Artikel

Allah für alle
Der Standard

Das Werk ist vollbracht: Nach acht Jahren Bauzeit und ewigen Grabenkämpfen vor Gericht ist die Ditib-Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld nun endlich in Betrieb. Es soll ein Ort des Dialogs sein, ein Gotteshaus für alle.

15. Juli 2017 - Wojciech Czaja
Das allererste Freitagsgebet im neuen Kuppelsaal wurde in einem sechsminütigen Youtube-Video festgehalten. Dass die Amateuraufnahme ausgerechnet in der Kategorie „Komödie“ ins Netz gestellt wurde, ist ein fulminanter Seitenhieb auf die achtjährige Bauzeit, die von Baustopps, Baumängeln, Streitigkeiten, gegenseitigen Anschuldigungen und unzähligen Rechtsanwaltskorrespondenzen geprägt war. Nun, fünf Jahre nach der geplanten Eröffnung, kann Allah erstmals angerufen werden – nicht ohne einen leicht fahlen Nachgeschmack, der nach wie vor in der Luft liegt.

Die Zentralmoschee in Köln-Ehrenfeld hätte einst stolzes Symbol für den interkulturellen und interreligiösen Dialog in Deutschland werden sollen. Und die ersten Schritte schienen vielversprechend. Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib, hatte einen Wettbewerb ausgelobt, den Paul Böhm, Spross einer alten Kölner Kirchenbaudynastie, gewann. Gemeinsam trotzten Bauherr und Architekt den anfänglichen Widerständen der Kölner Konservativen und den in den Folgemonaten aufkeimenden Bürgerprotesten. Immer wieder trat man gemeinsam vor Mikrofone, um den einen Hoffnung zu geben und die anderen zu beschwichtigen.

Doch schon bald tauchten die ersten sprichwörtlichen und buchstäblichen Risse auf. In der Fassade, in der Kuppel, in den Minaretten. Die Fenster wurden morsch, der Betonkanten brüchig, die Stufen am Weg hinauf aufs Plateau wackelig und lose. So mancher Blick aufs Detail ist schauderhaft. Und das bei einer zwar nicht offiziell kommunizierten, aber kolportierten Bausumme von über 40 Millionen Euro.

„Ich werde Ihnen jetzt keine Mängelführung geben, denn dazu ist der Zeitpunkt ein viel zu schöner und viel zu feierlicher“, sagt Ayse Aydin, Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Ditib. „Aber lassen Sie mich nur so viel sagen: Die Liste des gerichtlich bestellten Gutachters umfasst rund 2000 Baumängel, von denen ein Teil bereits behoben und ein Teil wohl nie wieder wirklich repariert werden kann. Es ist nicht lustig. Wir prozessieren.“

Im Abseits des juristischen Hickhacks, das wohl noch Jahre in Anspruch nehmen wird und zu dem sich das Architekturbüro Böhm am Telefon nicht äußern möchte, ist die Kölner Zentralmoschee ein in der Tat überwältigender Bau, der weithin sichtbar zelebriert, wie moderner Islam aussehen kann. 35 Meter hoch ragen die in Sichtbeton belassenen Kuppelschalenfragmente in den Himmel und fügen sich zu einer imposanten Skulptur, die ein bisschen an Darth Vader und ein bisschen an die TV-Verkehrspuppe Helmi erinnert. Ergänzt wird der Bau von zwei 55 Meter hohen, luftig gewickelten Minaretten. Die beiden vergoldeten, scheinbar frei schwebenden Serviettenringe sind ein Zitat der üblicherweise umlaufenden Muezzinbalkone.

Kuppel mit Suren und Sternen

Doch die Neudefinition konzentriert sich in erster Linie auf das Äußere: Während in Berlin-Moabit die deutsche Frauenrechtlerin Seyran Ateş erst kürzlich eine auch inhaltlich revolutionäre Moschee mit gemeinsamem Gebetsraum für Frauen und Männer eröffnete, herrscht in Köln-Ehrenfeld nach wie vor strikte Geschlechtertrennung. Die Männer sitzen unten in unmittelbarer Nähe des Minbars, wie die getreppte Kanzel korrekterweise bezeichnet wird, die Frauen oben auf der Galerie.

