Achtung Flirtmöbel

Die zum zwölften Mal durchgeführte Design Miami Basel hat sich neben der Art Basel als fester Wert etabliert. Dieses Jahr präsentieren rund 50 Design-Galerien Unikate und Editionen der Möbelkunst.

Andrea Eschbach, Basel
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Das Leuchten-Mobile des Wiener Designstudios mischer'traxler: Mit «Level II» schuf dieses 2017 ein klug austariertes, kinetisches Gebilde aus Japanpapier, Leds und Karbonstangen. Bei der Brüsseler Galerie Victor Hunt. (Bild: pd)

Das Leuchten-Mobile des Wiener Designstudios mischer'traxler: Mit «Level II» schuf dieses 2017 ein klug austariertes, kinetisches Gebilde aus Japanpapier, Leds und Karbonstangen. Bei der Brüsseler Galerie Victor Hunt. (Bild: pd)

Sie war von Anfang an dabei: die Galeristin Gabrielle Ammann. 17 Design-Galerien stellten bei der Premiere der Design Miami Basel, der globalen Messe für Design, in der Basler Elisabethenkirche aus. Die zwölfte Ausgabe der Designmesse versammelt nun fast 50 Galerien aus aller Welt in der Basler Messehalle 1. «Der Designmarkt hat eine gigantische Entwicklung durchlaufen», blickt Ammann zurück.

Die Schweizerin, die seit 2006 in Köln eine international renommierte Galerie für Design führt, rückt auf ihrem Messestand eine Ikone ins Licht: Alessandro Mendinis Sessel «Proust» von 1978. Es ist das wohl bekannteste Möbel dieses Vertreters der Postmoderne. Der mit bunten Farbtupfern überzogene Sessel vereint den Pointillismus mit barocken Formen und einer Prise Humor, ganz nach dem Motto: «Form follows emotion». Heute wird das Möbel des Grandseigneurs des Designs im fünfstelligen Bereich gehandelt.

Ohnehin sind die Entwürfe jener Jahre wieder stark gefragt. Architekten-Designer wie Mendini, Ettore Sottsass, Michele De Lucchi und Andrea Branzi stellten die Doktrinen von guter Form und Funktionalismus infrage. «Die italienische Bewegung war eine Revolution», sagt Ammann, «eine Wiederentdeckung dieser phantastischen Ära ist längst überfällig.

Aber es ist auch fordernder, sich mit Entwürfen jener Zeit einzurichten als beispielsweise mit einem Eames-Sessel». Wie man das machte, zeigte sich im November vergangenen Jahres bei Sotheby's, als David Bowies Sammlung unter den Hammer kam – neben Kunstwerken von Damien Hirst und Jean-Michel Basquiat teilte der Rockstar sein Leben mit Möbeln von Sottsass und der Memphis-Gruppe.

Hommage an Ettore Sottsass

Auch die New Yorker Galerie Friedman Benda erweist Ettore die Ehre. Mit einer Solo-Show wird der 100. Geburtstag einer der vielschichtigsten Persönlichkeiten des Designs zelebriert: Der Architekt, Leitfigur des Radical Design und Mitbegründer von Memphis, ist eines der wichtigsten Designphänomene des vergangenen Jahrhunderts. Die bunten oder pastellfarbenen Möbel und Leuchten der Memphis-Ära schienen aus einer Traumwelt zu stammen, sie waren poetisch, sinnlich, bizarr. Respektlos mixten Sottsass und seine Mitstreiter Holz, Kunststofflaminat und Metall, zitierten historische Elemente und verwendeten üppige Ornamente.

Dass Sottsass sich nicht auf Memphis reduzieren lässt, zeigt der Stand von Friedman Benda. Zu sehen sind unter anderem frühe Keramiken und Glaswerke aus verschiedenen Phasen seiner lebenslangen Beschäftigung mit dem Material Glas. Ein besonderes Highlight ist ein Objekt aus der Vor-Memphis-Phase. Das Schrankmöbel «Cabinet» (1964) aus Rosenholz ist erstmals auf dem Markt erhältlich. «Das Erbe von Sottsass ist reich», sagt Galerist Benda, «es gibt noch viel zu entdecken.»

Ein paar Stände weiter zeigt die in Rom ansässige Galerie Giustini/Stagetti ebenfalls eine Arbeit von Ettore Sottsass – das wohl teuerste Stück der ganzen Messe. Der farbenfrohe Schrankturm aus Mahagoni, Kirschholz und Eiche wurde 1961/62 von Sottsass für das Haus eines befreundeten Ingenieurs gefertigt. Das rare Stück hat bereits an der Preview für rund 450 000 Euro seinen neuen Besitzer gefunden.

Die diesjährige, qualitativ hochstehende Ausgabe der Design Miami Basel wartet mit einigen Überraschungen auf. Die Mailänder Galerie Nilufar beispielsweise setzt auf eine Wiederentdeckung: Möbel der legendären, 1932 gegründeten italienischen Architektengruppe BBPR, von der die einzigartige Torre Velasca im Zentrum von Mailand stammt.

Aus einem Mailänder Privathaus kommen die Sessel, Sofas und Tische, die nun Käufer suchen. Eines der schönsten Stücke ist ein nierenförmiger Esstisch, dessen Bronzestruktur eine Platte aus grünem Marmor trägt. Ebenso rar wie elegant, wird er für 190 000 Euro gehandelt.

Südamerikanisches Debüt

Möbel des hierzulande wenig bekannten Designers Jacques Dumond gibt es bei der New Yorker Galerie Demisch Danant zu sehen: Dumond, eine der Schlüsselfiguren des französischen Modernismus, arbeitete für private Auftraggeber. Eine der Ausnahmen waren Sessel, welche die französische Radiogesellschaft ORTF in Auftrag gegeben hatte. Die niedrigen Sitzmöbel von 1961 kombinieren ein strenges Holzgestell mit einem komfortablen Sitz.

Erstmals dabei ist ein Aussteller aus Südamerika: die auf Vintage-Design aus der Zeit zwischen 1950 und 1980 spezialisierte Galerie Mercado Moderno aus Rio de Janeiro. Besonders gefragt war hier eine ikonische Arbeit von José Zanine Caldas aus den frühen siebziger Jahren: «Ein ideales Flirtmöbel», sagt eine Galerie-Mitarbeiterin: Der massive Schaukelstuhl aus Holz lädt zum Gegenübersitzen ein.

Wer Ausschau hält nach Entwürfen jüngeren Datums, wird bei der in Paris und London ansässigen Galerie Kreo fündig. François Bauchets Tisch «Azo» (2017) ist ein Materialexperiment aus Sand, Beton und Harz, das an Terrazzo denken lässt. Experimentelles ist auch am Stand der Brüsseler Galerie Victor Hunt zu sehen. Über den Köpfen der Besucher schwebt ein Leuchten-Mobile: Das Wiener Designstudio mischer'traxler schuf 2017 mit «Level II» ein klug austariertes, kinetisches Gebilde aus Japanpapier, Leds und Karbonstangen. Bewegt man sich innerhalb der an Alexander Calders Mobiles erinnernden Leuchtskulptur, merkt man, wie sie den Raum einnimmt – auf unberechenbare Art und Weise.

Design Miami Basel. Bis 18. Juni.