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TEC21 2017|24-25
Fassaden – Hüllen mit Hintergrund
TEC21 2017|24-25
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Schäden an Fassaden: ein Überblick

Gebäudehülle

Die Behebung von Baumängeln im Schweizer Wohnungsbau verursacht jährlich Kosten in Milliardenhöhe. Fassaden tragen dazu einen bedeutenden Anteil bei. Schäden vorzubeugen ist daher unerlässlich. Bei der Schadensprävention hilft es, mögliche Ursachen zu systematisieren.

16. Juni 2017 - Lorenzo Nägeli
Die Gebäudefassade übernimmt als gestalterisches Element nicht nur eine repräsentative Funktion, sondern bildet als Teil der Gebäudehülle die äussere Schutzschicht. Beschädigungen verkürzen die Lebensdauer der Bau­teile, beeinträchtigen die Ästhetik und mindern den Wert des Gebäudes.

Sobald die Beschaffenheit vom vertraglich Vereinbarten abweicht, eine gewöhnliche Nutzung nicht möglich ist oder die zu erwartende Qualität nicht gegeben ist, spricht man von einem Mangel. Ein Bau­schaden kann die Folge eines Mangels sein, aber auch die Folge einer nicht vorgesehenen Einwirkung. Wird ein bestimmter Grenzwert unterschritten, beeinträchtigt dies die normale Funktion der Fassade.

Baumängel bewirken Folgekosten von jährlich 1.6 Mrd. Fr. (entspricht 8 % der jährlichen Bauausgaben im Wohnungs-/Neubau). Die Fassade ist mit 25 % gegenüber anderen Gewerken auffallend stark von Mängeln betroffen (Abb.). Diese Informationen entstammen der Publikation «Mängel im Hochbau».[1]

Bauschäden resultieren oft aus Baumängeln, die nicht rechtzeitig erkannt oder behoben worden sind. Ein strukturierter Überblick über die möglichen Ursachen soll helfen, Überlegungen zur Schadensvermeidung anzuregen und zu verbessern (Abb.). Ein Praxisbeispiel veranschaulicht jeweils das Schema.

Schäden durch nicht vorgesehene ­Ausseneinwirkung

Ausseneinwirkungen wie z. B. Hagel können die Fassade direkt beschädigen (Abb.). Dünnwandige Bleche oder Anstriche und Lasuren halten einem stärkeren Hagelereignis oft nicht stand. Die heutige Bauweise mit kubischen Formen und fehlenden Dachüberständen sowie Aussenisolationen und dünnwandigen Blechen erhöht das Beschädigungsrisiko. Bei der Materialwahl und Fassadenausgestaltung müssen die zu erwartenden (realistischen) Ausseneinwirkungen definiert und berücksichtigt werden. Eine Fassade an einem Schulhaus ist anderen Beanspruchungen ausgesetzt als an einem Altersheim. Ist bei einem Gebäude mit hohem Güterumschlag zu rechnen, sollten Sockel­zonen oder Eckkanten von Fassaden verstärkt werden.

Weil durch Hagelschäden immer höhere Kosten entstehen, stellen die kantonalen Gebäudeversicherungen zunehmend Vorgaben. Ein Hilfsmittel ist das Hagelschutzregister der Vereinigung kantonaler Feuerversicherungen (VKF). Darin sind die Hagelwiderstandsklassen einzelner Materialien aufgelistet.

Schäden durch Material- und Produktionsfehler

Schäden durch Materialfehler werden selten dokumentiert. Denn in den Produktnormen sind Vorgaben definiert, welche Eigenschaften Baumaterialien aufweisen müssen. Ausserdem wird die Produktionsqualität meist gründlich überwacht. Dennoch treten vereinzelt Fehler bei der Herstellung auf. Beispielsweise können sich durch eine lückenhafte Oberflächenvorbehandlung Anstriche frühzeitig ablösen (Abb.).

