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Was der Investor wünscht
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WEV & Intercont

Ein Beschluss des vorliegenden Bebauungsplanes für das Areal WEV/Hotel Intercontinental würde eine verheerende Wirkung auf die Stadt entfalten. Er wäre eine Einladung an alle Spekulanten: Seht her, hier gibt es noch etwas zu verdienen – und die Stadt Wien hilft euch dabei. Ein Insider berichtet.

25. März 2017 - Georg Kotyza
Die Stadt Wien hat sich auf einen Handel eingelassen, den sie nur verlieren kann. Denn wird das Projekt am Eislaufverein so gebaut, wie es uns die Hochglanzfotos von Wertinvest vorgaukeln, dann erhält die Stadt ein städtebauliches Monstrum in der Zone des Weltkulturerbes. Sie setzt damit dieses Prädikat aufs Spiel, für das sie sich bis vor Kurzem massiv eingesetzt hat. Was hat sie zu dieser Kehrtwendung veranlasst? Was hat Bürgermeister Häupl dazu bewogen, von seiner pragmatischen Haltung abzugehen, für die er immer geschätzt wurde und die ihm mehr als 20 Jahre in seinem Amt ermöglicht hat? Was hat Planungsstadträtin Vassilakou dazu bewogen, sich für ein schlechtes Projekt mit aller Kraft einzusetzen, mit dem die Grünen nur Stimmen verlieren können?

In keinem der seit 1984 ausgearbeiteten vier Stadtentwicklungspläne (für die Ausarbeitung der ersten beiden, 1984 und 1994, war ich selbst verantwortlich) sind an dieser Stelle Hochhäuser ausgewiesen worden. Immerhin wurden diese Gesamtkonzepte für Wien vom Gemeinderat beschlossen und damit (zumindest für einige Zeit) verbindlich. Aber auch in den Folgekonzepten (Hochhauskonzept, Masterplan Glacis) wird nirgendwo dieser Standort als Hochhausstandort ausgewiesen. Im Gegenteil, hier handelt es sich eindeutig um eine Ausschlusszone. Man fragt sich also, auf welcher Grundlage dieser Standort freigegeben wurde.

Für die Zulässigkeit von Hochhäusern in einer gewachsenen Stadt wie Wien gibt es nur wenige Kriterien, und die sind allenfalls funktioneller Art, wie die Hervorhebung der Zentren am Stadtrand und der Knotenpunkte für den öffentlichen Verkehr, selbstverständlich unter Berücksichtigung von Ausschlusskriterien wie Schutzzonen und wichtige Sichtachsen. Der sogenannte Canalettoblick vom Oberen Belvedere gehört zweifellos dazu. Keinesfalls aber gehören zu den Kriterien für die Genehmigung von Hochhäusern die Wünsche von Grundstückseigentümern, selbst dann nicht, wenn diese auf die Unterstützung der größten Tageszeitung des Landes und einiger weniger Befürworter aus der Wiener Architekturszene zurückgreifen können, die am umständlichen Verfahren zur Legitimation der Investorenwünsche mitgewirkt haben und daher als befangen gelten können.

Wie sieht nun der Deal des Investors mit der Stadt aus, der einen Mehrwert für die Stadt bringen soll? Neben einem öffentlichen Fußweg zur Querung des Geländes dem Konzerthaus entlang und zur Verbindung von Lothringerstraße und Heumarkt sind das ein Turnsaal, der vom angrenzenden Gymnasium genutzt werden kann, ein unterirdischer Trainingsraum für den Eislaufverein und Proberäume für das Konzerthaus. Erstaunlicherweise ist von den genannten Einrichtungen im Antrag der MA 21 an den Gemeinderat, aber auch im dazugehörigen Erläuterungsbericht nichts zu lesen. Kann es sein, dass das alles nur Propaganda des Investors ist, der Stimmung für sein Projekt macht? Gibt es dazu privatrechtliche Verträge? Man weiß es nicht, denn öffentlich sind diese Verträge nicht.

