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Das glücklose Haus
Spectrum

Wassermann & Strnad

Über die Höhen und Tiefen gleichermaßen wie über die diversen Häuser im Leben des Schriftstellers Jakob Wassermann – und seines Architekten Oskar Strnad.

25. März 2017 - Iris Meder
Die Geschichte meinte es nicht allzu gut mit dem Haus, Planern und Bauherren brachte es kein Glück. Dabei hatte alles so schön begonnen. Oder auch wieder nicht. Die Ups und die Downs lagen nahe beieinander im Leben des Schriftstellers Jakob Wassermann. Und auch in dem seines Architekten Oskar Strnad.

Wassermann war 1898 aus München nach Wien gezogen und schnell in den Kreis um Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal integriert. Die Verehrung der jungen, exzentrischen Julie Speyer mündete bald in eine Heirat, die dem mittellosen Dichter ein sorgenfreies Leben durch die stattliche Mitgift der Braut versprach. Es kam anders. Das Geld war nach zehn Jahren aufgebraucht, die Ehe, der vier Kinder entsprangen, schon früher. Im Versuch zu kitten, was nicht zu kitten war, baute das Paar 1914 ein Haus in einem Grinzinger Weinberg. Finanziert wurde es von einem Gönner Wassermanns – besser gesagt von dessen Frau, einer Verehrerin des Autors, die über ihre Mutter, eine geborene Rothschild, immensen Reichtum mit in ihre Ehe gebracht hatte.

Den Architekten vermittelte wohl Hugo von Hofmannsthal, der selbst seine Stadtwohnung von Strnad einrichten ließ. Es wurde ein epochales Haus, viel publiziert und wohl das schönste des Architekten, mit einem lichtdurchfluteten weiß gestrichenen Wohn-Ess-Musik-Raum, einem sonnigen Wohnhof und einer Dachterrasse mit Blick über die Stadt. „Innen praktisch und bizarr und theilweise sehr schön“ fand es Schnitzler, den stolzen Hausherrn „wichtig, düster und mit Schlapfen“. Wenige Wochen nach dem Einzug lernte Wassermann, der Einladungen zum Missfallen seiner Frau allein wahrzunehmen pflegte, bei Egon und Emmy Wellesz, Nachbarn aus der Kaasgraben-Siedlung, Emmys Schulfreundin Marta Karlweis kennen. Wie 16 Jahre zuvor stellte wieder ein Sommer in Altaussee, in dem man sich näherkam, die Weichen für sein Leben.

Während Karlweis' Ehe bald geschieden wurde, erreichte Wassermann erst nach langen Streitereien eine Trennung. Mithilfe zahlloser Anwälte versuchte Julie Wassermann-Speyer daraufhin, ihren Mann finanziell zu ruinieren. Trotz seiner Zahlungen häuften sich Schulden und Hypotheken, sodass ein Großteil des umgebauten und erweiterten Hauses vermietet werden musste. 1934 wurde das Haus versteigert und von der Sängerin Tini Senders und ihrem Mann erworben; es blieb bis vor wenigen Jahren im Besitz der Familie. Jakob Wassermann lebte unterdessen mit Marta Karlweis ständig in Altaussee, durch Unterhaltszahlungen finanziell ausgehungert, als Autor aber erfolgreich, womit der Wunsch nach einem repräsentativen großen Haushalt mit Personal, wie ihn Thomas Mann und Hofmannsthal führten, wuchs.

Schließlich vermittelte Hofmannsthal dem Freund die Jahrhundertwende-Villa des Literaten Leopold von Andrian, die einige Zeit zuvor an den Berater der Kunstsammlerin Helene Kröller-Müller, Salomon van Deventer, verkauft worden war. Wassermanns Selbststilisierung als weltentrückter armer Poet machte sich bezahlt, als er den Kaufpreis auf die Hälfte dessen, was Deventer einst bezahlt hatte, drücken konnte und auch die zweite Hälfte des Hauses in Form eines äußerst günstigen Kredits quasi geschenkt bekam – diesmal war der generöse Geldgeber Paul Goldstein, Generaldirektor der Depositenbank und enger Mitarbeiter des berüchtigten „Finanzhais“ Camillo Castiglioni. Nach dem Konkurs der Depositenbank entzogen sich Castiglioni und Goldstein Haftbefehlen durch die Flucht ins Ausland.

Im Sommer 1923 wurde Wassermanns neues Haus von Paul Schultze-Naumburg umgebaut. Als Reformarchitekt hatte er einst den Deutschen Werkbund mitbegründet. In den 1920er-Jahren radikalisierte er sich jedoch künstlerisch und politisch und machte Hitler, Himmler und Goebbels zu seinen Freunden. Schultze-Naumburg wurde später einer der schlimmsten Hetzer gegen die „entartete“ Moderne in Kunst und Literatur. Der Gegensatz zum humanistischen, progressiven Strnad, der aus einem ähnlichen jüdisch-liberalen Milieu wie Wassermann kam, hätte kaum größer sein können – Wassermann wollte sich wohl auch ästhetisch vom unterdessen als „närrisch“ betrachteten, verhassten Wiener Haus distanzieren. Schultze-Naumburg hatte seinerseits immer wieder jüdische Bauherren – in Ebensee baute er 1909 das Landhaus des Berliner Bankiers und Mäzens Franz von Mendelssohn. Im Hause Wassermann-Karlweis wurde bald ein Sohn geboren, nach Wassermanns Scheidung konnte geheiratet werden. Als einem von wenigen Autoren bot ihm sein Verleger Samuel Fischer das Du an, mit Manns und Hesses urlaubte man öffentlichkeitswirksam in St. Moritz.

Nach der Machtergreifung Hitlers distanzierte sich die neue Verlagsleitung unter Samuel Fischers Schwiegersohn Gottfried Bermann Fischer von Wassermann. Zudem ließ seine erste Frau unter Berufung auf ausstehende Zahlungen Wassermanns Verlagskonto sperren. Wassermann musste fürchten, das Haus zu verlieren. In der Neujahrsnacht 1934 starb er, angeblich nach einer von Fischer abgelehnten Bitte um einen Vorschuss. Marta Karlweis zog noch im Jänner nach Zürich, wo sie bei C. G. Jung ihr unterbrochenes Psychologiestudium fortsetzte. Von Julie Wassermann-Speyer, die in den Besitz des Hauses zu kommen versuchte, wurde sie mit Klagen überzogen. 1938 ebenfalls nach Zürich emigriert, mietete sich Wassermann-Speyer im gleichen Haus wie Karlweis ein, die nach ihrem Studienabschluss nach Kanada floh. Als die Altausseer Villa versteigert wurde, kaufte sie Leopold von Andrian zurück. Er musste sie 1939 wieder verkaufen und emigrierte nach Brasilien. Salomon van Deventer wurde wie Schultze-Naumburg zum begeisterten Nationalsozialisten und setzte sich in der NS-Zeit an die Spitze des Kröller-Müller-Museums.

Oskar Strnads Glück wendete sich schon kurz nach dem Bau des Wassermann-Hauses, als nach einem Rechtsstreit sein Bauherr Josef Kranz, Kriegsspekulant und einflussreicher Freimaurer, ankündigte, dafür zu sorgen, dass der Architekt nie mehr einen Auftrag bekommen werde. Strnad baute tatsächlich nur noch wenig und arbeitete bis zu seinem Tod 1935 hauptsächlich als Bühnenbildner. Das Wiener Haus stand zuletzt längere Zeit zum Verkauf und begann zu verfallen, schließlich wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Vielleicht gibt es ja doch noch ein Happy End.

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