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An die Kritiker: Wo bleibt der Eislaufverein?
Der Standard

Kommentar der anderen

Teil des Projektes am Heumarkt ist ein Turm, der ganze sechs Geschoße höher ist als der Bestand. Und das ist der Skandal? Echt jetzt? Es ist an der Zeit, ein wenig Ruhe und Vernunft in die Debatte einkehren zu lassen.

28. Februar 2017 - Maria Vassilakou
Ich habe in den letzten Tagen vieles zur Zukunft des Areals am Heumarkt vernommen – Höhen, Dichten, Schönheit, Innovation, Mut usw., usf. Alle architektonischen Aspekte werden gewälzt und gerollt. An jedem Detail hängt man sich auf, und doch fehlt Entscheidendes.

Was fehlt? Der Wiener Eislaufverein (WEV). Der wird von den Kritikerinnen und Kritikern ausgespart. Dabei ist genau der Wiener Eislaufverein ein wichtiges Stück Stadtkultur und das zentrale Element an diesem Ort, um das sich alles dreht.

Im heurigen Jahr feiert diese Institution der Wienerinnen und Wiener ihr 150-jähriges Bestehen, und das sollte Ansporn genug sein, die Tradition des Eislaufens am Stadtpark – auf dem Glacis, das trotz des Baus der Ringstraße auch als Ort der Erholung und des Vergnügens für die Wienerinnen und Wiener erhalten blieb – weiter fortzuführen und abzusichern. „Historisches Erbe“ sind nicht allein Bauten aus einer gewissen Epoche, sondern das Leben zwischen ihnen. Der Wiener Eislaufverein ist genau das: Leben für die WienerInnen, für ihre Kinder und hoffentlich auch für die Generationen, die noch folgen werden.

Umfassender Katalog

Deswegen verfolgte die Stadt Wien mit den Planungen am Heumarkt von Anfang an ein klares Ziel: langfristiger Erhalt des Wiener Eislaufvereins, existenzielle Absicherung und eine neue Zukunft mit modernisierten Anlagen. Dazu gab es einen umfassenden Katalog, der an die Planungsteams ausgegeben wurde und zu berücksichtigen war.

Herausgekommen ist dabei: die Erhaltung des Wiener Eislaufvereins mit rund 6000 m² Eisfläche. Umfassende Erneuerung und Erweiterung der Infrastruktur. Zusätzlich eine 1000 m² große Ganzjahreseishalle. All das wird vertraglich auf die nächsten 99 Jahre gesichert. Das war keineswegs selbstverständlich. Zur Erinnerung: Das Areal des Wiener Eislaufvereins wurde unter fragwürdigen Bedingungen gegen den Willen der Stadt Wien vom Innenministerium privatisiert. Etwas, was seit der Zeit von Kaiser Franz Joseph I. öffentliches Eigentum war, wurde ohne Not verscherbelt. Unter den derzeitigen rechtlichen und ökonomischen Bedingungen würde selbst der bestehende Pachtvertrag des WEV mittelfristig nicht davor schützen, dass das Areal unter der Hand weiter- und weiterverkauft würde und so tatsächlich zum Spekulationsobjekt wird – mit allen Konsequenzen für den Eislaufverein und für die Stadt Wien. Denn, es gäbe keine Garantie unter den gegenwärtigen Bedingungen, dass ein feindlich gesinnter Eigentümer nicht alle Register ziehen würde, um den Eislaufverein loszuwerden. Bereits in den letzten Jahren hat das Areal mehrfach den Besitzer gewechselt.

Kurz und gut: Wer als Stadt hier nicht handelt, handelt fahrlässig. Und Handeln bedeutet, Fakten zu schaffen, um auf Jahrzehnte Rechtssicherheit herzustellen und den Bestand des WEV auf diesem Areal tatsächlich außer jeglichen Streit zu stellen.

Mit der Sanierung von Eislaufverein und dem Umbau des Hotels Intercontinental kann ein drohender Schwebezustand beendet werden – zum Vorteil aller Beteiligten. Und ja, Teil dieses Projektes ist ein Turm, der ganze sechs Geschoße höher ist als der Bestand. Und das ist der Skandal? Echt jetzt?

Dass der Wiener Eislaufverein zu 100 Prozent zum nächsten Schritt in seinem 150-jähigen Bestehen steht, war und ist für mich der Grund schlechthin, der Entwicklung wie sie sich jetzt darstellt, meine Zustimmung zu geben. Dass der nunmehrige Entwurf eine Öffnung der Eisfläche in Richtung Stadt erlaubt, macht ihn zu einer Attraktion im Winter und im Sommer. Dass die Wiener diese Fläche – immerhin in der Größe eines Fußballfeldes – in der warmen Jahreszeit als öffentlichen Platz gewinnen, ist eine Aufwertung für das gesamte Gebiet. Es wird dadurch tatsächlich zu einem lebendigen Ort auf dem Glacis. Derzeit ist der Heumarkt genau das nicht, und das ist schade. Keine Stadtplanung, die etwas auf sich hält, kann das ignorieren, ohne Kopfschütteln hervorzurufen.

Teleportieren?

Liebe Kritiker, zahllose Planer haben sich über Monate (mittlerweile Jahre) den Kopf zerbrochen, wie man hier beides ermöglichen kann: den Erhalt und die langfristige Absicherung des Wiener Eislaufvereins und den Umbau des Hotels Intercontinental. 150 Jahre Wiener Tradition einfach auszuklammern oder mit dem Nachsatz zu versehen – „des wird scho irgendwie gehen“ – ist zu wenig. Dass nun aus den Reihen der Kritiker des Projektes der Vorschlag kommt, den Eislaufverein doch zu „teleportieren“ (siehe der STANDARD , 22. 2. ) halte ich für ein Eingeständnis, dass es ihnen nicht um die Absicherung des Standortes einer 150-jährigen Wiener Institution geht. Mir schon.

Wir als Stadt Wien und ich als Stadträtin stehe dazu: Dieses Projekt schafft es, beides zu vereinen. Deswegen stehen wir dahinter, und es wird Zeit, dass wir Welterbe nicht nur als einen Blick auf die Stadt, sondern als das Leben in der Stadt begreifen.
Maria Vassilakou (Jahrgang 1969, geboren in Athen) ist seit 25. November 2010 Vizebürgermeisterin und Planungsstadträtin in Wien. Vor ihrer politischen Karriere bei den Grünen war sie in der ÖH engagiert.

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