In Schinkels langem Schatten

In Berlin wird über Rekonstruktion und Inhalte der Bauakademie, dem zu DDR-Zeiten zerstörten Meisterwerk Karl Friedrich Schinkels, gestritten. Das Geld stammt vom Haushaltsausschuss des Bundetages.

Jürgen Tietz
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Berlin streitet über den Wiederaufbau der Bauakademie. (Bild: Imago)

Berlin streitet über den Wiederaufbau der Bauakademie. (Bild: Imago)

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Aber was, wenn er sich als Danaergeschenk entpuppt? Seit Jahren wird in Berlin so rührig wie wirkungslos über den Wiederaufbau von Karl Friedrich Schinkels Bauakademie diskutiert. Über eine verblichene Plasticplane in der Abmessung von Schinkels Meisterwerk und einen Musterraum ist man dabei nicht hinausgekommen. Das hat sich mit der Entscheidung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages geändert, der im letzten Herbst unerwartet 62 Millionen Euro für den Wiederaufbau des kriegsbeschädigten und zu DDR-Zeiten abgerissenen Baudenkmals lockergemacht hat und damit einmal mehr Baupolitik in der Deutschen Hauptstadt betreibt.

Haus ohne Eigenschaften

Was künftig in der Bauakademie passieren soll, liess man hingegen offen. Es droht also das gleiche Theater wie beim Humboldtforum, das hinter die rekonstruierte Schlossfassade gezwängt wird, weil man sich zuerst für die Form entschied, ehe man Inhalte definierte. Nun versucht das Bundesbauministerium zu retten, was wohl nur noch mühsam zu retten ist, und hat die Bundesstiftung Baukultur beauftragt, in einem dreistufigen «Dialogverfahren» ein Nutzungskonzept für die Ausschreibung der Bauakademie zu entwickeln.

Was aber kann in diesem Haus ohne Eigenschaften künftig geschehen? Die Architektursammlungen Berlins sind über die Stadt und die Institutionen verteilt, eine Schnittstelle zur Architektenausbildung ist höchstens in homöopathischer Dosis vorhanden, und die öffentliche Vermittlung zeitgenössischer Architektur wird in Berlin hauptsächlich von zwei privaten Institutionen geleistet, der Galerie Aedes und der Architektur Galerie Berlin. Deren Gründer, Ulrich Müller, hat nun gemeinsam mit dem Journalisten Florian Heilmeyer und mit Oliver Elser vom Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zehn Thesen zur neuen Bauakademie in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» placiert. Darin fordern sie unter anderem, dass ein Ort entstehen müsse, der «in einem Atemzug mit Orten wie dem Canadian Centre for Architecture in Montreal, dem Getty Research Institute in Los Angeles oder der Pariser Cité de l'architecture genannt wird».

Tatsächlich könnte eine Institution mit derartigem baukulturellem Anspruch dem architektonisch verschnarchten Berlin nur guttun. Sie setzte allerdings eine dauerhaft finanzkräftige Trägerschaft für den künftigen Unterhalt voraus, die derzeit nicht ansatzweise in Sicht ist, sowie eine innovative und unabhängige Intendanz. Was weder Berlin noch die Architektur brauchen, ist eine weitere unterfinanzierte Stiftung des Bundes am Gängelband der Politik. Damit eine neue Bauakademie sich des innovativen Geistes von Karl Friedrich Schinkel als würdig erweist und aus seinem langen Schatten tritt, hiesse es, Abstand zu nehmen von ihrer Wiedererweckung als fassadenblasse Rekonstruktionsbanalität. Ob man diesen Mut in Berlin besitzt und damit allein Potsdam die Rolle eines touristenlauschigen preussischen Open-Air-Museums überlässt, ist jedoch fraglich.

Investition in die Zukunft

Eine künftige Bauakademie benötigt ein kluges inhaltliches Konzept, das sich fächerübergreifend den Zukunftsaufgaben von Stadt, Architektur und Gesellschaft an den Schnittstellen zu den angrenzenden Disziplinen widmet, sowie einen international offenen Architektenwettbewerb. Sollte das gelingen, dann wären die 62 Millionen Euro aus dem Füllhorn des Haushaltsausschusses keine Investition in verbaute Gestrigkeit, sondern in die Zukunft.