Schäden durch Ausführungsfehler

Nichtbeachtung von Vorschriften

Die vielfältigsten und häufigsten Mängel treten bei der Erstellung der Gebäudefassade auf. Oft entstehen diese bei der Verarbeitung der Bauteile, wenn die geltenden Normen oder Verarbeitungsrichtlinien nicht eingehalten werden. Als Beispiel hat sich bei einer hinterlüfteten Fassade mit grossformatigen Eternitplatten gezeigt, dass sich die in die Holzlattung gesetzten Befestigungsmittel teilweise lösen. Die Gefahr besteht, dass die gesamte Platte abfällt. Nach Demontage der Platten stellte man fest, dass die Holzlattung und Wärmedämmung durchnässt waren (Abb.). Die Untersuchung ergab, dass die seitens der Lieferanten vorgegebenen EPDM-Bänder in den Fugenbereichen fehlten. Dadurch konnte Wasser über die Vertikalfugen direkt in die Wärmedämmebene eindringen.

Von entscheidender Bedeutung ist, die dem je­weiligen System zugeordneten Normen (wie z. B. SIA 232/2, 242, 243, 179) einzuhalten. Ebenso wichtig sind die Verarbeitungshinweise der Lieferanten. Diese sind auch zentral für Garantieleistungen, insbesondere wenn ganze Systemaufbauten verwendet werden.

Fehlende Genauigkeit

Eine unzureichende Ausführungsqualität oder Ungenauigkeiten können Schäden nach sich ziehen. Werden beispielsweise Wärmedämmplatten unsauber verlegt, können Lücken in der Dämmebene entstehen. Aufgrund eines erhöhten Wärmedurchgangs zeichnen sich bei verputzten Aussenwärmedämmungen Plattenstösse ab. Dies kann auch bei einer von der Norm abweichenden Verklebung der Dämmplatten vorkommen. Dabei verformen sich Platten stärker, und die Zwischenfugen werden grösser. Beides lässt sich durch Einhalten der Vorschriften und eine saubere Arbeitsweise vermeiden. Häufig sind Schichtstärken einzelner Lagen nicht gross genug oder variieren stark. Wird z. B. eine Netz­armierung ungenügend eingebettet und bleibt sicht­bar, kann diese nicht richtig wirken (Abb.).

Bewegungen und Trennungen

Insbesondere bei Metallkonstruktionen oder Aussenwärmedämmungen mit geklebten Keramik- oder Natursteinriemen können nicht beachtete thermische Längenänderungen zu Beschädigungen führen. Diese Änderungen sind in der Planung zu berücksichtigen (Art der Befestigungen, Trennungen, Fugenraster) und bei der Ausführung zu überprüfen. Längenänderungen können Zugrisse hervorrufen oder Befestigungsmittel bzw. ganze Bekleidungsteile «absprengen» (Abb.). Ähnlich verhält es sich mit ­Trag­werks-Trennfugen, die bei Fassaden zu berücksichtigen sind.

Ungeeignete Produktkombinationen

Eine fehlerhafte Produktkombination ist meist ein ­Ausführungsfehler und kann besonders bei System­aufbauten zu Schäden führen. Die Schichten sind ­aufeinander abgestimmt und entsprechend geprüft. Durch eine anderweitige Kombination kann der Aufbau als Ganzes versagen. Passen z. B. die Dampfdiffusionswerte der einzelnen Lagen einer verputzten Aussen­wärmedämmung nicht zueinander, entstehen bau­physikalische Beeinträchtigungen, die sich zeitnah in Form von Blasenbildungen zeigen. Bereits ein Farbanstrich, der nicht auf die restlichen Aufbauten abgestimmt ist, kann Schäden provozieren. Dies gilt nicht nur für verputzte Systeme, sondern auch für andere nicht hinterlüftete Fassadensysteme. Die Industrie ­verweist bei Garantieansprüchen auf ihre Verarbeitungsrichtlinien. Bei Abweichungen kann die Garantie verwehrt werden.

Werden Materialien falsch kombiniert, kann dies zur Korrosionen führen oder den gewünschten Verbund beeinträchtigen. Problematisch ist beispielsweise die Kombination von nicht beschichtetem Aluminium und Kupfer. Weitere Beispiele sind Farb- und Schutz­anstriche auf einem für das Produkt nicht vorgesehenen Untergrund (Abb.).