Zu diesem konservativen Bild passt auch die Gestaltung des Innenraums. Im Gegensatz zum schlichten, fast schon minimalistischen Außenraum nämlich ist der Kuppelsaal, der bis zu 1200 Menschen Platz bietet, innen ganz klassisch mit Sternornamenten und arabischen Koransuren gesäumt. Die Komposition in Gold, Creme und Türkis stammt vom Istanbuler Künstler und Dekorateur Semih Irteş. Immerhin eine schöne, himmlisch anmutende Abwechslung zum sonst vorherrschenden Rotkanon, den man in vielen anderen Moscheen vorfindet.

„Architektur und Technik dieses Hauses sind sehr modern“, sagt Selim Mercan, Leiter der Ditib-Abteilung für Bauwesen und Liegenschaften, beim Rundgang kurz vor dem Freitagsgebet. „Innen jedoch ist von dieser gestockten Betontechnik, von der Fußbodenheizung und von den vielen Erdsonden, die wir in den Boden gerammt haben, nichts zu spüren. Dieser Raum ist ganz und gar der Schönheit des Gebets gewidmet.“ Eine feine, wohlige Wärme macht sich breit, wenn Mercan von seiner Moschee schwärmt. Oben hängt ein zehnstrahliger Stern am Firmament.

„Wissen Sie, die Architektur ist das eine, aber hier geht es nicht nur darum, wie die Moschee aussieht, sondern auch darum, was sie alles leistet“, erklärt Bekir Alboğa. Schon seit 2004 ist er Abteilungsleiter für interreligiöse Zusammenarbeit und Generalsekretär im Bundesvorstand der Ditib. „Wir sind mehr als nur eine Moschee. Wir sind ein kleines Stadtteilzentrum mit Konferenzräumlichkeiten, Geschäften und Gastronomie. Und zwar nicht nur für Muslime, sondern für alle.“

Das Konferenzzentrum im Erdgeschoß bietet Platz für bis zu 700 Menschen. Und in der in Eichenholz und Marmor gehaltenen Einkaufspassage findet man eine clevere Ergänzung zum brummenden Multikultiviertel Ehrenfeld: Boutique, Buchhandlung, ein Geschäft mit Trockenfrüchten, ein Lokal mit Halal-Gerichten und sogar eine Filiale der kuwaitisch-türkischen KT Bank. Zwei Drittel der insgesamt 20 Geschäftslokale sind bereits vermietet. Zum „modernen, quirligen Bazar“, wie die Passage von den hier tätigen Ditib-Angestellten gerne beschrieben wird, ist es zwar noch ein Weg, aber gewiss kein weiter.

„In Köln leben weit über 120.000 Muslime“, sagt Generalsekretär Alboğa. „Und allein in unserem unmittelbaren Einzugsgebiet haben wir 500 bis 600 regelmäßig praktizierende Mitgliedsfamilien. Hinzu kommen die vielen, vielen Menschen, die uns allein deshalb schon besuchen, weil hier Ortsgemeinde, Landesverband und Bundesverband an einem Ort gebündelt sind.“ Besonders stolz ist Alboğa auf die Kölner Touristenbusse: „Mittlerweile machen die auf ihrer Standardroute sogar einen Bogen, um an uns vorbeizufahren. Wir sind ein Wahrzeichen geworden.“

Bleibt abzuwarten, ob die neue Moschee imstande ist, seine Mission zu erfüllen. „Der Wunsch, ein Gotteshaus zu erstellen, das die unterschiedlichen Kulturen zusammenbringen sollte, ist durch die Streiterei ums Geld nicht mehr realisierbar“, beklagt Gustav Menninger, Baumeister beim von der Ditib ebenfalls geklagten Bauunternehmen Nuha. Die Risse im Beton sind gekittet. Und auch die Wogen in den konservativen Kreisen der Kölner Bevölkerung sind in der Zwischenzeit geglättet. Jetzt geht es darum, die Gräben zwischen den Projektbeteiligten zu schließen und den viel beschworenen Dialog zu starten. Die offizielle Eröffnung der Ditib-Moschee ist für Ende 2017 geplant.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: