Bauwerk

Marktplatz St. Oswald bei Freistadt
lobmaier architekten - St. Oswald (A) - 2016

Das Glück im gefegten Zimmer

Leer fallende Gebäude im Ortszentrum, dafür Zersiedlungswucherungen an der Peripherie: ein Problem, dem sich immer öfter lokale Initiativen entgegenstellen. Etwa im Mühlviertler St. Oswald. Das Ergebnis: eine vorbildliche Neugestaltung des Marktplatzes.

8. Juli 2017 - Romana Ring
Die Gasthäuser finden keine Pächter mehr, der Bäcker, der Fleischer, die Gemischtwarenhändlerin haben längst aufgegeben. Daran, dass es hier einmal einen Friseur gegeben hat, können sich nur mehr die ganz Alten erinnern. Draußen, auf den einst grünen Wiesen aber schreitet die Zersiedelung munter voran. Während Nahversorger sich mit Textilketten und Baumärkten die begehrten Plätze am Kreisverkehr teilen, sterben die Zentren aus. Es scheint, als käme auf zehn, vielleicht 15 schmucke Eigenheime im frisch gewidmeten Wohngebiet ein Haus im alten Ortskern, das hinter blinden Fenstern von der Vergangenheit träumt. Der Aufschwung an der Peripherie und der Leerstand im Inneren sind kommunizierende Gefäße.

Gegen eine Lebensweise, die, von den Verheerungen an Umwelt und Volkswirtschaft abgesehen, für den Einzelnen zermürbende Details wie den täglichen Stau zur Arbeit bereithält, lehnt sich kaum jemand auf. Doch leer fallende Gebäude im Ortszentrum werden seit einiger Zeit von einer immer breiter werdenden Öffentlichkeit als Problem wahrgenommen. Weil die Ruinen eines untergegangenen Gemeinwesens das Bild ländlicher Idylle stören, könnte man da unken. Optimisten würden sagen: weil der Wunsch nach einem guten Leben nicht zuletzt auf sozialen Austausch und auf ein mit anderen Menschen geteiltes Gefühl der Ortsverbundenheit gerichtet ist. Zahlreiche Initiativen und unterschiedlichste Gruppierungen suchen landauf, landab nach Strategien, um dieses Grundbedürfnis in einer sonst weitgehend auf vordergründige Wirtschaftlichkeit und gefühlte Individualität abgestellten Welt zu befriedigen.

Auch in Oberösterreich: In der Marktgemeinde St. Oswald bei Freistadt beispielsweise hat ein äußerst engagierter Verein die Neugestaltung des Marktplatzes als wirksames Instrument zur Rückeroberung der Mitte erkannt. Nach 15 Jahren beharrlichen Einsatzes des „Forums Marktplatz“ haben im Jahr 2009 Elisabeth Lobmaier-Stockinger und Markus Lobmaier – sie betreiben gemeinsam das Architekturbüro Lobmaierstockinger in Linz – den seitens der Gemeinde ausgelobten Wettbewerb zur Platzgestaltung gewonnen. Darauf folgte ein weitere fünf Jahre währender kooperativer Planungsprozess, in dem jede Einzelheit des 2016 fertig gestellten Platzes mit großer Offenheit von Planern und Aktivisten diskutiert und einvernehmlich festgelegt wurde.

Es gehört zu den wichtigsten Qualitäten des gebauten Ergebnisses, dass es trotz der Fülle der behandelten Themen nicht zur gruseligen Leistungsschau guter Ideen geraten ist. Vielmehr haben Lobmaierstockinger gemeinsam mit dem Verkehrsplaner Hans Haller aus Kirchberg den Bestand rigoros von Überflüssigem befreit und so das darin angelegte Gemeinsame und Verbindende sichtbar gemacht. Dieses findet sich vor allem in den zwar bunten, doch nach wie vor stimmig anmutenden Fassadenfolgen zu beiden Seiten des Platzes und dem scheinbar mühelosen Reagieren des Raumes auf die anspruchsvolle Topografie des Mühlviertler Hügellands. Dazu kommt noch die Wahl eines einheitlichen, verschiedensten Situationen angemessenen Belags, sodass sich der neue Marktplatz wie ein ordentlich gefegtes Zimmer präsentiert, das in seiner Dimension und Ausstattung gleichermaßen einladend und robust genug wirkt, es mit Aktivitäten zu füllen.

Eigentlich ist der Marktplatz von St. Oswald eine – relativ steile – Straße, die, von Westen kommend, nach Osten ansteigt und dort vom Marktturm zeichenhaft abgeschlossen wird. Der Platz ist als Begegnungszone und barrierefrei angelegt, was angesichts seiner starken, von allerlei Quergefälle durchzogenen Steigung eine große Herausforderung für die Planung war. Als Belag dient heimischer, aus dem benachbarten Niederösterreich stammender Granit. Das Material des vom oberen Ende des Marktplatzes aus sichtbaren Steinbruchs wäre in seiner stetigen Farbigkeit für das ländliche Umfeld zu gleichförmig gewesen. Immerhin konnte, nicht ohne Kampf, ein Steinimport aus China abgewendet werden. Die durch diese nachhaltige Entscheidung verursachten, nicht unbeträchtlichen Kosten konnte man durch eine sehr einfache Maßnahme in Grenzen halten: So weit das Budget reichte, findet sich der Stein in Streifen von drei Formaten quer zum Straßenverlauf von Platzwand zu Platzwand verlegt. Am oberen und am unteren Ende des Marktplatzes übernimmt kostengünstiger Asphalt, von flachen granitenen Leistensteinen gefasst, diese Funktion.

Das Regenwasser wird in flachen, sorgsam aus Stein gehauenen Rinnen abgeleitet. Sehr wohltuend wirkt der Verzicht auf ein Ausweisen von Parkplätzen in den Oberflächen. Wer jemals an einer Diskussion zu diesem Thema teilgenommen hat, weiß, welche enorme kulturelle Leistung diese Zurückhaltung darstellt. Eine blaue Linie – sie kann eines Tages wohl ohne großen Aufwand entfernt werden – genügt zur Kennzeichnung von Kurzparkzonen.

Auch die Möblierung des Platzes ist zweckmäßig und ansprechend schlicht. Einfache Kandelaber begleiten den Straßenverlauf. Die ursprünglich projektierte Beleuchtung der Fassaden hat sich als zu verhandlungsintensiv für eine Realisierung erwiesen. Den Wunsch des „Forums Marktplatz“ nach einer Begrünung des Platzes haben die Planer mit Hilfe einer Maßnahme erfüllt, die dem abschüssigen Terrain zusätzlich die eine oder andere ebene Fläche abgewinnt: Im oberen Teil des Platzes weisen die Bereiche vor den Hauseingängen kein Quergefälle auf. Den Höhenunterschied zur Fahrbahn überbrücken hier schmale Staudenbeete. Sie werden von steingefassten, mit den Namen der zum Gemeindegebiet gehörenden Ortschaften versehenen Pflanztrögen für kleinkronigen Kugelahorn ergänzt, auf denen hölzerne Sitzbänke montiert sind.

Während der Planungsarbeiten sind die letzten Geschäfte vom Platz verschwunden. Ein Hotel steht leer; ein Gasthaus wird zum Wohnhaus umgedeutet; ein ehemaliger Nahversorger ist noch als Mahnmal zur Bandbreite gestalterischer Fehlentscheidungen zu besichtigen. Doch: Es ist Leben im Zentrum von St. Oswald. Die Häuser sind bewohnt; neue Betriebe ziehen ein; die Vereine bespielen den öffentlichen Raum mit allerlei Festlichkeiten. St. Oswald bei Freistadt zählt zu den glücklichen, den aufstrebenden Gemeinden Oberösterreichs; zumal es seit Kurzem einen Autobahnanschluss hat.

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