch in der Tat kann diese Patina mehr sein, und sie kann auch wirklich schön sein. Das Haus W. von kunath-trenkwalder ist so ein abgewitterter Zeitzeuge. Weniger ein Wohnhaus als vielmehr ein holziges Geisterschloss. Von außen kann man dem witterungsgezeichneten Haus die Anzahl der Geschoße gar nicht ablesen. Doch kaum einmal drinnen, entpuppt sich das Einfamilienhaus als stiller Tribut an den verschachtelten Raumplan von Adolf Loos. Hier gibt es keine Stockwerke, sondern lediglich eine respektable Summe an unterschiedlichen Ebenen, die räumlich sehr spannend und intelligent gelöst sind.

Mit Einfamilienhäusern geht es auch weiter. Frank und Erschen Architekten haben in Wien-Liesing ein bestehendes Häuschen zu einem ausgewachsenen Haus Grabler aufgestockt. Der Bestand ist in seinen Grundzügen erhalten geblieben, diesem Sockel allerdings ist ein expressives Hallo aufgesetzt worden. Wie ein Trichter saugt das oben liegende Wohnzimmer die Landschaftsbilder ein. Hier deutet nichts auf einen Holzbau hin, das Material nimmt sich bis zum konstruktiven Understatement zurück.

Wien hat auch Hänge, viele davon in Wien-Penzing, an den Ausläufern des Wienerwaldes. Gleich zwei Bauwerke, die den wienwood 05 einheimsen konnten, sind dort zu finden. thaler.thaler architekten mit ihrem Patiohaus und Ablinger, Vedral & Partner mit dem unmissverständlich getauften Haus am Hang. In beiden Fällen hat sich das Holz diesmal wieder an die Fassade getraut und ist ausschlaggebendes Gestaltungsmittel.

Ist es ein Zufall, dass sämtliche sieben wienwood-Preise an Wohnbauten vergeben wurden? „Die architektonische Qualität war hier mit Abstand am dichtesten“, so die Jury, der auch Archiv-Doyen Friedrich Achleitner angehörte. Mit Holz zu bauen, wird einem in Wien aber nicht wirklich leicht gemacht. Zwar ist es in der Wiener Bauordnung in den vergangenen paar Jahren zu etwas aufgelockerten Novellierungen gekommen, doch nach wie vor wird alles, was über einen gewöhnlichen Gartenschuppen hinausgeht, bereits als bedrohliche Brandlast angesehen.

Holz brennt? Ja, natürlich. Aber gleichzeitig ist Holz auch der beste Brandschutz, den es überhaupt gibt. In der Steiermark beispielsweise hat sich das schon etwas schneller herumgesprochen, da steht mehrgeschoßiger Wohnbau in Holzbauweise bereits an der - hölzern ehrlicherweise noch etwas schlanken - Tagesordnung der Architekturschaffens.

„Holz ist genial“, besagt der Werbespot in deutschsprachigen Kinos. Und so viel muss man sich schon eingestehen: Stahl, Glas und Beton sind natürlich auch nicht ohne. Ein materielles Patentrezept können weder Architekten noch Medien an den Mann und an die Frau bringen. Doch wie die Preisträger des diesjährigen, ersten wienwood belegen, gibt es selbst in der dicht bebauten Bundeshauptstadt ganz fesche Anschauungsbeispiele, was man mit Holz alles machen kann. Es muss ja nicht immer der Kleingartencharme der Geräteschuppen sein, die man im Baumarkt kaufen und gleich mit heimnehmen kann.

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