Der Eislaufplatz selbst wird in verdrehter Lage erhalten, rückt zehn Meter in den Straßenraum und soll außerhalb der Saison öffentlich zugänglich sein. Damit wird aber auch die Verlegung der Bundesstraße eins erzwungen. Sie steht im Eigentum der Stadt Wien, ist erst vor einigen Jahren neu gebaut worden und hat noch lange nicht ihr Lebensende erreicht. Die Stadt verzichtet also hier auf ihr Eigentum, verlegt eine funktionierende Straße zur Schule und zum Park und verkauft das der Bevölkerung als öffentlichen Mehrwert. Auch wenn die Kosten der Verlegung vom Investor übernommen werden sollten, ist das für die Stadt kein Nullsummenspiel, weil diese Kosten wohl Eingang in die Renditerechnung und damit in die Erhöhung der Kubatur gefunden haben.

Von den zu erwartenden technischen Problemen bei der Verlegung der Straße auf den Wienflusstunnel spricht derzeit noch niemand. Bei Verzicht auf den Wohnturm könnte man die Eisfläche an Ort und Stelle belassen und müsste hier nichts ändern. Bei näherer Betrachtung zeigt sich also, dass der viel beschworene Mehrwert für die Wiener in Wahrheit ein Mehrwert für einige wenige Profiteure ist. Ganz sicher ist er aber ein Gewinn für den Investor, der von der Stadt ein äußerst großzügiges Geschenk in Form eines Bebauungsplanes erhält, der eine gewaltige finanzielle Aufwertung seiner Grundstücke bewirkt und sozusagen „alle Stückln“ spielt.

Spricht man mit befassten Beamten, die die lange Geschichte des Projektes begleiten mussten, dann hört man vielsagendes Schweigen oder offene Ablehnung, die freilich nicht öffentlich artikuliert werden kann. Ihnen ist kaum ein Vorwurf zu machen, denn sie wollen nicht ihre Karriere gefährden. Dieses Verhalten führt allerdings bei vielen, insbesondere bei Spitzenbeamten, zu Selbstzensur und zur Willfährigkeit gegenüber Wünschen der Politik. Diese hat hier – wie so oft – es verabsäumt, einen breiten Grundkonsens in der Bevölkerung oder zumindest ein Klima der Akzeptanz herbeizuführen. Genau dafür und für nichts anderes sind Politiker doch gewählt worden und nicht für die Durchsetzung der Eigeninteressen von Grundstückseigentümern.

Grundregeln missachtet

Sollte es tatsächlich zu einem Beschluss des derzeit vorliegenden Bebauungsplanes im Gemeinderat kommen, werden nicht nur sämtliche stadtplanerischen und städtebaulichen Grundregeln missachtet und die Stadt dem privaten Renditeinteresse geopfert, sondern es wird auch eine Hypothek auf die Zukunft eingegangen. Es wird quasi die Büchse der Pandora geöffnet. Denn was alles passieren kann, nachdem der Investor den Beschluss in der Tasche hat, weiß man aus langjähriger Erfahrung auch mit kleiner dimensionierten Projekten. Wird der ausgehandelte Nutzen für die Stadt tatsächlich Realität oder vielleicht nur in Teilen? Wird er mangels gesetzlicher Grundlage auch einklagbar sein? Was passiert, wenn der Investor seine Grundstücke einschließlich deren Aufwertung – also seinen Mehrwert – verkauft? Wird sich ein neuer Eigentümer an alle privatrechtlichen Auflagen halten? Ich kann mich jedenfalls nicht an ein Beispiel erinnern, wo es nach so massiver Aufwertung eines Grundstückes zu einer Redimensionierung der rechtlich gesicherten Bebauung gekommen wäre.

Ein Beschluss dieses Bebauungsplanes wird eine verheerende Wirkung für die Stadt mit sich bringen. Er wird eine Einladung an alle Spekulanten sein: Seht her, hier gibt es noch etwas zu verdienen, und zwar mit einer weitaus höheren Rendite als sonst wo auf dem Kapitalmarkt – und die Stadt hilft euch dabei.
Georg Kotyza
Geboren 1940 in Wien. Dipl.-Ing. Langjähriger stellvertretender Leiter der MA 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung). Vorlesungenzum Städtebau an der TU Wien. Mitglied der Deutschen Akademie für Raumforschung und Landesplanung.

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