Schäden durch Planungsfehler

Zu wenig geplante Details und nicht beachtete Vorschriften

Die Nichtbeachtung von Normen und Vorschriften sowie die fehlende Auseinandersetzung mit Details und Schnittstellen stellen erhebliche Fehlerquellen dar. ­Häufig werden massgebende Übergänge nicht sorgfältig geplant. Das kann später zu Schäden führen, wenn ­während der Ausführung unter Zeitdruck der Übergang falsch gebaut wird. Werden beispielsweise Sockelzonen ungenügend geplant, können diese stärkeren Belastungen ausgesetzt sein. In einem mangelhaft konzipierten Detail schliesst die Asphaltfahrbahn direkt an die verputzte Aussenwärmedämmung an (Abb.). Schäden sind schon beim Verarbeiten des heissen Asphalts ­entstanden. Spritzwasser und die Ausdehnung des ­Fahrbahnbelags setzen der Sockelzone weiter zu.

Schäden durch benachbarte Bauteile (fehlende Abstimmung)

Werden nicht alle Bauteile der Gebäudehülle in Kom­bination geplant, ist das Ergebnis oft mangelhaft. Dies zeigt sich z. B. beim Übergang von der Fassade zum Dach. Problematisch wird es, wenn das Wasser vom Dach aufgrund der Dachrandform auf die Fassa­den­oberfläche gelangt (fehlender Dachüberstand sowie kaum ­sichtbare Dachabschlüsse). Bei Attikageschossen wird häufig ein abgetreppter Dachrand geplant. Bei diesem trifft Regenwasser auf die Blech­teile und fliesst oft an der Fassade ab (Abb.). Ein erhöhter Feuchte- und Schmutzeintrag auf die Fassadenoberfläche führt zu frühzeitiger Pilz- und Algenbildung, insbesondere bei verputzten Aussenwärmedämmungen. Der Schmutz der Dachrandbleche wird direkt auf die Fassadenfläche abgetragen.

Grundsätzlich enthalten die SIA-Normen (insbesondere SIA-271:2007) klare Vorgaben: Dachränder sind zur Dachfläche hin zu entwässern. Allerdings wird der Form und der Maximierung der Raumhöhe oft der Vorzug gegeben. Vergleichbare Probleme können Bauteile der Entwässerung verursachen – z. B. Speier, die aufgrund einer ungünstigen Einbauhöhe Wasser aussen auf die Fassade leiten. Bauteile der Gebäudehülle sind in Kombination zu planen. Dabei ist das Entwässerungskonzept von zentraler Bedeutung.

Weitere Schadensarten

Eine Ursache von Schäden kann die natürliche Alterung der Fassade sein. Jedes Bauteil erreicht irgendwann das Ende seiner Lebensdauer. Vereinzelt entstehen auch Schäden infolge fehlerhaften Unterhalts. Teils reagieren Oberflächenbeschichtungen sensibel auf Reinigungsmittel, deren Einwirkzeit oder den Druck des Reinigungsgeräts (Abb.). Vor der Behandlung grosser Flächen sollten daher vorgängig kleinflächige Tests durchgeführt werden.

Rückschlüsse

Häufig liegt die direkte Ursache von Fassadenschäden nicht im Bereich der Fassade, sondern bei angrenzenden Bauteilen (z.B. Dachrand) oder in der Ausseneinwirkung, die nicht genügend berücksichtigt wurde. Die Fassade sollte nicht als einzelnes und unabhängiges Bauteil isoliert betrachtet werden, sondern muss integral als Teil der Ge­bäudehülle aufgefasst werden. Wie so oft stellen die Übergänge zwischen verschiedenen Bauteilen die Problemstellen dar. Die Fassade als Bauteil ist dabei der vollen Ausseneinwirkung ausgesetzt. Die zu erwartenden Einwirkungen müssen vorab definiert und die Fassade darauf abgestimmt werden.

Sind diese Grundvoraussetzungen erfüllt, die Fassade geplant und die Materialien dementsprechend ausgewählt, müssen Normen und Vorgaben der Produktlieferanten bei der Ausführung entsprechend umgesetzt werden. Der Kosten- und ­Termindruck auf der Baustelle ist heute hoch. Die ­Ausführung ist daher mit den grössten Risiken verbunden. Für Bauherren und Verarbeiter würde sich genügend Zeit in die Kontrolle der Ausführung zu investieren auszahlen.


Anmerkung:
[01] Sacha Menz, Oliver Kriebus: Mängel im Hochbau – Empfehlungen für Ausführende und Entscheidungsträger, 2013, ISBN 978-3-9524170-0-3

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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