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Vom Luftschloss zur Luftmaschine
Der Standard

Diese Woche präsentierten Chris Müller und Coop Himmelb(l)au ihre gemeinsamen Pläne für ein Gesundheitsresort für Mukoviszidose-Patienten. Das Luxusresort am Meer soll kranken Menschen Atem spenden.

18. Februar 2017 - Wojciech Czaja
Gute Architektur, sagt man, sei atemberaubend. „In diesem Fall aber“, meint Chris Müller, „wünsche ich mir ein atemspendendes Projekt, bei dessen Anblick jedem der Mund offen bleibt. Wir möchten einen Ort bauen, den es in dieser Form noch nie zuvor gegeben hat. Einen biomechanischen Musentempel, der in der Lage ist, nicht nur geistige Kreativität, sondern auch körperliche Gesundheit zu fördern. Ja, es ist ein Kampf mit den Elementen. Und nein, niemand hat gesagt, dass das leicht werden wird. Gott ist ja kein Magistrat.“

Die Rede ist von Atmos, einem sogenannten Selfness-Resort direkt an der Meeresküste. Im Gegensatz zu den meisten Anlagen dieser Art jedoch ist der hier angestrebte Urlaubsluxus kein Selbstzweck, sondern vielmehr Mittel zum Zweck, um kranken Menschen auf die Sprünge zu helfen. Dank der exponierten Lage, vor allem aber dank der speziellen Bauweise und Haustechnik des Resorts sollen Mukoviszidose- Patienten – in Österreich ist die Krankheit besser als Cystische Fibrose (CF) bekannt – tief durchatmen und sich auf diese Weise eine Verschnaufpause von ihren Strapazen gönnen können.

Chris Müller, Leiter des Theaters Hausruck und künstlerischer Direktor der auf Kreativwirtschaft spezialisierten Tabakfabrik Linz, initiierte die rund 30 Hektar große Luftmaschine aus gutem Grund. Seine sechsjährige Tochter leidet selbst an Mukoviszidose. So wie rund 20 weitere Kinder, die in Österreich mit der tödlichen, bis dato unheilbaren Erbkrankheit jährlich auf die Welt kommen. Mit Atmos, so Müller, möchte er die Welt für das Thema sensibilisieren und Partner und Unterstützer finden.

Einer davon ist Wolf Prix vom Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au. „Ich bin ein Fan der kretisch-minoischen Kultur, und wie der weit verzweigte Königspalast auf Knossos soll sich auch Atmos über die Landschaft erstrecken und einen Lebensort kreieren“, sagte Prix am Dienstag bei einer Pressekonferenz, bei der das Projekt erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. „Wichtig bei diesem Palast ist lediglich, dass er sich in einer gestaffelten Höhenlage über dem Meer befindet, damit die Winde und die solcherart mit Salz angereicherten Aerosole über die offenen Häuser streifen und die Menschen mit salzhaltiger Luft versorgen.“

Mukoviszidose ist eine angeborene Stoffwechselkrankheit, bei der der Wasser- und Salzhaushalt der Schleimhäute gestört ist. Dadurch werden Lunge und Bauchspeicheldrüse permanent mit zähem Schleim verklebt. Regelmäßige Salzinhalationen helfen dabei, den Schleim zu verdünnen und abzutransportieren. Dadurch wird auch die Zahl der im Schleim nistenden Lungenbakterien reduziert. Atmos ist nichts anderes als eine Inhalationsmaschine im Maßstab XXL.

Die charakteristische Tonnenform der zum Teil frei stehenden Häuser soll die thermische Luftzirkulation verstärken und den Luftwechsel auf diese Weise erhöhen. Durch eigens aufgesetzte Luftkamine – eine Konstruktion, die sich Prix offenbar von den in der arabischen Welt typischen Lufttürmen abgeschaut hat – soll die frische Meeresbrise ins Haus gesaugt werden. Salzwasserhaltige Pools zwischen den Häusern sollen die Luft durch Verdunstung zusätzlich mit Salz anreichern und das Mikroklima auf diese Weise verbessern. Sogar ein salzhaltiger Wasserfall ist geplant.

„Ich sage nicht, was ich mir das erste Mal gedacht habe, als ich von dieser Idee gehört habe“, erinnert sich Arzt Franz Eitelberger, Leiter der CF-Ambulanz der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Klinikum Wels. „Das Projekt ist ambitioniert und muss extrem sorgfältig geplant und gebaut werden, damit es medizinische Wirkung zeigt. Auf jeden Fall aber kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen, dass eine mit Salz angereicherte Luft für CF-Patienten krankheitsmildernd ist.“

Eine physiologische Kochsalzlösung, so Eitelberger, habe einen Salzgehalt von 0,9 Prozent. Meeresluft hingegen liege mit einem Salzgehalt von drei bis vier Prozent in einem durchaus Symptome lindernden und gesundheitsfördernden Bereich. Studien belegen, dass Menschen am Meer einen verzögerten Krankheitsverlauf und somit auch eine deutlich höhere Lebenserwartung haben. „Atmos ist ein großartiges Projekt und ein schöner Hoffnungsschimmer, den ich von ganzem Herzen unterstütze. Bloß die Sache mit dem Salzwasserfall ist mehr eine emotionale als eine medizinische Angelegenheit.“

Aktuell ist Projektinitiator Chris Müller auf der Suche nach Projektpartnern und Investoren. Sie sollen das bisherige Team rund um das oberösterreichische Consulting-Unternehmen Delta, den Hotel- und Tourismusberater PKF sowie die auf Immobilienberatung spezialisierte Soravia Group ergänzen und gemeinsam eine Lösung finden, wie Atmos zu einem sich selbst finanzierenden Betreibermodell entwickelt werden kann.

„Der Bau soll keinen einzigen Cent aus dem Spendentopf der Mukoviszidose-Forschung kosten“, versichert Müller. „Ganz im Gegenteil. Das Resort soll sich als Destination für Ruhe- und Kreativitätssuchende selbst finanzieren können. Und zwar so gut, dass wir aus den Gewinnen einen Teil der Anlage Mukoviszidose-Patienten und ihren Familien kostenlos zur Verfügung stellen möchten.“ Diesen Deal, so Müller, werde man mit den Betreibern und Projektbeteiligten vertraglich einzementieren.

Ziel ist eine rund 15.000 Quadratmeer große Anlage mit 132 Apartments und diversen Annehmlichkeiten wie Pool und Spa-Bereich sowie etlichen Notwendigkeiten wie etwa Therapiezentrum und medizinischen Einrichtungen. Das Investitionsbudget soll sich ersten Berechnungen zufolge auf rund 35 Millionen Euro belaufen. Fehlt nur noch das nötige Stückchen Land.

Man sei bereits mit einigen Bürgermeistern im Gespräch, heißt es auf Anfrage des Standard . Zur Auswahl stehen derzeit sechs konkrete Grundstücke in Italien, Kroatien und Portugal sowie in Israel und Gambia. Für weitere Vorschläge sei man offen. Doch die Initiatoren sind zuversichtlich. „Unsere Aufgabe ist es, den Turmbau zu Babel fertigzustellen“, sagt Architekt Wolf Prix in den für ihn so typischen Worten. „Diese Vision ist es, die mich antreibt.“ Und Chris Müller appelliert zum Schluss der Präsentation an die versammelte Presse: „Wir möchten das Unmögliche wagen. Gehen wir gemeinsam dorthin, wo noch nie jemand war.“

Es ist eine schöne, aber womöglich strapaziöse Reise. Man wird einen langen Atem brauchen. Damit die Luftmaschine am Ende nicht zum Luftschloss wird.

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