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nextroom fragt: Georg Bechter
nextroom fragt: Georg Bechter, Portraitfoto: Adolf Bereuter

Jedes Projekt stellt für Georg Bechter eine Herausforderung dar, die von Grund auf neu gedacht und entwickelt wird. Er kennt keinen Standard und macht sich immer wieder auf die Suche nach der besten Lösung. Konzepte sind seine Stärke, Details die Leidenschaft. Georg Bechter im Interview mit Martina Pfeifer Steiner.

21. August 2018
In welchen Bürostrukturen arbeiten Sie?

Unser Büro befindet sich in Langenegg, im Bregenzerwald, insgesamt arbeiten zehn Leute im Team, wobei ich zwei Firmen führe: die eine – Architektur und Design, die zweite – Georg Bechter Licht. Wir bilden aber auch gerne gut funktionierende Bürogemeinschaften, wie beispielsweise die Zusammenarbeit mit Thomas Mennel. 
Bei der Entwicklung einer Idee ist uns der Maßstab einerlei, egal ob es sich um eine Mechanik im Quadratzentimeter-Bereich handelt oder ob es um die Frage geht, wie ein Haus am besten in der Landschaft steht ­– dieses Feilen, bis zur richtigen Form, das interessiert mich. Ich habe Spaß daran, die Maßstäbe zu wechseln. Die Energie, die andere Büros in Wettbewerbe investieren, stecken wir in die Entwicklung neuer Leuchten. Tendenziell finden die Aufträge zu uns. Spezielle Bauaufgaben reizen dabei besonders. 

Was inspiriert Sie?

Das können Gedanken sein, gute Diskussionen, durchwegs mit anderen – sagen wir – Gewerken. Gestaltung ist so stark mit der Gesellschaft verflochten, dass sich Inspiration und Antworten vor allem in der Kultur, aber auch in der Soziologie etc. finden lassen. Wir müssen uns diese Zeitfenster jedoch bewusst nehmen, zum Innehalten, um mit Muße eine Kunstausstellung zu besuchen, Gedanken zu Ende denken ... . Nur so können wir aus den Inspirationsquellen schöpfen und einen architektonischen Mehrwert generieren.

Was begrenzt die Verwirklichung Ihrer Visionen?

Jedenfalls nicht die standardisierten Regelwerke. Der Standard kann nie die beste Lösung sein, die Welt hat sich immer schon weitergedreht. Wir schöpfen als Architekten zwar aus den Erfahrungen der Vergangenheit, bauen aber nicht für diese, sondern für eine zukünftige Gesellschaft. Ein Ausbrechen aus vorgegebenen Regelwerken hat das Potential, die Leute mitzureißen. Damit sind wir insbesondere bei unseren Ladenbauprojekten konfrontiert. Dort sitzen betriebswirtschaftliche Berater im Team, die mit Zahlen aus der Vergangenheit argumentieren und verhindern damit die Zukunft. Architekten reflektieren Gesellschaft und Kultur ganz anders, sie brauchen Visionen um nach vorne denken zu können. Plant man zwanzig Jahre im Voraus und hält dabei zwanzig Jahre Rückschau, ergibt das vierzig Jahre im Delta. Daraus ergeben sich ganz andere Parameter. Ein betriebswirtschaftliches Zahlenkonstrukt kann das nicht abbilden.

Welches Ihrer Projekte möchten Sie hervorheben?

Was uns insgesamt interessiert, ist das Weiterentwickeln oder Neudenken von Bauaufgaben. Diesbezüglich seien drei Projekte angeführt: Ein Baumhaus, derzeit in Planung, möchte ich wegen seines außergewöhnlichen Kontexts hervorheben. Der lange schmale Holzbaukörper wird auf neun Meter hohen Stahlstützen mitten im Wald stehen, ein Ferienhaus auf Augenhöhe mit den Baumkronen. Dies als Architektur zu deklarieren war gewiss förderlich zur Erlangung einer Baugenehmigung.
Dann möchte ich das Strohhaus nennen. Das Reizvolle daran ist seine Einfachheit. Hier zeigt sich am deutlichsten, welch hohe Qualität man damit erreichen kann. Selbstverständlich funktioniert das nur in einem gewissen Maßstab. Die Komplexität, mit der heutzutage gebaut wird, lässt sich mit einem solchen Projekt hinterfragen. Manchmal werden ganz einfache, gut funktionierende Lösungen zur Seite gelegt, beispielsweise wegen Haftungsfragen. Damals in der Entwicklungsphase war es mehr ein Denken als ein Kämpfen für die Vision. Ein Strohhaus ist ja keine Erfindung von uns, es gibt Erfahrungswerte und wenn etwas gut vorbereitet ist, muss sich niemand auf ein Experiment mit ungewissem Ausgang einlassen. Interessant ist, dass das dabei entstandene, besonders angenehme Raumklima positive Auswirkungen auf das Verhalten der Kinder zeigte. 
Auch beim Loft in der Scheune geht es um die Einfachheit des Bauens. Es galt, jedes Detail neu zu überdenken. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei diesem Projekt ist, dass sich in einer gut gestalteten Hülle je nach Bedarf unterschiedliche Nutzungen einnisten können.

Worüber sollten ArchitektInnen reden, einen Diskurs anzetteln?

Heute ist man beim Bauen mit der bereits besagten, hohen Komplexität und vielen Beteiligten konfrontiert. Das beginnt bei jedem Projekt mit den ersten Entscheidungsfindungen und geht bis hin zu den Vetorechten von Fachplanern – jeder Argumentationsstrang wird gleichwertig behandelt. Der Architekt bleibt jedoch der Einzige, der versucht alle Anforderungen in das große Ganze zu gießen. Diese Kompetenz sollte mehr Gewicht im Bauprozess haben, schließlich tragen wir die Gesamtverantwortung für ein gelungenes Gebäude.  
Ginge man von einer Gesellschaft aus, deren Zukunft auf der Basis von Zahlen argumentiert wird, ich glaube nicht, dass sich etwas ändern könnte. Das würde bedeuten, auch den Mehrwert von Architektur in Zahlen ausdrücken zu müssen, um auf derselben Ebene zu argumentieren. Das ließe sich allerdings auch ins Positive wenden. Beispielsweise hatte ich im Gestaltungsbeirat vorgeschlagen, einmal zu berechnen, was wir den Leuten an barem Geld sparen könnten, wenn wir sie anhielten, ein Gebäude sauber in die Landschaft zu setzen, anstatt Stützmauern zu errichten. Wir denken, dass Schönheit nicht argumentierbar sei, Schönheit hat aber sehr viel mit Angemessenheit zu tun. Und ich bin überzeugt, dass schöne, sorgfältig gestaltete Bauwerke mindestens die doppelte Lebensdauer haben. So gesehen hat Schönheit mit Effizienz und Nachhaltigkeit zu tun.
»nextroom fragt« ist ein neues Format für die in der nextroom Architekturdatenbank vertretenen PlanerInnen und Planer, das Raum für eine übergeordnete Eigenpräsentation schafft. Fünf gleichbleibende Fragen laden ein, Einblicke in den Arbeitsalltag und die Bedingungen für Architektur zu geben - ungeachtet ob aus der Sicht junger oder arrivierter, großer oder kleiner Büros.

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